Georgia Meloni
„Die am weitesten rechtsstehende Regierung“ seit 1945
Bei den Parlamentswahlen am Sonntag hat Italiens Rechte triumphal gesiegt. 44 Prozent für die Koalition, davon alleine 26 Prozent für Giorgia Melonis postfaschistische Partei Fratelli d’Italia brachten der Rechten 237 der 400 Sitze im Abgeordnetenhaus, 115 der 200 Sitze im Senat und damit eine komfortable Mehrheit in beiden Häusern ein.
Auf wichtige Verbündete konnten Giorgia Meloni & Co. bei diesem Durchmarsch zählen: auf die Parteien des Mitte-Links-Lagers, die sich im Vorfeld der Wahl miteinander überworfen und deshalb zur Bildung einer gemeinsamen Allianz unfähig gezeigt hatten.
Zwar hatte neben der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) unter ihrem Parteichef Enrico Letta auch das Movimento5Stelle (M5S) seit Monaten auf die Bildung eines gemeinsamen „progressiven Lagers“ hingearbeitet. Die Basis schien gegeben: Sie waren von 2019 an Koalitionspartner in der von Giuseppe Conte geführten Regierung gewesen, waren dann auch beide in die im Februar 2021 gebildete Fast-Allparteien-Notstandskoalition unter Mario Draghi eingetreten.
Knapp jede zweite Stimme ging nicht an rechtes Bündnis
Vor allem aber hatten sie durchaus kompatible Programme, von der Verteidigung und dem Ausbau der Bürgerrechte zur ökologischen und sozialpolitischen Agenda. Doch als Contes M5S im letzten Juli der Regierung Draghi die Unterstützung entzog, kam es zum Bruch, kündigte Letta umgehend die Wahlallianz auf. Als Letta dann auch noch mit der Bildung eines Bündnisses mit der Listenverbindung der kleinen Mitteparteien Italia Viva und Azione scheiterte, war klar: Mitte-Links tritt mit drei separaten Formationen gegen die geeinte Rechte an und ebnete ihr so den Weg zur Eroberung fast aller Direktmandate, die 37 Prozent der Sitze in beiden Häusern des Parlaments ausmachen.
So kann sich jetzt die nationalistische Rechte mit ihren 44 Prozent über einen Kantersieg freuen, obwohl fast 50 Prozent der Italiener*innen für Parteien stimmten, die für ein weltoffenes Italien stehen, für ein Italien, das die Rechte der LGBTIQ-Communities stärkt, für ein Italien, das den Kindern von Migrant*innen automatisch die Staatsbürgerschaft gewährt, für ein Italien, das in der EU ein Integrationsmotor sein will.
AfD, Le Pen und Orbán gratulieren
Stattdessen wird Italien jetzt „die am weitesten rechtsstehende Regierung“ seit 1945 sehen, wie PD-Chef Letta bilanzierte. Zwar sucht die Postfaschistin Giorgia Meloni sich selbst, ihre Partei, ihr Bündnis zu verharmlosen, indem sie sich zur „Rechtskonservativen“ erklärt, indem sie im Wahlkampf schrille Töne vermied.
Doch dass die ersten Glückwunschtelegramme von der AfD, von Marine Le Pen, von Viktor Orbán und der spanischen Vox kamen, spricht Bände. Nicht irgendwelche „Konservative“ gelangen da an die Macht, sondern mit Melonis FdI und mit Matteo Salvinis fremdenfeindlicher und europaskeptischer Lega zwei hart rechtspopulistische Parteien, deren Mottos „Gott, Vaterland, Familie“ (FdI) und „Prima gli italiani, Italiener zuerst!“ (Lega) lauten.
Befreiung von NS als „das Land spaltender Feiertag“
Und die FdI, die stärkere der beiden Parteien, steht in direkter Linie der Tradition des Mussolini-Faschismus, wie schon das Parteisymbol zeigt, in dem die Flamme in den Farben der Trikolore lodert – dies war auch schon das Symbol der 1946 gegründeten neofaschistischen Partei Movimento Sociale Italiano gewesen. Zwar behauptete Meloni im Wahlkampf, ihre Fratelli hätten „den Faschismus der Geschichte überantwortet“, ohne sich je aber als Antifaschistin zu bekennen. Stattdessen beklagt sie, der 25. April – der Feiertag, an dem Italien der Befreiung von Nazis und Faschisten im Jahr 1945 gedenkt – sei ein „das Land spaltender Feiertag“.
Vor allem aber steht neben ihr Salvini für ein reaktionäres Italien, das von Weltoffenheit nichts wissen will. Meloni beschwert sich über „Genderwahnsinn“, noch vor wenigen Jahren sprach sie offen davon, die Migration ziele auf „ethnischen Austausch“, beklagte sie, die in der Rettung von Flüchtlingen auf hoher See aktiven NGOs seinen von „internationalen Finanzspekulanten“ bezahlt – nur die Nennung des Namens George Soros verkniff sie sich. Ein italienischer Pass für die in Italien lebenden Kinder von Migranten? Man könne doch „die Staatsbürgerschaft nicht einfach verschenken“, bürstet sie den Vorschlag ab.
Meloni: EU will nationale Identitäten zersetzen
Bei der Flüchtlingsabwehr liefern Meloni und Salvini sich denn auch einen Überbietungswettbewerb. Salvini holt jetzt wieder die Politik der „geschlossenen Häfen“ hervor, die er schon in seiner Zeit als Innenminister in den Jahren 2018-2019 praktiziert hatte, als er immer wieder über Wochen hinweg Flüchtlingsschiffen das Einlaufen in italienische Häfen verweigerte. Meloni dagegen setzt auf die „Seeblockade“, auch wenn diese schlicht gegen internationales Recht verstieße, und wünscht sich Hotspots, sprich Flüchtlingslager zur Abwicklung von Asylanträgen, auf der libyschen Seite des Mittelmeers.
Und auch wenn Meloni im Wahlkampf abwiegelte, sie werde natürlich die europäischen Verträge, die Haushaltsvorgaben aus Brüssel einhalten, dürften sich auch die Akzente gegenüber der EU deutlich verschieben. Noch in ihrer vor einem Jahr erschienenen Autobiographie geißelte Meloni die EU als Verein kaltherziger Bürokraten, die darauf zielten, die nationalen Identitäten zu zersetzen. Ihre FdI sitzt im Europaparlament in der ECR-Fraktion, in der auch die polnische PiS und die spanische Vox sind, Salvinis Lega dagegen ist dort Fraktionspartner der AfD und des Rassemblement National, der Partei Marine Le Pens.
Es überrascht deshalb nicht, dass sowohl die Lega als auch FdI Polen und Ungarn gegen die Vorwürfe verteidigten, dort würden Grundrechte ausgehöhlt. Orbán sei „mit großer Mehrheit gewählt“, äußerte Meloni jetzt auch im Wahlkampf, ganz so als erledige sich damit die Frage nach Grundrechten und Gewaltenteilung. Es ist ein Argument, das sie in Zukunft auch für die von ihr geführte Regierung geltend machen könnte.