Das Buch von Hendrik Cremer

Die AfD gegen die freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie

In seinem neuen Buch veranschaulicht Hendrik Cremer, Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Menschenrechte, dass die AfD sich gegen die freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie stellt und deren normativen Kern, eben die Menschenwürde, negiert.

Donnerstag, 08. Februar 2024
Armin Pfahl-Traughber
AfD - Alternative für Deutschland
AfD - Alternative für Deutschland

Ist die AfD bereits eine rechtsextremistische oder noch eine rechtspolitische Partei? Ersteres antwortet Hendrik Cremer, der beim Deutschen Institut für Menschenrechte arbeitet. Er legte schon Material für einen Verbotsantrag vor (vgl. Hendrik Cremer, Warum die AfD verboten werden könnte. Empfehlungen an Staat und Politik, Berlin 2023). Sein neues Buch geht aber hinsichtlich der Positionierung dann doch nicht so weit. Gleichwohl macht es auf die Dringlichkeit derartiger Fragen aufmerksam. Davon zeugt mit „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist“ bereits der Titel. 

So etwas klingt nach moralischer Aufregung, es geht aber um nachvollziehbare Bewertungen. Bereits auf der ersten Seite wird konstatiert, dass es sich um eine Partei handele, welche „die freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie beseitigen will. … Diese Partei hat sich seit ihrer Gründung 2013 fortschreitend radikalisiert, und ein Ende dieses Radikalisierungsprozesses ist nicht abzusehen“ (S. 9). Die Begründungen dafür durchziehen die Kapitel.

„Kulturelle Identität“ als verklausulierter Rassismus

Zunächst geht es Cremer um die Frage „Was heißt ‚rechtsextrem“? Genauer formuliert müsste es „rechtsextremistisch“ heißen, denn es geht ja nicht um eine intensive Abweichung von einer Normalität, sondern um eine Frontstellung gegen den demokratischen Verfassungsstaat. Als dessen normativen Kern benennt er die Menschenrechte, welche der „absolute Kern der freiheitlichen rechtsstaatlichen Demokratie“ (S. 23) seien. Man darf hier ergänzen: … und nicht das bloße Mehrheitsprinzip, was ein Blick ins Grundgesetz veranschaulicht. 
 

Dann folgt eine Analyse von diversen Programmen, wobei Cremer jeweils eine detaillierte Textanalyse vornimmt. Deutlich macht er dabei, dass „kulturelle Identität“ ein „neuer Deckname für Rechtsextremismus“ (S. 31) ist und kaum verklausuliert Rassismus meint. Zwei Feststellungen werden getroffen: „Die AfD untergräbt in ihren Programmen die Garantie der Menschenwürde“ und: „Die national-völkische Ausrichtung ist in der AfD fest verankert“ (S. 52f.). Insbesondere für die Ideologie der Volksgemeinschaft gelte dies.

Bagatellisierungen und Bekenntnisse zum Nationalsozialismus

Anhand von vielen Beispielen werden diese Einschätzungen veranschaulicht. Als Belege nennt Cremer auch immer wieder Kommentare zu anderen politischen Themenfeldern, wozu etwa AfD-Aussagen zum historischen Nationalsozialismus zählen. Es gibt dazu häufig Bagatellisierungen, aber auch vereinzelt Bekenntnisse. Beachtenswert sind Ausführungen zur „Destabilisierung der Demokratie in Kooperation mit dem Putin-Regime“ (S. 71). 
 

Kundgebung der AfD Bayern in Nürnberg zum Ukraine-Konflikt
Kundgebung der AfD Bayern in Nürnberg zum Ukraine-Konflikt

Und dann gibt es auch einen Abschnitt „Mit Gewalt zur Macht“, wobei der AfD als Gesamtpartei keine gezielte Gewaltanwendung unterstellt wird, gleichwohl bedient man häufig einschlägige Diskurse, etwa mit der Beschwörung eines möglichen „Bürgerkriegs“ – oder dem „Jagen“ unliebsamer Politiker, darf man ergänzen. Dass es auch einen „Führer“-Kult etwa um Höcke gibt und dieser sich gern mitunter einer nationalsozialistisch wirkenden Wortwahl bedient, ist ebenfalls ausführlich Gegenstand der Reflexionen zum Thema. Gleiches gilt für die Ausführungen zu Schachzügen, Strategien und Taktiken.

Einwände gegen die „Verharmlosung der AfD im öffentlichen Diskurs“

Abschließend problematisiert Cremer „die Verharmlosung der AfD im öffentlichen Diskurs“ (S. 131). Dabei muss es sich aber nicht um konkrete Absichten handeln, mitunter zeigen sich auch bekannte Journalisten überfordert, mit entsprechenden Situationen richtig umzugehen. Gleichwohl sollte ein mit Höcke geführtes „Sommerinterview“ sehr wohl besser vorbereitet sein. Auch ist die bloße Bezeichnung als „rechts“ oder „rechtspopulistisch“ in den Medien unentschieden, darf doch die AfD mit guten Gründen seit 2019 als eine rechtsextremistische Partei gelten. 

Dafür werden viele Belege von Cremer geliefert. Indessen kann man hier auch mehr in die Breite gehen, denn bei offiziellen Formulierungen wirkt manches ambivalent deutbar. Berücksichtigt man aber Aussagen, die an der Basis oder in der Führung getätigt werden, zeigt sich schnell, dass keineswegs einseitige Bewertungen oder Zuordnungen vorgenommen werden. Das Buch von Cremer ist damit zum Thema kein abschließendes Werk. Es liefert aber wichtige Denkanstöße zur Einordnung.

Hendrik Cremer, Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist, Berlin 2024 (Berlin-Verlag), 238 S., 22 Euro

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