Früherer NPD-Chefideologe

Der rechtsextreme Publizist Jürgen Schwab ist tot

Der rechtsextreme Publizist und frühere NPD-Theoretiker Jürgen Schwab ist am 16. Februar im Alter von 55 Jahren verstorben. Über lange Jahre hinweg hatte der sozialrevolutionäre Nationalist das Ziel, im Umfeld der NPD eine Intellektualisierung voranbringen. Das Projekt kam über zarte Anfangsversuche nicht hinaus.

Montag, 20. Februar 2023
Anton Maegerle
Jürgen Schwab als Redner auf einer Demo im Jahr 2011, Foto: Screenshot
Jürgen Schwab als Redner auf einer Demo im Jahr 2011, Foto: Screenshot

Mit seinem 2021 beim Dortmunder Sturmzeichen-Verlag veröffentlichten Buch „Zukunft Deutsch. Möglichkeiten nationaler Politik im 21. Jahrhundert“ sorgte Schwab zuletzt für Aufsehen in Teilen der extrem rechten Szene. Schwab zieht darin das Fazit, dass ein neuer deutscher Nationalstaat nicht an die Eigentumsbedingungen der „Volksgemeinschaft“ der 1930er-Jahre anknüpfen und der Sozialismus der Zukunft nicht mehr von der „Diktatur des Proletariats“ ausgehen kann. Die neue deutsche Volksgemeinschaft wird neue Wege zu gehen haben oder sie wird nicht sein, so Schwab. Ein weiteres Sachbuch des Autoren sollte laut Ankündigung des Sturmzeichen-Verlags noch in diesem Jahr erscheinen, was wohl nach dessen Tod hinfällig ist.

Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Schwab am 10. Dezember 2022 beim 2. Netzwerktag der NPD-Postille „Deutsche Stimme“ im brandenburgischen Lauchhammer. Schwab, bereits sichtlich körperlich angeschlagen, diskutierte beim Podiumsgespräch „Nationalstaat – Reich – Region – Ethnos: Wie sichern wir die Zukunft der Völker?“ mit.

Querfront aktuell unrealistisch

In seinen letzten Lebensmonaten beschäftigte sich der Rechtsintellektuelle intensiv mit dem Thema „Querfront“. Desillusioniert gab er auf einem Szene-Blog kund: „ Aber Politik ist nicht unbedingt ein Wunschkonzert“; so mache „das parlamentarische System und das kapitalistische Konkurrenzsystem der BRD eine `Querfront´ fürs Erste unmöglich“, so seine Erkenntnis.

Der Diplom-Germanist Schwab war Mitglied im Sprecherrat der NPD-nahen „Deutschen Akademie“. Die im Jahr 2000 gegründete „Deutsche Akademie“ bot als organisationsübergreifender Verbund in Schulungen, Seminaren sowie Sommer- und Winterakademien rechtsextreme „staatstheoretische Bildungsarbeit“ an. Langfristiges Ziel der „Deutschen Akademie“ war die nationalrevolutionäre Überwindung der bundesdeutschen Verfassungsordnung getreu ihrem Motto „Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis“.

„Sache des Volkes“

2008 initiierte Schwab den „akademischen Gesprächszirkel“ „Sache des Volkes“ (SdV), der aus der „Deutschen Akademie“ hervorging. 2018 veranstaltete SdV ihre 16. Arbeitstagung. Schwab machte dabei deutlich, dass die SdV aufgrund ihres nationalen und sozialrevolutionären bis sozialistischen Politprofils zwischen den Stühlen sitzt, da sie von vielen auf der nationalen Rechten als „linksradikal“ bzw. „bolschewistisch“ angesehen wird und bei Linken als „rechtsradikal“ verrufen ist. Die heute inaktive SdV verstand sich als Plattform für Anhänger eines "sozialrevolutionären Nationalismus".

