Die „Letzte Verteidigungswelle“: Eine neue Form des Rechtsterrorismus?

Auch wenn manche Akteure erst zwischen 14 und 18 Jahre alt sind, so sollte deren Gewaltorientierung bezüglich möglicher Konsequenzen nicht unterschätzt werden. Möglicherweise entsteht eine neue Form des Rechtsterrorismus, ein Modell dafür könnte die jüngst aufgeflogene „Letzte Verteidigungswelle“ sein.

Mittwoch, 28. Mai 2025
Armin Pfahl-Traughber
Ein junger Rechtsextremist mit Tarnfleck und Springerstiefeln in Wismar. In dem Ort wurde auch ein mutmaßlicher Rädelsführer der "Letzten Verteidigungswelle" festgenommen.
Ein junger Rechtsextremist mit Tarnfleck und Springerstiefeln in Wismar. In dem Ort wurde auch ein mutmaßlicher Rädelsführer der "Letzten Verteidigungswelle" festgenommen.

Die bundesdeutsche Geschichte zeigt, dass in der Krise des parteiförmigen Rechtsextremismus häufig der Rechtsterrorismus stärker wird. Dem war in der ersten Hälfte der 1970er, 1980er und 2000er Jahre so. Ein derartiger Kontext muss indessen nicht immer bestehen, was gegenwärtige Entwicklungen anschaulich zeigen. Die AfD konnte bei den Bundestagswahlen bekanntlich jede fünfte Stimme für sich verbuchen, was in dieser Form im bundesdeutschen Rechtsextremismus noch nicht möglich war.

Durch die Fixierung auf sie schwand aber das mediale Interesse an anderen rechtsextremistischen Phänomenen. Gemeint ist der Blick auf den gewaltorientierten Rechtsextremismus, insbesondere die Anhänger der Neonazi-Szene. Auch hierauf bezogen gibt es Ausnahmen, wie eine Recherche von RTL und „Stern“ veranschaulicht. Eine Journalistin hatte verdeckt im genannten Milieu recherchiert, wofür in der schwedischen Sprache „wallraffen“ als Terminus genutzt wird. Dadurch offenbarte sich die Existenz einer hochgradig gewaltorientierten Gruppe.

Alter zwischen 14 und 18 Jahren

Sie bezeichnete sich selbst als „Letzte Verteidigungswelle“, die Entwicklungspotentiale in Richtung eines Terrorismus aufwies. Mit komparativem Blick auf die einschlägige Forschung dazu sollen hier hinsichtlich der verfolgten Handlungsoptionen einige Spezifika hervorgehoben werden. Folgt man der journalistischen Berichterstattung, so entstand die Gruppe 2022 und setzte sich aus einer niedrigen zweistelligen Personenzahl zusammen. Das Alter der Angehörigen lag zwischen 14 und 18 Jahren, wobei man es mit einer besonders lebensjungen Gruppierung von gewaltorientierten Rechtsextremisten zu tun hatte.

Diese agierten demnach auch zuvor nicht länger im neonazistischen Lager, was für spätere Rechtsterroristen in der Vergangenheit typisch war. Offenkundig erfolgte eine „Blitzradikalisierung“ als Entwicklungsprozess, womit eine schnelle Hinwendung in den Rechtsterrorismus ohne längere Vorstufen gemeint ist. Auch darin kann eine Besonderheit gesehen werden, kommt so etwas doch eher im islamistischen Terrorismus vor.

Anschläge und Anschlagsversuche – nur durch Glück ohne Tote oder Verletzte

Die Akteure lassen sich im Neonazismus einem neuen Trend zuordnen: Es bestehen mittlerweile zahlreiche Gruppen von hauptsächlich männlichen Personen, die bereits altersbedingt kaum über eine entwickelte Ideologie verfügen, gleichwohl aber ein hohes gewalttätiges Potential aufweisen. Dazu gehören etwa „Deutsche Jugend voran“, „Elblandrevolte“, „Jung und Stark“ oder „Der Störtrupp“. Die Besonderheit der „Letzten Verteidigungswelle“ gegenüber ihnen besteht darin, dass ihr eine höhere Gewaltoption auch in der konkreten Praxis eigen war.

Dies machen einige Anschläge und Anschlagsversuche deutlich, welche glücklicherweise keine größeren Folgen für Personen hatten: Dazu gehörte 2024 ein erfolgter Brandanschlag auf ein Kulturhaus, aber auch 2025 ein geplanter Brandanschlag gegen eine Flüchtlingsunterkunft. Zwar lässt sich eine beabsichtigte Ermordung von Menschen nicht belegen, gleichwohl kalkulierte man durch die Tatplanung objektiv Tote ein. Die Gewaltintensität war aber nicht so hoch wie etwa beim NSU.

Neue Entwicklung im gewaltorientierten Rechtsextremismus?

Das junge Alter und die erwähnte Besonderheit sollten indessen nicht gegenüber dem existenten Gefahrenpotential zu Ignoranz führen, gab es doch offenkundig eine ausgeprägte Bereitschaft zu Gewalthandlungen in einem höheren Maße. Es mangelte eher an den technischen Fähigkeiten, weniger an dem realen Willen. Bei dem erwähnten Gebäude entstand eine halbe Million Euro an Sachschaden, angrenzende Wohngebäude waren nur durch Zufall nicht betroffen. Berücksichtigt man den erwähnten Gesichtspunkt, dass es noch andere ähnliche Gruppen gibt, so deutet sich hier eine neue Entwicklung des gewaltorientierten Rechtsextremismus an.

Beachtenswert ist darüber hinaus die Form der Rekrutierung, die nicht auf der Grundlage von persönlichen Kontakten, sondern über soziale Medien wie Instagram oder TikTok erfolgte. Angesprochen fühlte man sich außerdem von der AfD-Agitation gegen Migranten, die Partei sei aber nur etwas für den Übergang, setzte man doch die Hoffnung auf eine neue nationalsozialistische Partei.

Die Ausführungen stützten sich auf folgende Medienberichte: Jonas Fedders u.a., Justin und die rechten Terroristen, in: der Stern vom 30. April 2025; Gareth Joswig/Konrad Litschko, Nazis im Kinderzimmer, in: taz vom 22.vMai 2025; David Klaubert/Jonas Wagner, Im Namen der „Deutschen Nation“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Mai 2025

 

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