Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik
Bedeutung der völkischen Bewegung für das Aufkommen des Nationalsozialismus.
Die NPD bekennt sich heute in programmatischen Erklärungen zu „völkischem Denken“ und „völkischem Sozialismus“. Die Bezeichnungen knüpfen an eine Bewegung an, welche im Wilhelminischen Kaiserreich aufkam, in der Weimarer Republik politisch wirkte und teilweise im Nationalsozialismus aufging. Ihr widmet der Hamburger Soziologe Stefan Breuer in seinem neuesten Buch „Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik“ seine Aufmerksamkeit. Er will darin eine Art „Panoramabild“ dieser ideologischen und organisatorischen Strömung im genannten Zeitraum abliefern. Als Kernelemente benennt der Autor eine Verbindung von „Mittelstandsideologie, Kritik der reflexiven Modernisierung und Rechtsnationalismus im Rahmen einer sozialen Bewegung“. Seine Analyse will aufgrund der eher allgemeinen Merkmale aber den „Schwerpunkt auf die politischen Artikulations- und Organisationsformen der Völkischen“ (S. 21), also die Parteien, Verbände und Vereine mit ihrem größeren Aussageprofil legen.
Breuer gliedert seine Darstellung in zwei große Kapitel: Zunächst geht es um die Entwicklung in der Kaiserzeit, wobei die Grundlegung des völkischen Nationalismus durch Bernhard Förster und Otto Glagau am Beginn steht. Danach zeichnet Breuer die Entwicklung vom Diskurs zur Bewegung nach, beschreibt die Entstehung völkischer Gesinnungsgemeinschaften und die Zustimmung zu derartigen Parteien durch Mitglieder und bei Wahlen. Darüber hinaus fragt er nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zur antisemitischen und rassenhygienischen Bewegung sowie zur Kultur- und Lebensreformbewegung. Bei den Ausführungen zu den Völkischen in der Weimarer Republik stehen die Organisationen noch stärker im Zentrum: der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund, der Deutschbund, die Deutschsoziale Partei oder die Deutschvölkische Freiheitspartei. Dann geht es um die Rolle der Völkischen in der DNVP und der NSDAP, aber auch um ihre Einstellung zur Frauenfrage oder ihre Jugendarbeit.
Breuer erweist sich in seiner neuen Untersuchung zur Geschichte der „Rechten“ in Deutschland ebenso wie in seinen früheren Arbeiten dazu als ausgezeichneter Kenner der Materie. Selbst wer seine Einschätzungen und Typologisierungen nicht in allen Facetten teilt, muss von dem immensen Arbeitsaufwand und der breiten Quellenarbeit beeindruckt sein. Die vorliegende Studie beruht teilweise auf einer intensiven Auswertung zeitgenössischer Publikationen und stützt sich nicht nur auf die vorliegende Sekundärliteratur. Hinsichtlich der Differenzierung neigt Breuer jedoch zu Übertreibungen: Durch die Verweise auf Unterschiede geraten mitunter die Gemeinsamkeiten aus dem Blickfeld. Darüber hinaus hätte man sich zumindest zum Schluss noch eine analytische Abrundung gewünscht, auch und gerade hinsichtlich der Bedeutung der völkischen Bewegung für den aufkommenden Nationalsozialismus.