Die „Grauen Wölfe“ – türkischer Rechtsextremismus in Deutschland
Es gibt in Deutschland neben dem deutschen auch einen türkischen Rechtsextremismus. Über dessen Entwicklung will Ismail Küpeli in einer kurzen Überblicksdarstellung informieren. Sie betrachtet die Entwicklung hierzulande ebenso wie die in der Türkei.

Was ist nach der AfD in Deutschland die stärkste rechtextremistische Kraft? Man kommt meist nicht sofort auf die richtige Antwort, denn es sind die türkischen „Grauen Wölfe“. Bei gelegentlichen Skandalen sind sie ein mediales Thema, zuletzt bei der Fußball-EM anlässlich des Grußzeichens eines türkischen Nationalspielers. Aber ansonsten werden deren Aktivitäten kaum breiter zur Kenntnis genommen. Auch die deutschsprachige Fachliteratur zum Thema ist überschaubar. Jetzt legt dazu Ismail Küpeli, Politikwissenschaftler an der Universität Bochum, eine allgemeine Überblicksdarstellung vor.
Er will damit eine Einführung zu deren Geschichte liefern, um dann bis in die Gegenwart ihr Wirken zu veranschaulichen. Auch die Aktivitäten in Deutschland sind intensiver Thema. All dies geschieht mit leichter Hand geschrieben auf engem Raum, ist der Band doch noch nicht einmal 140 Seiten stark. Gleichwohl liefert der Autor darin wichtige Basisinformationen, die Einordnungen ermöglichen, die aber nicht immer in analytische Tiefen gehen.
Geschichte und Ideologie des türkischen Nationalismus
Worum geht es in dem Band genauer? Am Beginn steht die Geschichte und Ideologie des türkischen Nationalismus, können sich die Grauen Wölfe doch auf einschlägige ideengeschichtliche Wurzeln berufen. Der Autor verweist dabei auch auf die Exklusion von Nicht-Muslimen, welche wie die Armenier-Genozide veranschaulichen, häufig auch mit brutalen Gewalthandlungen verbunden waren. Es wird darüber hinaus auf eine eigene Geschichtsthese zu Legitimationszwecken verwiesen, dienten doch derartige Annahmen zur nationalen Identitätsbildung. Nicht nur bei der Diskriminierung der Kurden waren sie für ein homogenes Nationalkonzept relevant.
Die gemeinten Entwicklungen gingen dabei auch immer vom Staat aus, welcher damit für die entstehenden Strukturen der politische Türöffner war. Auf derartige Kontexte wird von Küpeli berechtigt häufiger verwiesen, handelt es sich doch auch für die folgenden Jahrzehnte um einschlägige Kontinuitäten. Gerade diese Aspekte weisen auch eine große politische Bedeutung bis in die Gegenwart auf.
Doppelcharakter als Gewaltakteur und Regierungspartei
Anschließend geht es stärker um die Herausbildung eigener politischer Strukturen. Zentrum. Ideologische Fragmente und handelnde Personen stehen dabei im Zentrum. Wichtig sind auch die vom Autor hervorgehobenen „Neun Lichter“ als ideologische Orientierungen. Deren Anhänger gelangten als Mitarbeiter schrittweise in den türkischen Staatsapparat, was für den Autor für deren Doppelcharakter als Gewaltakteur und Regierungspartei steht. Hierzu hätte man angesichts gegenwärtiger Entwicklungen jeweils gern mehr gelesen, um besser einige Einordnungen vornehmen zu können.
Indessen beschränkt sich Küpeli hier wie an anderen Stellen darauf, nur knapp analytische Einschätzungen vorzunehmen, um dann gleich zum nächsten Thema zu kommen. Besondere Aufmerksamkeit widmet er dann aber noch der „Türkisch-Islamischen Synthese“ also dem Einklang einer nationalistischen und religiösen Option. Damit bestehende Differenzen müssten eigentlich Kooperationen erschweren, indessen kam es zu immer größer werdenden Schnittmengen.
Besonderheiten eines „migrantischen“ Rechtsextremismus
Dies machen auch die Blicke auf die Entwicklung der türkischen Gesellschaft deutlich, wie sie sich unter der AKP-Herrschaft von Erdogan vollzog. Hier geraten die Ausführungen dann aber doch zu kurz und oberflächlich, was angesichts der gemeinten Präsenz bedauerlich ist. Ausführlicher wird die Entwicklung des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland thematisiert. Dabei benennt Küpeli auch Moscheevereine als rechtsextremistische Organisationsformen, ohne aber die deutschen Behörden hinsichtlich ihrer Ignoranz stärker zu kritisieren.
Er macht aber auch auf Besonderheiten eines „migrantischen“ Rechtsextremismus aufmerksam, worin sich seine analytischen Stärken zeigen, welche aber noch deutlicher zur Geltung hätten gebracht werden können. Der Anhang enthält eine Auflistung zentraler Narrative des türkischen Rechtsextremismus. Insgesamt ist eine informative Einführung entstanden, eine breitere Untersuchung der Grauen Wölfen in deutscher Sprache steht indessen noch aus.
Ismail Küpeli, Graue Wölfe. Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland, Münster, 2025 (Unrast-Verlag), 136 Seiten, 14 Euro