Deutsche Sittenwächter mit Rechtsdrall

Eine selbst ernannte „Bürger-Patrouille“ mobilisiert in einer niedersächsischen Kleinstadt gegen Flüchtlinge – unter ihnen sind Neonazis und Rechtspopulisten.

Dienstag, 06. Oktober 2015
Andrea Röpke

Sie treffen sich, wenn es dunkel ist. 20.30 Uhr bei der „Lagune“, dem alten Soldatenheim in Schwanewede. Die Männer gehören zu einer selbst erklärten „Bürger-Patrouille“, die für „Abschreckung sorgen“ möchte. Was genau sie unternehmen werden, wenn ihnen einzelne Personen aus der nahen Flüchtlingsunterkunft über den Weg laufen, ist unklar. Sie tragen Glatze und haben starke Taschenlampen bei sich. Der Anführer der selbst ernannten Nachbarschaftswache ist ein bekannter Neonazi, auch die anderen sind eher rechts zu verorten. Sie treffen sich mehrmals in der Woche und ziehen ihre Runden durch die Wohngebiete, die in der Nähe der ehemaligen Lützow-Kaserne liegen.

In dem kleinem Ort im Landkreis Osterholz-Scharmbek, an der Landesgrenze zu Bremen, müssen 1200 Flüchtlinge in einer ehemaligen Kaserne leben. Bis in den späten Abend hinein laufen junge Männer, Alte oder Familien aus Syrien, dem Irak oder anderen Ländern in kleinen Gruppen oder einzeln die lange Straße hinab zu den Supermärkten. Kleine Kinder schieben Puppenwagen vor sich her, die ihnen von freundlichen Helfern geschenkt wurden. Junge Leute unterhalten sich angeregt untereinander. Die Wohngebiete betreten sie kaum. Eine höhere Gewaltrate gibt es seit dem Einzug der Flüchtlinge in dem Ort nicht, sagt die Polizei.

Facebook-Gruppe will „Klartext reden“

Und dennoch wird dort Tag für Tag vor allem über die sozialen Netzwerke Angst geschürt. Gerüchte machen die Runde. Geschürt werden sie vor allem von einer Facebook-Gruppe, die sich „Schwanewede & Umzu – Wir reden Klartext“ nennt und der bereits über 750 Menschen folgen. Dort wird diskutiert, ob die Flüchtlinge den Erntefestumzug am Sonntag bedrohen könnten oder ob das Kind einer Flüchtlingsfamilie ins Grün machen darf. Einmal ist von „Ausschreitungen“ in der Kaserne die Rede. Sofort sind alle hellhörig. Schließlich kommt jemand zu dem Schluss, dass das wohl doch nur Musik aus einer angrenzenden Gaststätte sei. Die Kaserne wird bewacht von Securities, die Polizei fährt häufig die Straße hoch – doch wer schützt die Neuankömmlinge vor den selbst ernannten deutschen Sittenwächtern?

An einigen Abenden führt Denis Z. die Patrouille an, er hat das „Zepter“ in der Hand, wie es bei Facebook heißt. Er wohnt nicht mehr in Schwanewede. Als Anführer der Wächter wechselt er sich mit einem Anwohner aus der Schwaneweder Gundlach-Siedlung ab. Bis zu acht Männer folgen ihnen. Die Anzahl wechselt, manche kommen und gehen. Z. ist glatzköpfig und aufgepumpt.

Breitbeinig geht der Sänger der Neonazi-Band „Strafmass“ über den Bürgersteig. Seit ihrer Gründung 2008 beobachtet der Bremer Verfassungsschutz diese Rechtsrock-Band. Die sehe sich in der Tradition  der militanten Neonazi-Gruppe „Combat 18“, heißt es da. Ihre Lieder verdeutlichten eine „hasserfüllte Einstellung gegenüber Ausländern, politisch Andersdenkenden sowie dem demokratischen Rechtsstaat“. Schon auf der ersten Platte, mit der es „Strafmass“ direkt auf den Index schaffte, wird sie deutlich: „Militantes Vorgehen, ja das ist unsere Art, wir kämpfen gegen das System und gegen Volksverrat.“ An anderer Stelle tönt der Sänger: „Wir überschreiten ihre Gesetze, sie sind uns scheißegal“.

„Personen dabei, die klar aus dem rechtsextremen Spektrum stammen“

In Schwanewede wird also der Bock zum Gärtner gemacht. Ein Neonazi, der sich zur Gewalt bekennt, will für Ordnung sorgen.  Bei Facebook beschrieb er den Sinn der Bürger-Patrouille so, dass die Polizei nicht überall sein kann und da „den Interessen der öffentlichen Sicherheit nicht nachgekommen“ werde, habe „jeder das Recht, für Sicherheit zu sorgen“.

Vor dem Bericht der „taz-Nord“ hatte die Polizei keine Kenntnis über die Patrouillen. „Was passiert, wenn die Männer mal auf Flüchtlinge treffen, die nachts nicht schlafen können oder einfach nur frische Luft schnappen?“, fragt Fabian Jellonek von der Bremer Beratungsstelle „Pro aktiv gegen Rechts“. Er betont: „Es sind Personen dabei, die klar aus dem rechtsextremen Spektrum stammen und die ich für gefährlich halte.“ Der SPD-Bürgermeister weist gegenüber der taz daraufhin, dass diese Leute nicht aus dem Ort stammten. Doch auch Anwohner gehören zur Patrouille und viele schließen sich der virtuellen Hetze an.

Zur Facebook-Gruppe, die „Klartext reden“ möchte, zählen aber dann auch bekannte NPD-Politiker und Vertreter der rechtspopulistischen Partei „Bürger in Wut“ aus Bremen. Gegenseitig schaukelt man sich in seiner Wut hoch. Ein Schwaneweder prahlt damit, dass seine Frau mit Pfefferspray versorgt sei und er ein „Not Welcome Refugees Aluminium“ im Auto habe. Am Montagmorgen bekannte ein Mitglied, dass Leute, „die Heime anzünden, ohne dass Menschen zu Schaden kommen, mit Orden ausgezeichnet werden“ sollten – ein Kommentar, der allerdings nur kurz online war.

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