„Weda Elysia“

Die rechte Macht im Dorf

Zur Wahl des Ortschaftsrates treten drei KandidatInnen als Wählergemeinschaft „Schönes Wienrode“ an. Sie stehen dem völkischen Projekt „Weda Elysia“ nahe, zwei hatten sogar Kontakt zur verbotenen, verfassungsfeindlichen „Artgemeinschaft“.

Montag, 06. November 2023
Andrea Röpke
In einem Aushang wird für die "Schönes Wienrode"-KandidatInnen geworben, Foto: isso.media
In einem Aushang wird für die "Schönes Wienrode"-KandidatInnen geworben, Foto: isso.media

In Wienrode herrscht eisiges Schweigen. Mit den Medien redet keiner, niemand will sich kritisch zu „Weda Elysia“ äußern. Nicht alle im Ort sind damit einverstanden, dass drei aus dem Kreise des völkisch-nationalistischen „Anastasia-Familienlandsitzes“ bei der anstehenden Wahl des Ortschaftsrates am kommenden Sonntag antreten, doch auch sie schweigen lieber. Zu viel ist inzwischen in dem Ort nahe Werningerode im Ostharz geschehen. Reifen wurden zerstochen, Weidetore geöffnet, unterschwellige Einschüchterungsversuche unternommen. Zu groß sind die Befürchtungen, selbst ins Visier der Rechtsextremen zu geraten. Am 12. November jedoch stehen offene Stellen in der Gemeindevertretung zur Wahl. Der Tag wird zum Gradmesser für die künftige Entwicklung in einem der zahlreichen Orte in der Bundesrepublik, in denen Rechtsextreme das Sagen haben wollen.

2018 erwarb die „Weda Elysia Heimatland-Stiftung“ die marode „Dorfschänke“ mitten im Ort, renovierte nach und nach die ersten Gebäude. Seit Sommer wird dort ein öffentliches Café betrieben. „Jetzt kann man hier im Dorf endlich Kaffee trinken gehen“, sagt eine alte Dame, die am Sonntagnachmittag auf dem Weg zum „Haus Lindenquell“ in Wienrode ist. Sie sieht den Infostand von „Aufstehen gegen rechts“ um die ehemalige Werningeröder Stadträtin Ruth Fiedler, sieht die Presse, die Polizei am Straßenrand. Dann dreht sie um. Fiedler berichtet, dass bei der letzten Aktion vor wenigen Wochen ein Nachbar aus dem Haus stürmte, sie mit dem Wort „Fotze“ beleidigte und anschließend die Aufsteller, die sich gegen rechts wenden, zertrat. „Wenn die Völkischen hier so harmlos sind“, fragt Ruth Fiedler, „warum traut sich niemand im Ort über Weda Elysia zu reden?“

CDU und „Schönes Wienrode“ auf Wahllisten

„Ihr seid doch das Letzte“, „ihr seid Abschaum“, schimpfen auch am letzten Sonntag Gäste von „Weda Elysia“ vor laufenden Kameras. Die meisten sind genervt, einige aggressiv. Greifen in die Kamera, behaupten die JournalistInnen seien Unmenschen. Fragen wollen sie nicht beantworten. Auch Maik und Aruna Schulz nicht, das Ehepaar, welches die Geschicke des Ortes lenken möchte. Aruna Schulz ist eine der Kandidatinnen der Wählergemeinschaft „Schönes Wienrode“ zur anstehenden Ortschafts-Wahl. Am Sonntag werden Nachrückende für drei vakante Sitze neu besetzt. Die Ortsvorsteherin hatte vor Monaten hingeschmissen. Rund sieben Monate lang bestimmt dann dieser Rat die Politik, bis im Juni 2024 reguläre Neuwahlen anstehen.

Zum 12. November gibt es zudem eine CDU-Liste „Wir für Wienrode“ mit vier Kandidaten. Für die Interessen von „Schönes Wienrode“ treten die Kutscherin Anke Simandel, 55 Jahre alt und von Anfang an hitzköpfige Unterstützerin des nationalistischen Wohnprojektes „Weda Elysia“ an. Der zweite Kandidat ist Johannes Degel, als dritte tritt „Aruna“ Anja Maria Schulz, die Wortführerin von „Weda Elysisa“ an. Degel hatte sich als Handwerkslehrer an der „Freien Waldorfschule Vorharz“ in Thale beworben, wurde aber abgelehnt. Ebenso wie Maik und Aruna Schulz gehört er zur Kerngruppe von „Weda Elyisa“. Gemeinsam bauten sie nicht nur den „Arier“-Kult um die fiktive russische Romanfigur „Anastasia“ mit auf, sondern pflegen auch enge Kontakte im rechtsextremen Spektrum. „Weda Elysia“-Mitglieder tanzten mit dem Holocaustleugner Nikolai Nerling.