Schwab war der jüngste Kreisvorsitzende der heute in der Bedeutungslosigkeit versunkenen Republikaner. Seinem drohenden Ausschluss kam er 1990 durch Austritt zuvor. Danach engagierte sich Schwab in führender Funktion bei der 1991 gegründeten Neonazi-Truppe „Bund Frankenland“. Deren Ziel war die Beseitigung des Grundgesetzes der parlamentarischen Demokratie und die Schaffung eines „Vierten Deutschen Reichs“ nationalistisch-rassistischer Prägung. Auf Zimmersuche ging der damalige Student per Anzeige in der Szene-Publikation „Nation Europa“.

Joseph Ratzinger

1998 landete Schwab einen weithin beachteten Coup. Neben dem österreichischen Altnazi Otto Scrinzi firmierte Schwab als Herausgeber des im rechtsextremen Aula-Verlags erschienenen Sammelbandes „1848. Erbe und Verantwortung“. Die Autoren des Buches, die überwiegend burschenschaftlichen Altherrenkreisen aus Österreich und der Bundesrepublik entstammten, waren nahezu ausnahmslos einschlägig im rechtsextremen Spektrum bekannt.

Ein Autor wurde von Scrinzi und Schwab besonders hervorgehoben und ihm ausdrücklich gedankt: es war „seine Eminenz“, Joseph Ratzinger, deutscher Kardinal, seit 17 Jahren amtierender Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation und mächtigster Mann im Vatikan nach dem Papst. In seinem Beitrag „Freiheit und Wahrheit“ gelangte der spätere Papst zur Erkenntnis, dass die Demokratie „noch nicht die rechte Form der Freiheit“ sei.

Redakteur der NPD-Postille

Von März 1999 bis 2001 wurde Schwab im Impressum der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ als Redakteur geführt. In programmatischen Artikeln in der „Deutschen Stimme“ setzte er sich für eine Intellektualisierung der NPD ein, mahnte, den „Kampf um die Köpfe“ ernst zu nehmen, trat für einen „starken Mann“ an der Spitze des Staates ein und sprach sich dafür aus, das parlamentarische System zu beseitigen.

Schwab erklärte, das politische System der Bundesrepublik stelle das Grundübel der deutschen Gegenwart dar und müsse von der „Rechten“ fundamental abgelehnt werden. Parlamentarismus sei ohnehin völlig überflüssig, Wahlen könnten nicht der politischen Legitimation dienen. 2003 schrieb Schwab in der „Deutsche Stimme“: „Der Parlamentarismus dient dem alliierten Sieger dazu, eine am Gemeinwohl des Staatsvolkes orientierte Regierungspolitik beim Besiegten präventiv zu verhindern. Das Parlament ist das Instrument der internationalen Oligarchie, der Ort der Erfüllungspolitik nationalvergessener Angehöriger der `westlichen Wertegemeinschaft´. Mit dem Sturz der amerikanischen Weltherrschaft wird auch die `Demokratie´, die keine Volkssouveränität kennt, endlich verschwinden.“

2004 Parteiaustritt

In der „Deutschen Stimme“ propagierte Schwab das Modell einer autonomen „Gegengesellschaft“ durch „national befreite Zonen“. Die autonome „Gegengesellschaft“ werde sich dem staatlichen Zugriff entziehen und langfristig als Brückenkopf für eine gesamtpolitische Umgestaltung dienen. „National befreite Zonen“, wie sie sich in „Mitteldeutschland“ bereits bildeten, böten den vom Staat nicht gewährten Schutz.

Schwab leitete ab November 2000 den Arbeitskreis „Volk und Staat“ beim NPD-Parteivorstand. Er war damit der Chefideologe der NPD. Am 30. Mai 2004 trat er aus der Partei aus. Schwab glaubte bei der NPD einen „neuen Kurs“ ausgemacht zu haben, „der immer mehr dem BRD-Parlamentarismus und somit dem kapitalistischen System insgesamt verpflichtet scheint.“

Als Referent war Schwab, bis zu seinem Ausschluss im Jahr 2002 Mitglied der Burschenschaft Thessalia zu Prag in Bayreuth, gern gesehener Gast bei der „Gesellschaft für freie Publizistik“, der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ und den „Kärntner Kulturtagen“. Schwab war Autor der programmatischen Werke „Deutsche Bausteine“ (1999) und „Volksstaat statt Weltherrschaft“ (2002).

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