Der Ruf nach dem Verbot, Teil 2
Seit dem Scheitern des Verbotsverfahrens im Jahr 2003 steht jedoch vor allem die Machbarkeit eines NPD-Verbots im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Mit dem Grundsatz der „strikten Staatsfreiheit“ einer vom Verbotsantrag betroffenen Partei hatte die Sperrminorität des Zweiten Senats eine neue verfahrensrechtliche Hürde geschaffen, deren Überwindung die antragsberechtigten Organe und die Verfassungsschutzbehörden heute vor Probleme stellt. Wegen der Durchsetzung der NPD-Führungsebene mit staatlichen V-Leuten vor und während des laufenden Verfahrens konnten die Richter eine „Lenkung“ der Partei durch den Staat nicht ausschließen.
Auch das zum Beweis der Verfassungswidrigkeit der NPD angeführte Material stammte teilweise aus der Feder von V-Männern. Als Konsequenz daraus hat das Gericht für künftige Verbotsverfahren zum einen die Vorgabe gemacht, dass „die staatlichen Stellen rechtzeitig vor dem Eingang des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht – spätestens mit der öffentlichen Bekanntmachung der Absicht, einen Antrag zu stellen – ihre Quellen in den Vorständen einer politischen Partei ‚abgeschaltet’ haben“ müssen.
Zum anderen fordert das Gericht, dass auf Beweismaterial, welches von V-Leuten stammt, entweder verzichtet wird oder solches eindeutig für die Richter kenntlich gemacht wird. Dabei ist letztere Forderung am einfachsten zu erfüllen: der bereits beschriebene verfassungsfeindliche Charakter der NPD lässt sich auch aus öffentlichen Quellen eindeutig ableiten.
Schwieriger verhält es sich mit der Forderung nach einer Abschaltung aller V-Leute in den Führungsgremien der Partei. Aufgrund von Sicherheitsbedenken gab es hier in den letzten Jahren die größten Vorbehalte, vor allem auf Seiten der Unions-Innenminister. Die NPD sei schlicht zu gefährlich, um die wichtigsten V-Männer für ein Verbotsverfahren abschalten zu können, so die paradoxe Argumentation. Indes: um ein erfolgreiches Verfahren zu garantieren, gibt es keine Alternative zu dieser Vorgehensweise. Es wäre schlicht unverantwortlich, auf einen Sinneswandel beim personell runderneuerten Zweiten Senat zu hoffen und das Verfahren auf die gleiche Weise wie vor zehn Jahren einzuleiten.
Die Verfassungsschutzbehörden müssen unmittelbar vor und während des Verfahrens die Verbindung zu „ihren“ Leuten kappen und damit der Kernforderung des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. An dieser Notwendigkeit ändern – entgegen anderslautender Äußerungen in den letzten Wochen – auch einzelne Kontakte von NPD-Aktivisten zur Zwickauer Terrorzelle nichts. Die Einleitung eines neuerlichen Verbotsverfahrens ist also durchaus machbar, wäre jedoch mit einem schmerzlichen Schritt für die deutschen Sicherheitsbehörden verbunden.
Dass ein neuerliches Verfahren sowohl rechtmäßig als auch umsetzbar ist, also höchstwahrscheinlich zu einem Verbot der NPD durch das Bundesverfassungsgericht führen würde, sagt noch nichts darüber aus, ob ein solcher Schritt im Rahmen der Bekämpfung des Rechtsextremismus überhaupt opportun ist. Die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines NPD-Verbots lässt sich, je nach Perspektive, unterschiedlich beantworten. Erhofft man sich von einem Verbot einen signifikanten Rückgang rechtsextremistischer Gewalttaten, eine Zerschlagung der freien Kameradschaftsszene oder gar die Verhütung rechtsterroristischer Attentate nach dem Vorbild des NSU, so würde ein Verbot der Partei nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Noch entspringen die meisten Gewalttaten im rechtsextremistischen Spektrum nicht dem direkten Umfeld der NPD, sondern gehen viel stärker von der eher subkulturell geprägten freien Szene aus, bei deren Taten kaum Ansätze eines organisierten Handelns erkennbar sind und die oftmals aus dem Affekt, mitunter alkoholisiert beispielsweise nach rechtsextremen Konzerten ausgeübt werden. Ein Verbot würde hier ins Leere laufen. Zwar ist eine wachsende Vernetzung der NPD mit der Neonazi- und Kameradschaftszene nicht zu bestreiten – ob die Auflösung des parteipolitischen Bezugspunktes der Szene aber deren Mitglieder von Gewaltexzessen abhalten würde, ist äußerst zweifelhaft. Dies gilt umso mehr für rechtsterroristische Gruppen, die sich ohnehin von organisierten Strukturen abkapseln und auch ohne die Interaktion mit einer Partei wie der NPD ideologisch weiter radikalisieren. Ein NPD-Verbot kann weder die Bildung noch das Wirken autarker rechtsterroristischer Kleingruppen verhindern, würde das Agieren von ehemaligen Parteiaktivisten im Untergrund unter Umständen sogar noch befördern.
