Extreme Rechte

Die deutsche Rechte und ihr Umgang mit dem Krieg in der Ukraine

Knapp eine Woche nach dem russischen Angriff auf die Ukraine scheint das Thema die deutschsprachige Rechte zu teilen. Während man sich auf der einen Seite solidarisch mit der Ukraine zeigt, wird auf anderer Seite gleichermaßen vor „Sowjetbolschewismus“ und „NATO-Imperialismus“ gewarnt. Gleichzeitig wird jedoch auch vor einer Spaltung gewarnt. Ein Überblick.

Freitag, 04. März 2022
Florian Schäfer
Demonstranten solidarisieren sich mit der Ukraine, hier in München. Foto: Thomas Witzgall
Demonstranten solidarisieren sich mit der Ukraine, hier in München. Foto: Thomas Witzgall

Auch wenn die Parteispitze der AfD um Alice Weidel und Tino Chrupalla letzte Woche in einer Pressemitteilung mitteilen ließ, dass der russische Angriff durch nichts zu rechtfertigen und die Kampfhandlungen umgehend einzustellen seien - die Positionierungen innerhalb der Partei sind nicht so eindeutig. Beispielhaft für eine Abweichung steht an dieser Stelle der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt. Dieser deutete in einem kurz darauf gelöschten Tweet den von Putin initiierten Angriffskrieg in einen Verteidigungskrieg um. Einigkeit in der Partei scheint vor dem Hintergrund potentieller negativer wirtschaftlicher Konsequenzen für Deutschland nur in der Ablehnung von Sanktionen gegen Russland zu bestehen.

Aber auch die „Flüchtlings-Problematik“ bleibt in AfD-Parteikreisen nicht unerwähnt. Der Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp, der in der Vergangenheit durch sein Verständnis für die Annektierung der Krim auffällig geworden ist, träumt davon, die „afrikanischen Sozialmigranten“ gegen „richtige“ Flüchtende aus der Ukraine auszutauschen.

Die "eigentlich Schuldigen"

Am Tage des Überfalls auf die Ukraine gab das Parteipräsidium der NPD in einer ersten Stellungnahme auf ihrer Website bekannt, dass man Verständnis für „die berechtigten Sicherheitsinteressen“ Russlands hätte. Die eigentlich Schuldigen werden in den USA und der NATO ausgemacht. Statt dem Abzug aller russischen Soldaten aus der Ukraine, der man immerhin ein legitimes Interesse an Wahrung ihrer nationalen Souveränität zugesteht, fordert man hier „den sofortigen Abzug amerikanischer Soldaten aus Europa“. Wenige Tage später leitet der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt aus dem Konflikt eine Verantwortung für die deutsche rechte Szene ab. Man habe „in die Ukraine und als auch nach Russland herzliche Beziehungen“ und müsse sich „seiner Verantwortung bewusst sein“. Inwiefern diese Verantwortung in der Praxis über das Bauen von „Brücken für ein danach“ hinausgeht, ließ Voigt derweil offen.

Die Jugendorganisation der Partei, die „Jungen Nationalisten“, deutet den Konflikt in einem Tweet vom 24. Februar genau wie die Mutterpartei als „Bruderkrieg“. Bezüglich der nationalen Souveränität ist man jedoch eindeutiger. Die Ukrainer hätten eine souveräne Ukraine verdient. Natürlich nicht ohne darauf hinzuweisen, dass diese „frei von amerikanischer und russischer Hegemonie“ sein solle.

Antiamerikanismus und Antikommunismus

Die Rechtsextremisten der Kleinstpartei Dritter Weg deuten den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine gleichermaßen als Resultat eines „US-amerikanischen Globalismus“ sowie eines „russischen Imperialismus“. Geleitet durch Antiamerikanismus und Antikommunismus wird dadurch die Notwendigkeit einer „dritten Option“ gesehen, frei „vom Einfluss russischer und amerikanischer Machtinteressen“. Im Sinne der Blut-und-Boden-Ideologie positionieren sie sich so „auf der Seite der nationalen, ukrainischen Freiheitsbewegung“. Ähnlich „ethnopluralistisch“ argumentierend fordern Münchner Aktivisten des Dritten Weg: „Jedem Volk sein Land.“

Die wenige Monate alte, aus dem Umfeld des Dritten Weg in Erfurt hervorgegangene Partei „Neue Stärke“ solidarisiert sich mit der Ukraine und distanziert sich in einem auf ihrer Website veröffentlichten Statement von der NATO. Viel wichtiger scheint ihnen jedoch bei der Bewertung der Situation ihr eigener Antikommunismus zu sein, so wird das heutige Russland mit „kommunistischer Schreckensherrschaft“ identifiziert. Gleichzeitig tritt der offene Rassismus der Parteimitglieder um den Neonazi Enrico Biczysko zu Tage. Es gehe auch „um unsere weiße Rasse“.

Der Braunschweiger Ableger der neonazistischen Splitterpartei „Die Rechte“ sieht in einem in ihrem Telegram-Kanal veröffentlichten Demo-Aufruf die Schuldigen zugleich in „NATO und Sowjetbolschewismus“. Dabei werden antisemitische Verschwörungsideologien bedient, wenn die Ukraine als „Spielball für [die] globalen Machtinteressen“ der USA, der NATO „und ihrer Hintermänner“ begriffen wird. An gleicher Stelle spricht man sich zudem für die Aufnahme ukrainischer Kriegsflüchtender aus.

