Dresden: Comeback des „Trauermarsches“?

Über Jahre gelang es der Zivilgesellschaft in Dresden, die rechtsextremen „Gedenkmärsche“ zum 13. Februar an den Stadtrand zu verdrängen. Die Demos schrumpften deutlich. Das könnte sich nun ändern: Mehrere hundert Neonazis sind am Freitag durch das Zentrum der sächsischen Landeshauptstadt marschiert. Massive Kritik gab es zudem am Polizeieinsatz am Rand der rechtsextremen Demonstration.

Samstag, 16. Februar 2019
Redaktion
Hinter dem Frontransparent sammelten sich die lokale Szene, Foto: Tim Mönch
Hinter dem Frontransparent sammelten sich die lokale Szene, Foto: Tim Mönch
Was anfangs noch nach einem versprengten Häufchen weniger hundert Neonazis aussah, die sich um Organisator und JN-Funktionär Maik Müller unweit des Dresdener Rathauses versammelt hatten, wuchs rasch an, nachdem sich die rechte „Trauergemeinde“ in Bewegung setzte. Mindestens 800 Rechtsextremisten zog der Marsch an, in Medienberichten ist von bis 1.000 Teilnehmern die Rede. Klar ist: Im Vergleich zu den Vorjahren wuchs die Demonstration erstmals wieder deutlich an. Der Aufzug lockte wie in den letzten Jahren einen Querschnitt der Neonazi-Szene an. Neben NPD-Kadern wie Udo Voigt oder Jens Baur marschierten regionale und überregionale Kameradschafts-Gruppen auf. Unter anderem Neonazis aus Sachsen und dem Raum Berlin-Brandenburg zog es nach Dresden. Anhänger der südniedersächsischen „Kameradschaft Northeim“ aus dem Umfeld von NPD-Vize Thorsten Heise liefen neben Philipp Neumann von der Rechtsrock-Combo „FLAK“ oder Szeneunternehmer Yves Rahmel. Am Rand filmte der rechtsextreme Youtuber Nikolai Nerling das Geschehen. Vereinzelt stieß auch Publikum aus dem Pegida-Milieu dazu. Splitterparteien aus dem rechtsextremen Spektrum wie Die Rechte oder Der Dritte Weg scheinen das Event indes eher zu meiden. Letzterer veranstaltet am Folgetag einen Aufmarsch in Fulda - ebenfalls zum "Gedenken" an das Bombardement von Dresden.  Mit dabei: Nikolai Nerling, auch bekannt als "Der Volkslehrer", der anwesende Pressevertreter abfilmte, Foto: Tim Mönch

Steigen die Zahlen wieder?

Heise lag anscheinend nicht ganz falsch, als er beim Aufmarsch im letzten Jahr verkündete, dass dem „Dresden-Gedenken“ wieder zu alter Größe verholfen würde. Über 6.000 Teilnehmer zog der „Trauermarsch“ zu Hochzeiten an und galt lange als „Pflichttermin“ für die rechte Szene. In der jüngeren Vergangenheit zwangen der Protest aus der Zivilgesellschaft und erfolgreiche Blockaden die Organisatoren der geschichtsrevisionistischen Demonstrationen allerdings zu einem regelrechten Versteckspiel: Falsche Mobilisierungsaufrufe sollten Gegendemonstrationen erschweren, ebenso die Verlagerung der Marschrouten in die Außenbezirke. Die Folge: Das „Bombengedenken“ wurde für Neonazis immer unattraktiver. Teilnehmerzahlen sanken und stagnierten schließlich bei wenigen hundert Personen. Das scheint sich nun zu ändern: Am Freitag zogen die rechten Demonstranten mitten durch die Innenstadt Dresdens – eine deutlich prestigeträchtigere Route. Mehrere Blockadeversuche scheiterten. Die Generalprobe verlief für die Rechtsextremen also positiv. 2020 jährt sich die Bombardierung der Stadt zum 75. Mal. Die rechte Szene bereite sich für das Jubiläum auf einen Großaufmarsch vor, befürchten Beobachter.

Berichte über Polizeigewalt

Für Kritik sorgte derweil das Verhalten der Polizei vor Ort. Die Rede ist von aggressivem Auftreten der Beamten, von unverhältnismäßiger Härte gegenüber dem Gegenprotest. Die Situation wurde immer wieder unübersichtlich. Spontane Protestaktionen und Versuche die Marschroute zu blockieren, wurden durch Einsatzkräfte teils unter massiver Gewaltanwendung aufgelöst. Berichten zufolge trug eine Gegendemonstrantin nach einer Polizeimaßnahme eine Platzwunde davon, ein Handyvideo zeigt einen Polizisten, der anscheinend ohne dringenden Grund einem Demonstranten einen Faustschlag versetzt. Journalisten, die vor Ort waren, dokumentierten zudem vielfache Eingriffe in ihre Arbeit. Filmaufnahmen belegen, dass einige Polizeibeamte bewusst die Presse behinderten und auf Kritik wahlweise mit höhnischen Bemerkungen, Einschüchterungen oder körperlichen Attacken reagierten. Auch von einem Versuch, den Presseausweis eines Medienvertreters zu entsorgen, war die Rede. Gegen den Aufmarsch mobilisierte das Bündnis „Dresden Nazifrei“. Weit über 1.000 Demonstranten folgten dem Aufruf. Angefangen am Sammelpunkt wurden die Neonazis entlang der Marschroute so von lauten Protestrufen begleitet. Stellenweise blockierten nahezu 150 Menschen die Straße auf der die Rechtsextremen laufen sollten. Ein vorzeitiger Abbruch der neonazistischen Demonstration blieb aber trotz diverser Blockadeversuche und einiger kreativer Protestaktionen aus. Die Polizei bereitet die Räumung einer Sitzblockade vor, Foto: Tim Mönch

Neurechte Rivalen

Lange dominierte der Neonazi-Aufmarsch das „Bombengedenken“ in Dresden. Seit aber die AfD in der Stadt Fuß gefasst hat, sind die geschichtsrevisionistischen Aufmärsche nicht mehr konkurrenzlos. Am Rande der Gedenkfeier der Stadt Dresden am Mittwochmorgen traten neben einer NPD-Delegation auch Vertreter der AfD auf den Plan. Für Aufsehen sorgte dabei nicht nur der Blumenschmuck der Bundestagsfraktion der rechtspopulistischen Partei, dessen Zierband im Neonazi-Duktus die Opfer des „alliierten Bombenterror[s]“ beklagte, sondern auch eine Aktion des AfD-Kreisverbandes Dresden: Die Kommunalkandidaten der Gliederung legten ebenfalls einen Kranz nieder - wahlkampftauglich versehen mit deren Namen. Am Abend veranstaltete die Partei zudem eine Kundgebung auf dem Dresdener Altmarkt, an der neben lokalen Neonazis und dem Umfeld von Pegida auch André Poggenburg und seine Mitstreiter von der neugegründeten Splitterpartei AdP teilnahmen.
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