Erhofft man sich von einem Verbot jedoch eine starke infrastrukturelle und finanzielle Schwächung des Rechtsextremismus, die Verbannung der NPD aus dem deutschen Parteiensystem, ein Ende der staatlich subventionierten Menschenverachtung sowie mehr Rechtssicherheit im Kampf gegen neonazistische Umtriebe, so kann ein Verbot der Partei durchaus Früchte tragen. Die in einigen Teilen der neuen Länder zu beobachtenden, hochproblematischen „symbiotischen“ Verbindungen zwischen der NPD und der gewaltbereiten Neonaziszene nutzen beiden Seiten. Während die freien Gruppen der Partei bei Wahlkampagnen oder der Organisation von Demonstrationen und Parteiveranstaltungen unter die Arme greifen, liefert die NPD der Szene eine legale Plattform für verfassungsfeindliche Agitation und unterstützt sie finanziell.
Ein Verbot der NPD wäre vor diesem Hintergrund zumindest mittelfristig ein schwerer Schlag auch für den nicht-parteipolitischen Rechtsextremismus in Deutschland. Mit einem Verbot würde die NPD zudem ihre Mandate in den Kommunalparlamenten, aber vor allem in den Landtagen Sachsens und Mecklenburg-Vorpommerns in Gänze verlieren. Dem besorgniserregenden Trend, dass eine nationalsozialistische Partei in vielen Bereichen der neuen Länder als „normale“ Alternative im Parteiensystem wahrgenommen wird und dabei in den letzten Jahren sogar ein nicht zu unterschätzendes Stammwählerpotential ausbilden konnte, würde kraftvoll entgegengewirkt. Auch hätte der nur schwer verständliche Zustand ein Ende, dass der freiheitliche demokratische Verfassungsstaat eben jene Partei, die ihn ohne Wenn und Aber beseitigen will, finanziell alimentiert. Sowohl die Geldflüsse über die staatliche Wahlkampfkostenerstattung, die steuerlichen Vergünstigungen bei Parteispenden als auch die Zuwendungen für die Landtagsfraktionen, mit denen die Festigung rechtsextremistischer Strukturen und die Verbreitung neonazistischen Gedankenguts finanziert werden, würden versiegen. All dies dürfte der Etablierung des organisierten Rechtsextremismus in Ostdeutschland einen herben Dämpfer versetzen. Flankiert durch eine Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen und präventiver Bildungsarbeit vor Ort, ohne die die rechtsextremistische Gesinnung in den „Köpfen der Menschen“ nicht zu bekämpfen ist, könnte die „Erfolgsgeschichte“ der NPD in den neuen Ländern so beendet werden.
Die Motive für den Ruf nach einem NPD-Verbot im Zuge der Enthüllungen über die Zwickauer Terrorzelle waren unlauter und müssen – wieder einmal – als reflexhafte und symbolische Geste einer zunächst ratlosen politischen Elite gesehen werden. Das Parteiverbot ist kein Allheilmittel und erst recht keine adäquate Antwort auf das Phänomen des Rechtsterrorismus. Trotzdem – nur scheinbar paradox – sollte die momentan günstige politische und mediale Stimmungslage dazu genutzt werden, das seit Jahren überfällige Verbotsverfahren gegen die menschenverachtende NPD weiter voranzutreiben. Zwar ist ein Parteiverbot demokratietheoretisch immer problematisch, weil es eine der für den freiheitlichen Verfassungsstaat fundamentalen Wurzeln – die Parteienfreiheit – resolut beschneidet. Die zuvor skizzierten bedenklichen Entwicklungen lassen eine Reaktivierung dieses Instruments der wertgebundenen „streitbaren Demokratie“ aber durchaus legitim und sinnvoll erscheinen. Auf ihrer Konferenz in Berlin am 15. Dezember haben die Ministerpräsidenten der Länder einstimmig beschlossen, nach eingehender Prüfung des Beweismaterials und der Abschaltung aller V-Leute in der Parteispitze ein neues NPD-Verbotsverfahren im nächsten Jahr anzustreben. Mögen sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und diesmal erfolgreich sein.