Teilnahme an „Artgemeinschafts“-Treffen

Fotos des antifaschistischen Recherche-Kollektivs EXIF belegen zudem, dass Aruna Schulz und Johannes Degel 2022 an einem konspirativen Treffen der jüngst wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit verbotenen rassistischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Daseinsgestaltung“ teilnahmen. Beim dortigen „Frühlingsfest“ ist Degel zu sehen, wie er mit einem Kind über das Gelände des „Hufhauses“ in Ilfeld läuft. Dass auch zahlreiche bekannte Neonazis zur „Artgemeinschaft“ gehören, scheint auch Aruna Schulz nicht gestört zu haben. Sie trug 2022 einen pinkfarbenen Schal zur Tracht, unterhielt sich angeregt mit ihrem Ehemann.

Degel stehe für „aufrichtige Kommunikation, Fleiß und Anstand“ heißt es auf Plakaten zur Wahlbewerbung für den Ortschaftsrat. Mitbewerberin Aruna Schulz hat den Bonus, dass sie aus der Region stammt und zurückgekehrt ist. Sie sei selbstständige Grafikerin, für die Öffentlichkeitsarbeit des „Haus Lindenquell“ zuständig, dem Haus- und Kulturprojekt von „Weda Elysia“. Dort betreibt sie auch eine „Trachtenstube“. In der „Anastasia“-Zeitung „Garten Weden“ schrieb Schulz vor Jahren: „Für uns bedeutet das Wiederbeleben unseres heimatlichen Brauchtums die Anbindung an das Eigene, Wesensgemäße. Wir spüren, wie dadurch das Ahnen(ge)wissen in uns erwacht. Kulturpflege und Heimatliebe bieten zudem einen guten und natürlichen Schutz gegen eine Eine-Welt-Kollektivierung“.

Dominanz im vorpolitischen Raum

„Die Heimat“, zuvor NPD, nennt so ein Vorgehen wie in Wienrode „Strategie der Akzeptanzgewinnung“. Es geht um Dominanz im vorpolitischen Raum, um nationalistische „Graswurzelarbeit“. Hemmschwellen fallen am Besten bei Wein und Gesang. Die Gründung der Wählergemeinschaft „Schönes Wienrode“ gehört dazu. Über kulturelle Brauchtumsarbeit politische Gestaltung zu betreiben, ist öffentlich weniger angreifbar. Diese Initiative sei laut Eigenaussage nur gegründet worden, um das „Dorfleben“ „menschlich“ zu gestalten.

„Wir pflanzen unsere Linde“, steht auf den Anschlägen, die im Ort aufgehängt wurden und für die KandidatInnen-Feier am vergangenen Sonntag werben. Mit dieser besonderen Aktion machen die Völkischen von „Weda Elysia“ für ihre Sache Werbung. Für die „heimatliche Kultur“ sei gesorgt, mit Jodeln der „Gesangsmeinschaft“. Rund 40 Gäste sind gekommen. Der Baum wird eingepflanzt und die Gäste dazu aufgefordert, Zettel mit Wünschen aufzuhängen.

Wirtschaftsnetzwerk

 „Lasst Euch nicht unterkriegen! Ihr tut das Richtige“, heißt es auf einem der bunten Papiere. Dieser Aufruf ist mit „Harzer Wölfe Nadine“ unterzeichnet. „Harzer Wölfe“ ist eine Gruppierung, die sich an den verschwörungsideologischen Demonstrationen der Region beteiligt hatte. Es sind einige aus diesem rechten Spektrum dabei.

Manche Gäste wünschen einfach nur „Frieden“ und „ein volles Haus“. Homogene Volkstumspflege gepaart mit zünftiger Bewirtung scheinen ein Schlüssel für den Zugang in ländliche Regionen des Ostharz. Der rechtsextreme Verein „Weda Elysia“ bietet eine soziale Heimstatt für ausgewählte Menschen an – und verdient Geld damit. Gäste können neben Kaffee und Kuchen Naturprodukte aus der Region erwerben. Ein kleines ökologisches Wirtschaftsnetzwerk ist bereits entstanden. Auf einem neuen Schild am Eingang wird für Johannes Degels Imkerei „Immentanz, Honig aus „wesensgemäßer Bienenhaltung“ geworben.

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