Dresden: Comeback des „Trauermarsches“?
Steigen die Zahlen wieder?
Heise lag anscheinend nicht ganz falsch, als er beim Aufmarsch im letzten Jahr verkündete, dass dem „Dresden-Gedenken“ wieder zu alter Größe verholfen würde. Über 6.000 Teilnehmer zog der „Trauermarsch“ zu Hochzeiten an und galt lange als „Pflichttermin“ für die rechte Szene. In der jüngeren Vergangenheit zwangen der Protest aus der Zivilgesellschaft und erfolgreiche Blockaden die Organisatoren der geschichtsrevisionistischen Demonstrationen allerdings zu einem regelrechten Versteckspiel: Falsche Mobilisierungsaufrufe sollten Gegendemonstrationen erschweren, ebenso die Verlagerung der Marschrouten in die Außenbezirke. Die Folge: Das „Bombengedenken“ wurde für Neonazis immer unattraktiver. Teilnehmerzahlen sanken und stagnierten schließlich bei wenigen hundert Personen. Das scheint sich nun zu ändern: Am Freitag zogen die rechten Demonstranten mitten durch die Innenstadt Dresdens – eine deutlich prestigeträchtigere Route. Mehrere Blockadeversuche scheiterten. Die Generalprobe verlief für die Rechtsextremen also positiv. 2020 jährt sich die Bombardierung der Stadt zum 75. Mal. Die rechte Szene bereite sich für das Jubiläum auf einen Großaufmarsch vor, befürchten Beobachter.Berichte über Polizeigewalt
Für Kritik sorgte derweil das Verhalten der Polizei vor Ort. Die Rede ist von aggressivem Auftreten der Beamten, von unverhältnismäßiger Härte gegenüber dem Gegenprotest. Die Situation wurde immer wieder unübersichtlich. Spontane Protestaktionen und Versuche die Marschroute zu blockieren, wurden durch Einsatzkräfte teils unter massiver Gewaltanwendung aufgelöst. Berichten zufolge trug eine Gegendemonstrantin nach einer Polizeimaßnahme eine Platzwunde davon, ein Handyvideo zeigt einen Polizisten, der anscheinend ohne dringenden Grund einem Demonstranten einen Faustschlag versetzt. Journalisten, die vor Ort waren, dokumentierten zudem vielfache Eingriffe in ihre Arbeit. Filmaufnahmen belegen, dass einige Polizeibeamte bewusst die Presse behinderten und auf Kritik wahlweise mit höhnischen Bemerkungen, Einschüchterungen oder körperlichen Attacken reagierten. Auch von einem Versuch, den Presseausweis eines Medienvertreters zu entsorgen, war die Rede.Ein Lehrstück der @PolizeiSachsen zur Gefahrenabwehr. Wie verhindere ich, dass unliebsame Aufnahmen von mir in der Berichterstattung auftauchen? Einfach versuchen Pressevertretern die Kamera aus der Hand zu schlagen. Wichtig: danach schnell nach hinten abtauchen #dd1502 pic.twitter.com/xE19jfoIA7
— Chris (@ChrisCldtz) 16. Februar 2019
Die @PolizeiSachsen behindert auch SZ-Journalisten bei der Arbeit. #DD1502 #Dresden pic.twitter.com/HlIL4INDPh
— sächsische.de (@saechsischeDE) 15. Februar 2019
Gegen den Aufmarsch mobilisierte das Bündnis „Dresden Nazifrei“. Weit über 1.000 Demonstranten folgten dem Aufruf. Angefangen am Sammelpunkt wurden die Neonazis entlang der Marschroute so von lauten Protestrufen begleitet. Stellenweise blockierten nahezu 150 Menschen die Straße auf der die Rechtsextremen laufen sollten. Ein vorzeitiger Abbruch der neonazistischen Demonstration blieb aber trotz diverser Blockadeversuche und einiger kreativer Protestaktionen aus. Die Polizei bereitet die Räumung einer Sitzblockade vor, Foto: Tim MönchWas macht denn der zärtliche Kollege in der Mitte hier plötzlich mit seiner Faust @PolizeiSachsen? #dd1502 #nonazis pic.twitter.com/5DKO8kPYms
— Aaron Wörz (@aaronwoerz) 15. Februar 2019
Neurechte Rivalen
Lange dominierte der Neonazi-Aufmarsch das „Bombengedenken“ in Dresden. Seit aber die AfD in der Stadt Fuß gefasst hat, sind die geschichtsrevisionistischen Aufmärsche nicht mehr konkurrenzlos. Am Rande der Gedenkfeier der Stadt Dresden am Mittwochmorgen traten neben einer NPD-Delegation auch Vertreter der AfD auf den Plan. Für Aufsehen sorgte dabei nicht nur der Blumenschmuck der Bundestagsfraktion der rechtspopulistischen Partei, dessen Zierband im Neonazi-Duktus die Opfer des „alliierten Bombenterror[s]“ beklagte, sondern auch eine Aktion des AfD-Kreisverbandes Dresden: Die Kommunalkandidaten der Gliederung legten ebenfalls einen Kranz nieder - wahlkampftauglich versehen mit deren Namen.Am Abend veranstaltete die Partei zudem eine Kundgebung auf dem Dresdener Altmarkt, an der neben lokalen Neonazis und dem Umfeld von Pegida auch André Poggenburg und seine Mitstreiter von der neugegründeten Splitterpartei AdP teilnahmen.Wie ernst die AfD es mit ihrer "Trauer" nimmt, könnt ihr daran sehen, dass sie den "Trauer"-Kranz und die Gedenkveranstaltung zur Werbung ihrer Kommunalwahlkandidaten nutzt. So peinlich war nicht mal die NPD.#MutzurWahrheit #dd1302 #Opfermythos #13feb pic.twitter.com/RWK6wvsiS5
— Sonderberater gegen Rechts (@Chronik_ge_Re) 13. Februar 2019