Spannungsverhältnis
Die Neue Rechte und die „Rechtslibertären“
Auch in Deutschland gibt es „Rechtslibertäre“, allerdings mit geringerer Relevanz als in den USA. Angesichts deren dortiger Bedeutung kann es aber auch hier zu Kooperationen kommen, wogegen man sich in der Neuen Rechten angesichts von ideologischen Unterschieden noch sträubt. Beide streben indessen offen eine „Umwälzung“ an.

Wie steht eigentlich die Neue Rechte zu den „Rechtslibertären“? Diese Frage war bislang für die deutsche Szene nicht sonderlich relevant. Angesichts des Bedeutungsanstiegs einschlägiger Einflüsse und Protagonisten aus den USA kam es hier aber jüngst zu einem Wandel. Wie sollte man zu Elon Musk oder Peter Thiel stehen? Angesichts deren finanzieller und politischer Bedeutung ist dies auch für die Entwicklung der deutschen Neuen Rechten von Relevanz.
Um das Gemeinte nun aber besser zu verstehen, bedarf es zunächst einiger Konkretisierungen: Denn der Begriff „libertär“ ist im deutschsprachigen Kontext eigentlich ganz anders gemeint. Er dient anarchistischen Bestrebungen von links meist als Selbstbezeichnung, wollen diese damit doch ihre Distanz gegenüber den marxistisch-leninistischen Dogmatikern verdeutlichen. Um eine solche Ausrichtung geht es aber bei den „Rechtslibertären“ gar nicht. Sie haben indessen den Begriff für ihr Image vereinnahmt, zumindest für die Entwicklung in den USA kann dies so gesagt werden.
Ökonomischer Egoismus als moralische Tugend
Dort kursiert gar „Anarchokapitalismus“ als Bezeichnung, womit eine antistaatliche Orientierung des gemeinten Spektrums verbunden ist. Derartige Auffassungen irritieren im europäischen Diskurs, ist doch das Bild vom Staat ebendort anders geprägt. „Anarchokapitalisten“ und „Rechtslibertäre“ wenden sich auch primär gegen den Sozialstaat, sehen sie doch in ihm eine Einschränkung ihrer Freiheit bzw. konkreter ihrer wirtschaftlichen Freiheit. Ihnen geht es entsprechend nicht um mehr soziale Gleichheit wie bei den „Linkslibertären“, eher muss angesichts eines Elitenprojekts vom Gegenteil ausgegangen werden.
Der ökonomische Egoismus gilt als moralische Tugend, der besonderen Freiheit zum steigenden Reichtum wird gehuldigt. Diese Ausrichtung erklärt auch, warum es insbesondere gegen Sozialstaatlichkeit gehen soll. Dementsprechend kommt einer Gemeinschaftsideologie bei den „Rechtslibertären“ nur geringe Relevanz zu. Und hier bestehen denn auch die konkreten Differenzen von Neue Rechte und „Rechtslibertären“.
„Laissez faire-Kapitalismus“ ohne „staatliche Vorschriften“
Exemplarisch wurde dies für die deutsche Neue Rechte schon früh klar, gab es doch gewisse Annäherungen bereits 2003. In der dritten Ausgabe der „Sezession“ findet man zwei einschlägige Veröffentlichungen. Einmal äußerte sich André Lichtschlag, der mit seinem Blatt „eigentümlich frei“ für die „libertär-konservative Sezession“ eintrat. Und einmal nahm zu diesem „Angebot“ dann Götz Kubitschek darauf im ablehnenden Sinne inhaltlich Stellung.
Es lohnt aus heutiger Blickrichtung auf die dort artikulierten Differenzen einzugehen, lassen sich doch so gut Gemeinsamkeiten und Unterschiede konstatieren. Lichtschlag bekannte in seinem Statement, „für einen durch keinerlei staatliche Vorschriften eingeschränkten Laissez-faire-Kapitalismus“ einzutreten. Weiter bemerkte er: „Politik bedeutet Diebstahl, Raub und Vernichtung, der Markt bietet Partnerschaft und Reichtum.“ Man werde „von Bürokraten, Staatsfans, Umwelthysterikern, Männerhassern und Antifaschos gnadenlos und immer allumfassender regiert.“ Es gebe eine „Staatsökosozifemiantifaschodoktrin“.
„Umwälzung der Umwälzung“
In seiner Antwort formulierte Kubitschek zu vielen dieser Punkte auch seine Zustimmung. Sie gipfelte in der Aussage: „Um eine Umwälzung der Umwälzung muß es auch heute gehen, darin sind sich Lichtschlag und ich einig.“ Gleichwohl formulierte er auch Einwände, würde doch der „radikal-libertäre Ansatz“ zu einer „völligen Entfesselung dynamischen Wirtschaftens“ führen und sich „verheerend auf die menschliche Substanz auswirken“. Man setze so auf „die Prinzipien des Egoismus“ für den „parkettfähigen Self-made-Menschen“, wodurch der Rest des Volkes vergessen werde. Der „Laissez-faire-Kapitalismus“ stehe für eine „Mißachtung anthropologischer Grundbedingungen“.
Spitzt man diese Aussagen zu, so ginge es im erstgenannten Fall nur um eine elitäre Minderheit, während bei der Neuen Rechten eben das angebliche Volk relevant sein solle. Materieller Egoismus schafft keine ethnische Gemeinschaft, so könnte man den Einwand gegen eine Kooperation zusammenfassen. Beide eint aber erklärtermaßen die Absicht einer „Umwälzung“.