Auch das zum Beweis der Verfassungswidrigkeit der NPD angeführte Material stammte teilweise aus der Feder von V-Männern. Als Konsequenz daraus hat das Gericht für künftige Verbotsverfahren zum einen die Vorgabe gemacht, dass „die staatlichen Stellen rechtzeitig vor dem Eingang des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht – spätestens mit der öffentlichen Bekanntmachung der Absicht, einen Antrag zu stellen – ihre Quellen in den Vorständen einer politischen Partei ‚abgeschaltet’ haben“ müssen.
Zum anderen fordert das Gericht, dass auf Beweismaterial, welches von V-Leuten stammt, entweder verzichtet wird oder solches eindeutig für die Richter kenntlich gemacht wird. Dabei ist letztere Forderung am einfachsten zu erfüllen: der bereits beschriebene verfassungsfeindliche Charakter der NPD lässt sich auch aus öffentlichen Quellen eindeutig ableiten.
Schwieriger verhält es sich mit der Forderung nach einer Abschaltung aller V-Leute in den Führungsgremien der Partei. Aufgrund von Sicherheitsbedenken gab es hier in den letzten Jahren die größten Vorbehalte, vor allem auf Seiten der Unions-Innenminister. Die NPD sei schlicht zu gefährlich, um die wichtigsten V-Männer für ein Verbotsverfahren abschalten zu können, so die paradoxe Argumentation. Indes: um ein erfolgreiches Verfahren zu garantieren, gibt es keine Alternative zu dieser Vorgehensweise. Es wäre schlicht unverantwortlich, auf einen Sinneswandel beim personell runderneuerten Zweiten Senat zu hoffen und das Verfahren auf die gleiche Weise wie vor zehn Jahren einzuleiten.
Die Verfassungsschutzbehörden müssen unmittelbar vor und während des Verfahrens die Verbindung zu „ihren“ Leuten kappen und damit der Kernforderung des Bundesverfassungsgerichts entsprechen. An dieser Notwendigkeit ändern – entgegen anderslautender Äußerungen in den letzten Wochen – auch einzelne Kontakte von NPD-Aktivisten zur Zwickauer Terrorzelle nichts. Die Einleitung eines neuerlichen Verbotsverfahrens ist also durchaus machbar, wäre jedoch mit einem schmerzlichen Schritt für die deutschen Sicherheitsbehörden verbunden.
Dass ein neuerliches Verfahren sowohl rechtmäßig als auch umsetzbar ist, also höchstwahrscheinlich zu einem Verbot der NPD durch das Bundesverfassungsgericht führen würde, sagt noch nichts darüber aus, ob ein solcher Schritt im Rahmen der Bekämpfung des Rechtsextremismus überhaupt opportun ist. Die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines NPD-Verbots lässt sich, je nach Perspektive, unterschiedlich beantworten. Erhofft man sich von einem Verbot einen signifikanten Rückgang rechtsextremistischer Gewalttaten, eine Zerschlagung der freien Kameradschaftsszene oder gar die Verhütung rechtsterroristischer Attentate nach dem Vorbild des NSU, so würde ein Verbot der Partei nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Noch entspringen die meisten Gewalttaten im rechtsextremistischen Spektrum nicht dem direkten Umfeld der NPD, sondern gehen viel stärker von der eher subkulturell geprägten freien Szene aus, bei deren Taten kaum Ansätze eines organisierten Handelns erkennbar sind und die oftmals aus dem Affekt, mitunter alkoholisiert beispielsweise nach rechtsextremen Konzerten ausgeübt werden. Ein Verbot würde hier ins Leere laufen. Zwar ist eine wachsende Vernetzung der NPD mit der Neonazi- und Kameradschaftszene nicht zu bestreiten – ob die Auflösung des parteipolitischen Bezugspunktes der Szene aber deren Mitglieder von Gewaltexzessen abhalten würde, ist äußerst zweifelhaft. Dies gilt umso mehr für rechtsterroristische Gruppen, die sich ohnehin von organisierten Strukturen abkapseln und auch ohne die Interaktion mit einer Partei wie der NPD ideologisch weiter radikalisieren. Ein NPD-Verbot kann weder die Bildung noch das Wirken autarker rechtsterroristischer Kleingruppen verhindern, würde das Agieren von ehemaligen Parteiaktivisten im Untergrund unter Umständen sogar noch befördern.
Erhofft man sich von einem Verbot jedoch eine starke infrastrukturelle und finanzielle Schwächung des Rechtsextremismus, die Verbannung der NPD aus dem deutschen Parteiensystem, ein Ende der staatlich subventionierten Menschenverachtung sowie mehr Rechtssicherheit im Kampf gegen neonazistische Umtriebe, so kann ein Verbot der Partei durchaus Früchte tragen. Die in einigen Teilen der neuen Länder zu beobachtenden, hochproblematischen „symbiotischen“ Verbindungen zwischen der NPD und der gewaltbereiten Neonaziszene nutzen beiden Seiten. Während die freien Gruppen der Partei bei Wahlkampagnen oder der Organisation von Demonstrationen und Parteiveranstaltungen unter die Arme greifen, liefert die NPD der Szene eine legale Plattform für verfassungsfeindliche Agitation und unterstützt sie finanziell.
Ein Verbot der NPD wäre vor diesem Hintergrund zumindest mittelfristig ein schwerer Schlag auch für den nicht-parteipolitischen Rechtsextremismus in Deutschland. Mit einem Verbot würde die NPD zudem ihre Mandate in den Kommunalparlamenten, aber vor allem in den Landtagen Sachsens und Mecklenburg-Vorpommerns in Gänze verlieren. Dem besorgniserregenden Trend, dass eine nationalsozialistische Partei in vielen Bereichen der neuen Länder als „normale“ Alternative im Parteiensystem wahrgenommen wird und dabei in den letzten Jahren sogar ein nicht zu unterschätzendes Stammwählerpotential ausbilden konnte, würde kraftvoll entgegengewirkt. Auch hätte der nur schwer verständliche Zustand ein Ende, dass der freiheitliche demokratische Verfassungsstaat eben jene Partei, die ihn ohne Wenn und Aber beseitigen will, finanziell alimentiert. Sowohl die Geldflüsse über die staatliche Wahlkampfkostenerstattung, die steuerlichen Vergünstigungen bei Parteispenden als auch die Zuwendungen für die Landtagsfraktionen, mit denen die Festigung rechtsextremistischer Strukturen und die Verbreitung neonazistischen Gedankenguts finanziert werden, würden versiegen. All dies dürfte der Etablierung des organisierten Rechtsextremismus in Ostdeutschland einen herben Dämpfer versetzen. Flankiert durch eine Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen und präventiver Bildungsarbeit vor Ort, ohne die die rechtsextremistische Gesinnung in den „Köpfen der Menschen“ nicht zu bekämpfen ist, könnte die „Erfolgsgeschichte“ der NPD in den neuen Ländern so beendet werden.
Die Motive für den Ruf nach einem NPD-Verbot im Zuge der Enthüllungen über die Zwickauer Terrorzelle waren unlauter und müssen – wieder einmal – als reflexhafte und symbolische Geste einer zunächst ratlosen politischen Elite gesehen werden. Das Parteiverbot ist kein Allheilmittel und erst recht keine adäquate Antwort auf das Phänomen des Rechtsterrorismus. Trotzdem – nur scheinbar paradox – sollte die momentan günstige politische und mediale Stimmungslage dazu genutzt werden, das seit Jahren überfällige Verbotsverfahren gegen die menschenverachtende NPD weiter voranzutreiben. Zwar ist ein Parteiverbot demokratietheoretisch immer problematisch, weil es eine der für den freiheitlichen Verfassungsstaat fundamentalen Wurzeln – die Parteienfreiheit – resolut beschneidet. Die zuvor skizzierten bedenklichen Entwicklungen lassen eine Reaktivierung dieses Instruments der wertgebundenen „streitbaren Demokratie“ aber durchaus legitim und sinnvoll erscheinen. Auf ihrer Konferenz in Berlin am 15. Dezember haben die Ministerpräsidenten der Länder einstimmig beschlossen, nach eingehender Prüfung des Beweismaterials und der Abschaltung aller V-Leute in der Parteispitze ein neues NPD-Verbotsverfahren im nächsten Jahr anzustreben. Mögen sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und diesmal erfolgreich sein.
Foto: Screenshot npd-verbot-jetzt.de