Jens Maier
Die Demokratie muss in die Offensive
Der Freistaat Sachsen ist nicht arm an hausgemachten Problemen in Bezug auf Rechtsextremisten. Der Fall Jens Maier gehört nicht dazu. Das Recht auf berufliche Wiederverwendung von Richter:innen nach dem Abgeordnetengesetz gilt bundesweit. Dennoch sorgt Sachsen auch hier für Stirnrunzeln, in einer Angelegenheit, die juristisch derart komplex ist, dass eine Meinung zu haben allein nicht ausreicht. Wenn Richter Jens Maier, ein Rassist und Rechtsextremist, in Dippoldiswalde seinen Dienst antreten wird, liegt das daran, dass über die Idee, ihn in den Ruhestand zu versetzen, noch nicht abschließend entschieden ist. Hätte es weitere Optionen gegeben?
Das sah das Justizministerium nicht so und damit sollte die kontrafaktische Diskussion bald beendet sein. Ja, die SPD hatte hier einen anderen Vorschlag. Sie plädierte dafür, Jens Maiers Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zu entsprechen. Alles Weitere sollte nun mit Blick auf die Zukunft erörtert werden. Viele Bundesländer werden in den kommenden Jahren mit solchen und ähnlichen Problemen konfrontiert sein und daher lohnt es, rechtzeitig Optionen abzuwägen. In einer bisher unbekannten Art würde es sonst Verfassungsfeinde in den öffentlichen Dienst zurückführen, als Lehrer:innen oder Polizeibeamt:innen beispielsweise.
Es ist wichtig, zu beachten: Beim Amt des Richters verhält es sich weitaus komplexer, er ist Teil des Staates, braucht aber richterliche Unabhängigkeit und muss für diese auch persönlich einstehen. Es ist Recht und Pflicht zugleich und dieses Gut ist hoch zu schätzen. „Richter Maier ist für uns untragbar“ – dieser Satz ist richtig, ein bisschen banal (ich habe ihn auch verwendet) und eine moralische Bewertung. Diese allein reicht nicht aus. Auch inhaltlich kann Maier konkret als Rechtsextremist bezeichnet werden, an Belegen mangelt es nicht.
Radikalisierung der letzten Jahre
Dennoch werden sich auch im Falle einer Richteranklage vielleicht andere Richter:innen schwertun, darüber zu befinden. Nicht, weil sie gern mit einem Rechtsextremisten arbeiten wollen, sondern weil sie den Wert der richterlichen Unabhängigkeit für unsere Demokratie kennen. Die Radikalisierung von Maier in den letzten Jahren spielt für die Bewertung eine bedeutende Rolle. Er ist wahrscheinlich nicht als Feind der Verfassung in den Dienst getreten, aber heute ist er einer und erfüllt deshalb eine Grundvoraussetzung für seine Einstellung nicht mehr. Hier muss angesetzt werden.
Initiativen wie „Omas gegen Rechts“ und „Dresden Nazifrei“ wenden sich öffentlich an und auch gegen Justizministerin Katja Meier. Erst in konservativen Kreisen kritisch beäugt wegen ihrer Punkvergangenheit, ist sie nun dem Vorwurf ausgesetzt, nicht „antifaschistisch“ genug zu handeln. Das verstehe ich seitens der Akteure, bedauere es aber ebenso. Die Gesinnungsfrage stellt sich nicht und lenkt vom eigentlichen Problem ab.
Was momentan wie ein Punktsieg für Richter Maier aussieht, kann für die Zukunft zu einem dringend nötigen Schulterschluss der demokratischen Kräfte führen. Dazu bedarf es jetzt vom Innenministerium bis in die Länder einer Gesamtstrategie. Innenministerin Nancy Faeser weiß das. Und das lässt hoffen. So könnte die Demokratie in die Vorhand kommen, statt rasch reagieren zu müssen.
Hanka Kliese ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen.