Der Neonazi-Überfall auf Connewitz: Beginn eines Justizmarathons
Langfristig organisierte Aktion, ahnungslose Behörden
Die Mobilisierung für den Überfall ging weit über Leipzig und auch über Sachsen hinaus. Die festgesetzten Angreifer stammen nach Angaben des Innenministeriums neben Leipzig (68) u.a. aus dem Landkreis Nordsachsen (29), dem Landkreis Leipzig (29), der Stadt Dresden (15), dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (15), aus Berlin (9), Erfurt (7) und Gera (6). Die Tatverdächtigen gehören einschlägig bekannten Neonazi-Strukturen und deren Umfeld an. Darunter sind Mitglieder der kriminellen Vereinigung „Freien Kameradschaft Dresden“, extrem rechte Hooligans aus dem Umfeld von Vereinen wie dem 1. FC Lokomotive Leipzig und der SG Dynamo Dresden, aber auch NPD- und JN-Mitglieder.
Infografik über die Herkunft der mutmaßlichen Angreifer, Foto: Kreuzer Leipzig
Die Sicherheitsbehörden im Freistaat haben von der Vorbereitung des Angriffs auf Connewitz angeblich nichts mitbekommen. In einer internen Lageeinschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 7. Januar 2016 heißt es, der Behörde liegen „keine näheren Informationen über eine Mobilisierung oder konkrete Anreiseabsichten innerhalb der rechtsextremistischen Szene vor.“ In einer zweiten Einschätzung einen Tag später wird nur von einer „punktuelle[n] Mobilisierung innerhalb der rechtsextremistischen Szene in Sachsen“ zur Kundgebung von Legida gesprochen. [Anlage zur Kl.Anfrage Drs. 6/3819] Im Verfassungsschutzbericht für 2016 wird der Überfall später verharmlosend als eine „Versammlung im Leipziger Stadtteil Connewitz“ angeführt, bei der es zu Sachbeschädigungen gekommen sei.Mitschnitt unserer Veranstaltung zum Naziangriff in #Connewitz vor zwei Jahren nun online: https://t.co/jl8VIcIxIt #le1101
— chronik.LE (@chronik_le) 31. Januar 2018
Die Prozesse
Über zwei Jahre nach dem Angriff beginnen nun die ersten Prozesse gegen die mutmaßlichen Täter. Insgesamt hat die Staatsanwaltschaft Leipzig nach eigenen Angaben gegen 217 Personen ermittelt. Davon wurden 13 Verfahren nach Dresden übergeben, wo seit einiger Zeit mehrere Prozesse gegen die Mitglieder der sogenannten Freien Kameradschaft Dresden (FKD) laufen. Bereits vor einem Jahr wurde ein FKD-Mitglied u.a. wegen seiner Beteiligung an dem Überfall auf Connewitz zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Urteil des Landgerichts Dresden wird der Überfall als eine „sorgfältig geplante und auf Gewalttätigkeiten gerichtete Aktion“ beschreiben.Insgesamt müssen sich in Leipzig 202 Personen vor Gericht verantworten. In den meisten Fällen sind jeweils zwei Personen zusammen angeklagt. 85 Prozesse gegen 167 Personen werden am Amtsgericht Leipzig geführt. Weitere 18 Prozesse gegen 35 Personen werden an drei Amtsgerichten im Leipziger Umland (Torgau, Eilenburg und Grimma) verhandelt. In diesen Fällen wird nach Jugendstrafrecht verhandelt. Allen Angeklagten wird Landfriedensbruch in einem besonders schweren Fall vorgeworfen, vereinzelt werden auch zusätzliche Tatvorwürfe einbezogen. Die Mindeststrafe für schweren Landfriedensbruch liegt bei sechs Monaten. Bei zwei Personen sind die Ermittlungen laut Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen. Ein Tatverdächtiger ist offenbar untergetaucht und zur Fahndung ausgeschrieben. Eine weitere Person ist erst kürzlich in den Fokus der Ermittler geraten. Sie war nicht unter den im Januar 2016 in Connewitz festgesetzten Angreifern. Wann die Ermittlungen in diesem Fall abgeschlossen sind, ist zur Zeit noch nicht absehbar. Ebenso wenig absehbar ist, wie lange die juristische Aufarbeitung dauern wird. Die Verhandlung gegen die ersten beiden Tatverdächtigen wird am 23. August fortgesetzt. Der Prozess gegen zwei weitere Angreifer beginnt im September. Sollte es in diesem Tempo weitergehen, dann können sich die Verhandlungen zum Überfall auf Connewitz über mehrere Jahre hinziehen.#dokuconnewitz110116 / 8.1.16 16:21: Ein Thüringer Rechtsextremist diskutiert via Whatsapp mit seinem Sohn, den er am 11.1. mit nach Leipzig nehmen will. Der Vater fuhr später nach Leipzig und wurde mit 214 anderen Neonazis in Connewitz von der Polizei festgesetzt. #le1101 pic.twitter.com/4nH0QfRGwy
— kreuzer leipzig (@kreuzer_leipzig) 8. Januar 2018