Medien der Neuen Rechten

Im Gegensatz zu vielen anderen rechten Akteuren sieht der Chefredakteur des rechtsextremen Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, die „kommunistische Bedrohung“ nicht aus Moskau, sondern aus Brüssel kommen. Demzufolge verortet er den eigentlichen Aggressor auf Seite des Westens und der NATO, welche für ihn symbolisch und praktisch für einen„zerstörerischen Globalismus“ stehen. Ferner wendete sich Elsässer gegen „das Elend vieler Rechter“, nicht der „eigenen Regierung den Kampf anzusagen“, sondern sich mit dieser „im Hass auf Putin“ zu vereinigen. Deutschland müsse sich aus der Konfrontation heraushalten und dürfe sich durch das „angloamerikanische Kapital“ nicht gegen Russland hetzen lassen.

In einem Online-Artikel der Zeitschrift „Sezession“, die aus dem Umfeld des vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften „Instituts für Staatspolitik“ entstammt, drückt Erik Lehnert Verständnis für die von Putin empfundene „Grenzüberschreitung des Westens“ aus. Lehnert, Referent bei der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg, legitimiert Russlands Angriffskrieg, in dem er ihn als Versuch begreift, „in eine bessere Verhandlungsposition für eine dauerhafte Friedensordnung in Osteuropa zu gelangen.“ Ein dauerhafter Krieg würde jedoch insbesondere die „Position der USA nachhaltig stärken“. Chefredakteur Götz Kubitschek wendet sich in einer Stellungnahme vom Dienstag gegen eine „verlogene Verbrüderung mit der einen oder der anderen Seite“ und lässt es sich nicht nehmen, den ausgetragenen Kampf als von „Tugenden getragen“ und männlich zu markieren.

„Spalterische Gefahr“

Am Montag ist auf der Seite des neurechten Onlinemagazins „konflikt“ zu lesen, dass Russland der „letzte Machtblock auf europäischem Boden gegen den Globalismus“ sei. Dennoch sei es aussichtslos, als europäische Rechte auf eine Befreiung von angeblichen „äußeren Einflüssen“ durch Russland zu hoffen. Vielmehr solle man die derzeitigen Sympathien mit dem ukrainischem Patriotismus als Sprungbrett nutzen, „um auch deutschen Patriotismus zu vertreten und einzufordern“. Gegen eine zeitlich begrenzte Aufnahme von eventuellen Kriegsflüchtenden spricht laut Autor Erik Ahrens wenig, schließlich seien aufgrund einer vermeintlich kulturellen Nähe keine großen „ethnokulturellen Spannungen“ zu erwarten.

Der Wiener Rechtsextremist Martin Sellner, Sprecher der österreichischen „Identitären“, sieht in einem Video im aktuellen Konflikt vor allem eine „spalterische Gefahr“ für die deutsche (außer-)parlamentarische Rechte. Laut eigener Aussage verzichtet er aus diesem Grund auch vorerst auf eine eindeutige Positionierung. Lediglich die eventuelle Aufnahme ukrainischer Flüchtender lehnt er in Abgrenzung zu anderen Rechten vehement ab. Rassistisch argumentierend erkennt er am Montag in den Ukrainer:innen zwar eine „nähere Verwandtschaft“, plädiert jedoch für eine Sammlung und Aufnahme der Flüchtenden in Polen, Rumänien oder in Ungarn.

Der als „Volkslehrer“ bekannte und wegen Volksverhetzung verurteilte Nikolai Nerling teilt in seinem Telegram-Kanal seit Beginn des Konfliktes antisemitische Bilder und Videos, die den Krieg gegen die Ukraine als angeblich „jüdisch inszeniert“ begreifen. In einem letzten Samstag veröffentlichten Video geht er sogar soweit, dem rechtsextremen ASOW-Regiment eine jüdische Finanzierung zu unterstellen. Getreu seiner antisemitisch-verschwörungsideologischen Orientierung lehnt Nerling eine Solidarisierung mit einer der Seiten ab, indem er auf das Jüdischsein Selenskyjs und auf Putins vermeintlich enge Beziehungen zu Juden rekurriert.

Rechtes Reizthema Flüchtlinge

Während eine eindeutige Positionsfindung in der vergleichsweise gemäßigten AfD noch nicht abgeschlossen zu sein scheint, werden in den Stellungnahmen der kleineren rechten Parteien vermehrt antisemitische, antikommunistische und anti-westliche Grundtöne laut. Doch wie gezeigt wurde, werden solche Ressentiments auch in der rechten Medienlandschaft bedient. Zwar scheinen fast alle Akteure zumindest Verständnis für die Kriegshandlungen Putins aufzubringen, dennoch scheint Elsässer mit seiner offenen Russland-Solidarität relativ alleine im Feld zu stehen.

Die Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine hingegen sind fast ausschließlich vor dem Hintergrund eines Strebens nach nationaler Selbstbestimmung und Souveränität zu sehen. Dies leitet sich aus dem Umstand ab, dass Deutschland in den Augen vieler rechter Akteure diesbezüglich einen zu behebenden Mangel aufweist. Wenig überraschend kommt es außerdem an vielen Stellen zu einer Auseinandersetzung mit potentiellen ukrainischen Kriegsflüchtenden. Während sich „Die Rechte“ und Teile der AfD für eine Aufnahme solcher Flüchtenden aussprechen, ist es nur der Identitäre Sellner, der sich einer solchen Möglichkeit gegenüber kategorisch verschließt. Dabei wirkt es nahezu ironisch, dass Sellner alarmierend vor einer Spaltung der deutschen Rechten warnt.

 

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