Rechter Angriff

Drei Haftstrafen im Erfurter Herrenberg-Prozess

Wegen eines rassistischen Überfalls auf drei Männer aus Guinea mussten sich seit November 2022 ursprünglich zehn Angeklagte aus der Erfurter Neonazi-Szene und ihrem Umfeld vor dem Landgericht Erfurt verantworten. Nun hat das Landgericht Erfurt drei Angreifer zu Haftstrafen verurteilt.

Montag, 15. Mai 2023
Kai Budler
Ursprünglich mussten sich zehn Neonazis vor Gericht verantworten, Foto: Kai Budler
Ursprünglich mussten sich zehn Neonazis vor Gericht verantworten, Foto: Kai Budler

Knapp drei Jahre nach einem brutalen rassistischen Angriff in der Thüringer Landeshauptstadt sind vor dem Landgericht Erfurt heute die Urteile gegen sieben Angeklagte gefallen. Unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung wurden drei Männer zu Freiheitsstrafen zwischen zwei Jahren und vier Monaten und vier Jahren und neun Monaten ohne Bewährung verurteilt. Ein Angeklagter erhielt eine zweijährige Bewährungsstrafe und drei Angeklagte wurden freigesprochen.

Damit blieb das Gericht deutlich hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Sie hatte für alle Angeklagten Haftstrafen ohne Bewährung zwischen 18 Monaten und vier Jahren und drei Monaten gefordert. Bei einer derart rassistischen und menschenverachtenden Tat könne es keine Bewährung geben. Zum Teil seien dabei Verurteilungen aus früheren Verfahren in die Gesamtstrafe einzubeziehen. Die Verteidiger hatten für ihre Mandanten jeweils Freisprüche gefordert.

Massive psychische und physische Folgen für Geschädigte

Die Beratungsstelle ezra hatte noch am Freitag gefordert, im Fall von Haftstrafen die Angeklagten sofort ins Gefängnis zu bringen. Zu groß sei die Gefahr, dass sie erneut rechte und rassistische Gewalttaten verüben würden, wenn sie auf freiem Fuß blieben. Schließlich sei ein großer Teil der Angeklagten bereits in der Vergangenheit als brutale Neonazi-Schläger in Erscheinung getreten.

Die Angeklagten hatten im Prozess eine Tatbeteiligung abgestritten und behauptet, von den Männern aus Guinea angegriffen, geschlagen und getreten worden zu sein. Aus diesem Grund ermittelte die Staatsanwaltschaft kurzzeitig gegen die drei Männer wegen Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft hatte diese Behauptung im Prozess als „lebensfremd“ zurückgewiesen, die psychischen und physischen Folgen für die Geschädigten seien „massiv“. Vielmehr hätten die Angeklagten mit ihrer Tat ihre zutiefst menschenverachtende, “fremdenfeindliche” Gesinnung gezeigt. Auch eine Einschränkung der Wahrnehmungs- und Steuerungsfähigkeit sei trotz Alkoholkonsum bei keinem der Angeklagten gegeben.

Lektüre der Menschenrechte empfohlen

Die Staatsanwältin empfahl ihnen die Lektüre der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und fügte hinzu: „Sie müssen auch gar nicht viel lesen. Artikel 1 reicht: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“

Das Verfahren gegen ursprünglich zehn Angeklagte aus der Erfurter Neonazi-Szene und ihrem Umfeld wegen gefährlicher Körperverletzung hatte Ende November 2022 begonnen. Die Verfahren gegen eine Frau und zwei Männer waren eingestellt worden, weil ihnen konkrete Tathandlungen nicht nachgewiesen werden konnten.

Den übrigen sieben Angeklagten wurde vorgeworfen, am Abend des 1. August 2020 vor den damaligen Räumlichkeiten der Neonazi-Gruppierung „Neue Stärke Erfurt“ (NSE) drei Männer aus Guinea getreten, geschlagen und rassistisch beleidigt zu haben. Zwei der drei Betroffenen hatten dabei schwere Verletzungen erlitten. In den Jahresstatistiken von ezra ist Erfurt landesweit der Hotspot rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. So stieg die Zahl derartiger Angriffe in der Landeshauptstadt im vergangenen Jahr um fast das Doppelte im Vergleich zum Vorjahr an. Neben einer rechtlichen Aufarbeitung fordert die Opferberatungsstelle die Verantwortlichen der Stadt auf, „das massive Problem mit rassistischer Gewalt in Erfurt“ endlich ernst zu nehmen.

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