Rezension

Der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl auf dem Weg zum „Volkskanzler“?

Der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl will gern in Österreich der neue „Volkskanzler“ werden. Doch wer ist der doch ebenso polemisch wie wüst wirkende Rechtspopulist? Zwei Journalisten legen zu ihm eine interessante Lebensbeschreibung vor.

Donnerstag, 23. Mai 2024
Armin Pfahl-Traughber
Zwei österreichische Journalisten haben den politischen Lebensweg von Herbert Kickl nachgezeichnet, Foto: Michael Lucan CC BY SA 3.0
Zwei österreichische Journalisten haben den politischen Lebensweg von Herbert Kickl nachgezeichnet, Foto: Michael Lucan CC BY SA 3.0

Er ist der Bundesparteiobmann der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ): Herbert Kickl. Bei den anstehenden Nationalratswahlen will er als deren Spitzenkandidat dann „Volkskanzler“ werden. Doch wer ist eigentlich dieser nach Jörg Haider und Heinz-Christian Strache bekannteste österreichische Rechtspopulist? Worin bestehen die „weißen Flecken“ auf seinem politischen Lebensweg. Derartige Fragen haben sich zwei Redakteure des Nachrichtenmagazins „Profil“ gestellt, um damit der nicht-öffentlichen Person auf die Spur zu kommen. Gernot Bauer und Robert Treichler legten dazu eine gemeinsame Veröffentlichung vor: „Kickl und die Zerstörung Europas“.

Das Buch erschien demnach mit einer etwas merkwürdigen Titelwahl. Denn beabsichtigt ist eine kritische Biographie, nicht eine europapolitische Positionierung: „Die Herbert-Kickl-Story handelt von dem am schwierigsten einzuschätzenden Kanzlerkandidaten der zweiten österreichischen Republik“. Gespräche dazu hatte Kickl übrigens abgelehnt. Insofern stützen sich die Autoren nur auf eigene Recherchen.

Provokative Slogans aus dem politischen Hintergrund

Dabei fällt der erste Blick auf die soziale Herkunft, wuchs doch Kickl in bescheidenen Verhältnissen auf. Indessen war in seiner Familie die NS-Belastung hoch, was möglicherweise seine spätere Ideologisierung und Politisierung mit erklärt. Zugunsten einer FPÖ-Karriere brach er später sein Studium ab. „Heimat, Helden, Hegel“ seien die entscheidenden Stichworte für sein Weltbild geworden. Und dann kam es zur Begegnung mit Jörg Haider, seinem Idol und Vorbild.

Aus dem Hintergrund heraus unterstützte er dessen populistisches Wirken. Kickl liefert dazu grenzwertige und provokative Slogans: „Daham statt Islam“, „Mehr Mut für unser Wiener Blut – zu viel Fremdes tut niemandem gut“ oder „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“. Gleichwohl folgt dann auch bald der Bruch mit Haider, Kickl setzte auf Strache. Auch hier ist er im Hintergrund ein wichtiger Stratege, Formulierungsgeschick und Überspitzungen stehen für ihn. Die Autoren machen aber auch den misstrauischen Einzelgänger und die unfertige Persönlichkeit aus.

Aufstieg zum Innenminister und anschließender Sturz

Gleichwohl erhält er ein hohes Amt, wird gar Innenminister. Kickl ist dann aber auch der erste, der nach einer Entlassung zu gehen hat. Nachdem die Ibizia-Affäre zu Straches Sturz führt, steigt Kickl innerhalb der Partei zu höchster Stelle auf. Eine besondere Intrige bringt ihn an die Spitze. Dann sind die Autoren schon in der Gegenwart angekommen, geht es doch fortan allgemeiner um die Geschichte des europäischen Rechtspopulismus. Für die damit einhergehende europäische Entwicklung war Österreich tatsächlich die Wiege.

Thematisiert werden auch die bedeutenden Narrative dieses politischen Spektrums, wobei sie vom „Großen Austausch“ über „Eliten“-Kritik bis zu „Medien“-Schelte reichen. Ganz am Ende wird noch gefragt, wie Kickl an der Macht die Verfassung aushebeln könnte. Bilanzierend heißt es über ihn: „Mit Herbert Kickl ist ein Politikertypus groß geworden, den es bisher nicht gegeben hat. … Nie trat jemand mit der Botschaft an, alles bisher Geschaffene sei ein verrottetes System aus Lüge und Betrug. Kickl tut genau das“.

Mitunter fehlende Analyse in der gut lesbaren Reportage

All dies präsentieren die Autoren in lockerer Reportageform. Insofern kann man das Buch gut und schnell lesen, es liefert aber auch keine genaueren Einordnungen. Zwar gibt es bezogen auf Haider und Kickl interessante Vergleiche. Auch wird gelegentlich auf inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem europäischen Rechtspopulismus verwiesen. Doch wie sind die FPÖ und Kickl einzuschätzen, wenn etwa bezogen auf beide von einer Radikalisierung die Rede ist, müsste nicht gar mittlerweile von einer Form eines legalistischen Rechtsextremismus gesprochen werden?

Man mag gegenüber solchen Einwänden wiederum einwenden, dass derartiges die Extremismusforschung unternehmen sollte. Gleichwohl hätte man sich in dem Buch schon einige Erörterungen in diesem Sinne gewünscht. Es liefert aber mit dem kritischen Blick auf Kickl dafür durchaus einigen Stoff. Bislang fehlte eine genauere Lebensbeschreibung, ist der Porträtierte doch partiell zurückhaltend. Nicht nur angesichts erwartbarer Erfolge von Kickl verdient die Monographie öffentliche Wahrnehmung.

Nachtrag zu wenig aussagekräftiger Kritik

P.S. Auf darin angeblich enthaltene Fehler macht Kickl übrigens in einem eigenen Video aufmerksam. Er warf dabei den Autoren schlechte Recherche vor. Seine Einwände bezogen sich aber lediglich darauf, dass Verwandte falsch dargestellt wurden. Dabei ging es um Berufe oder Beziehungen, Verhältnisse oder Vornamen. Sollte es sich tatsächlich um falsche Angaben handeln, so müsste dies auch Kritik finden. Es werden aber keine anderen Fehler von ihm genannt, womit hinsichtlich der Politik solche nicht zu geben scheint. Insofern ist dies gegenüber den Autoren ein von Kickl unbewusst ausgesprochenes Lob.

Gleichwohl sahen sich diverse FPÖ-Anhänger im Internet dazu motiviert, das Buch mit negativen Wertungen schlecht dastehen zu lassen. Man merkt bei dem Blick auf diese Praxis, wie sehr sie das Ergebnis einer Kampagne ist. Nicht nur AfD-, sondern auch FPÖ-Anhänger verbringen offenbar im Internet viel Zeit, um mit hämischen Kommentaren oder manipulativen Verzerrungen für ihr politisches Weltbild zu werben.

Gernot Bauer/Robert Treichler, Kickl und die Zerstörung Europas, Wien 2024 (Zsolnay), 254 Seiten, 25 Euro

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