Das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist längst in die heiße Phase eingetreten. Trotzdem rechnen Prozessbeobachter erst im Spätsommer oder im Herbst, vermutlich nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, mit einem Urteil. Welche Konsequenzen kämen auf die NPD im Ostseebundesland zu?
Dienstag,
31. Mai 2016
Redaktion
NPD-Kader Andreas Theißen auf einer früheren NPD-Wahlkampfveranstaltung (Foto: ENDSTATION RECHTS., Archiv)
Paragraf 47 des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern (LKWG M-V) regelt die Folgen eines Verbotes einer Partei oder Wählergruppe. Sollte das Bundesverfassungsgericht zu der Entscheidung kommen, die NPD und ihre Unterorganisationen seien verfassungswidrig und damit zu verbieten, käme diese Regelung zur Anwendung. Außerdem würde im Verbotsfall, wie vom Bundesrat beantragt, das Vermögen der Partei wahrscheinlich eingezogen. Hierzu zählte zum Stichtag 31. Dezember 2012 – aktuellere, aus einem Rechenschaftsbericht belegbare Daten liegen nicht vor – die Bundesgeschäftsstelle der NPD in der Seelenbinderstraße in Berlin, die damals mit einem Wert von 355.500 Euro angegeben war.
Urteilstermin unbekannt
Ein Termin für die Verkündung des Urteils sei „derzeit nicht absehbar“, teilte ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts ENDSTATION RECHTS. auf Nachfrage mit. Da Karlsruhe der NPD im Nachgang der mündlichen Verhandlung von Anfang März eine Frist bis zum 13. Mai eingeräumt hatte, um auf einen neuen Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Bundesrates zu antworten, halten Beobachter einen Beschluss erst im Spätsommer oder Herbst für wahrscheinlich. Fraglich ist außerdem, ob die Kammer zu einer neuen Verhandlungsrunde nach Karlsruhe lädt oder ob das Urteil auf Grundlage der damaligen Erkenntnisse und des weiteren Schriftverkehrs gefällt wird. Die Unsicherheit, wie es denn weitergehen könnte, belastet die Wahlkampf-Aktivitäten der NPD.
Möglich ist demnach, dass zuvor in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt wurde. An der Ostsee werden die Bürgerinnen und Bürger am 4. September zu den Urnen gerufen. In der letzten Umfrage sahen die Meinungsforscher die NPD bei vier Prozent. Normalerweise bekennen sich in diesen Interviews nicht alle Sympathisanten aus verschiedenen Gründen zu Rechtsaußenarteien – der NPD müssen durchaus Chancen eingeräumt werden, zum dritten Mal ins Schweriner Schloss einzuziehen. Trotz der Konkurrenz einer sich in einem Höhenfug befindlichen AfD, die der Truppe um Udo Pastörs einige Stimmen abknabbern dürfte.
Mandate verfallen bei Verbot
Sollte Karlsruhe auf ein Verbot der NPD entscheiden, wäre die Existenz der neuen extrem rechten Fraktion im Landtag nur von kurzer Dauer. „Wird eine Partei oder die Teilorganisationen einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 21 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes für verfassungswidrig erklärt, so verlieren die Mitglieder des Landtages oder einer kommunalen Vertretung […] ihren Sitz und die Listennachfolger ihre Anwartschaft“, stellt das LKWG in Abs. 1 des Paragrafen 47 klar. In der laufenden Legislaturperiode ist die NPD mit fünf Abgeordneten im Parlament vertreten, zu ihrem erneuten Spitzenkandidaten hat sie Fraktionschef Pastörs gewählt.
Betroffen wären demnach nicht nur die Mandate auf Landesebene, sondern ebenfalls die in den Kreistagen, Bürgerschaften, Gemeinden und Ortsräten. Bei den letzten Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern gewann die NPD auf Kreis- und Gemeindeebene 45 Sitze. Dazu müssen acht Vertreter NPD-naher Vereinigungen wie der „Alternative für Torgelow“ gezählt werden, auf die ein Verbot keine Auswirkungen hätte. Seitdem haben die Rechtsextremisten allerdings den ein oder anderen Vertreter verloren. Sein Mandat zurückgegeben hat beispielsweise der mehrfach im Verbotsantrag genannte Ex-Güstrower Stadtvertreter Nils Matischent.
Gelder versiegen
Spürbare Folgen hätte das Ausscheiden der NPD aus den Parlamenten vor allem in finanzieller Hinsicht. Neben den Geldern aus der staatlichen Parteienteilfinanzierung, kassierte die Schweriner Fraktion in den letzten Jahren einen siebenstelligen Betrag – zusätzlich zu den Abgeordnetendiäten. Von diesem Geld werden zahlreiche Mitarbeiter finanziert, die oft aus den Kameradschafts-Netzwerken des Landes stammen. Hinzu kommen die Wahlkreismitarbeiter der Landtagsabgeordneten, etwa der wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz verurteilte Andreas Theißen. Wo die NPD auf Kreistagsebene eine Fraktion hat, kann sie ebenfalls mit zusätzlichen Mitteln planen. Seit 2014 ist die Partei freilich nur noch im Landkreis Vorpommern-Greifswald mit einer entsprechenden Stärke vertreten.
Wichtig für die politische „Arbeit“ der NPD sind darüber hinaus die Informationen, die sie im Landtag gewinnt. Parlamentarische Instrumente werden auch genutzt, Standorte geplanter Unterkünfte für Asylbewerber zu erfahren, um den rassistischen Protest gegen diese voranzutreiben. Gleichzeitig dienen die Fraktionen zur Schulung von „Nachwuchs“-Kadern. In Schwerin absolvierte der heutige NPD-Bundeschef Frank Franz vor einigen Jahren ein Praktikum.
Auf die hiesige Immobilienstruktur hätte eine Verbot nur vergleichsweise geringe Auswirkungen. Die wichtigen Szenetreffpunkte wie das Thinghaus in Grevesmühlen sind in Privathand. Trotzdem würden den Besitzern vermutlich Einnahmen entgehen, denn die NPD unterhält neben dem Thinghaus, wo Pastörs und Landeschef Stefan Köster ihre Wahlkreisbüros betreiben, auch in Anklam ein Bürgerbüro. Michael Andrejewski gibt als Kontaktadresse die Pasewalker Straße 36 an. In der vor einigen Jahren von zwei NPD-Aktivisten erworbenen alten Kaufhalle hat auch der NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern seinen Sitz.
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