Rezension
Der Aufstieg europäischer Rechtsparteien
Eine Analyse der Erfolge europäischer Rechtsparteien legt Richard Stöss vor. Der bekannte Parteien- und Rechtsextremismusforscher liefert dazu eine erkenntnisreiche Studie, die viele Erkenntnisse auf engem Raum von nicht einmal 170 Seiten liefert.

In den letzten Jahrzehnten konnten in vielen europäischen Ländern rechtsstehende Parteien große Wahlerfolge verbuchen. Welche externen und internen Gründe gibt es für diesen Rechtstrend? Welche Ideologie prägt diese Parteien, welchen Strategien folgen sie bei ihrem Vorgehen? Antworten auf diese und andere Fragen liefert eine neue Monographie von Richard Stöss, dem bekannten Berliner Parteien- und Rechtsextremismusforscher: „Der rechte Rand Europas. Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 1979 bis 2024“.
Er nimmt in seiner Analyse eine differenzierte Betrachtung vor, was bereits an der Kategorisierung der genannten Parteien erkennbar ist: So ist bereits die Angemessenheit des richtigen Begriffs bei Stöss ein Thema. Denn bei allen Gemeinsamkeiten weisen die behandelten Parteien auch Unterschiede auf. Naheliegend wäre es hier, mit dem Begriff „Populismus“ zu arbeiten, was mit guten Gründen von Stöss abgelehnt wird. Ohne genaue Erläuterung wäre dies auch nur ein Schlagwort.
„Gemäßigt … und orthodox rechtsextreme Parteien
Er verweist demgegenüber auf die Auffassung zu Demokratie, welche von manchen Parteien abgelehnt, von manchen Parteien bejaht wird. Dementsprechend unterteilt der Autor die Gemeinten in drei Kategorien: „die rechtskonservativen Parteien, die gemäßigt rechtsextremen Parteien und die orthodox rechtsextremen Parteien.“ Sie werden auch als „Rechtsaußenparteien oder als rechte Randparteien bezeichnet“.
Dabei wird nicht nur als Beleg auf die gegenüber der Demokratie bestehende Einstellung verwiesen, es geht auch um die genaue Deutung von Nation und Nationalismus. All dies macht der Autor mitunter mit abstrakten Begriffen deutlich, er argumentiert aber auch mit großem Sachverstand und hohem Unterscheidungsvermögen. Manchmal werden scheinbare Selbstverständlichkeiten von Stöss genannt, welche man aber gerade angesichts der aktuellen Entwicklung ins Gedächtnis rufen sollte: Aus der antidemokratische Ausrichtung folge nicht, dass ein Staatsstreich umgesetzt werden müsse. Auch Hitler sei formal legal an die Macht gekommen.
Exkurs zum italienischen Rechtsextremismus
Nach der für eine wissenschaftliche Arbeit nötigen Begriffsklärung geht es um die historische Entwicklung des europäischen Rechtsextremismus, wobei etwa bestimmte Diskurse oder das Europabild jeweils die Themen sind. Deutlich wird auch die Modernisierung des Rechtsextremismus herausgearbeitet, einerseits bezogen auf die ideologisch-programmatische Entwicklung, andererseits hinsichtlich politisch-sozioökonomischen Wandels. Gerade die Folgen der Globalisierung und deren Nachwirkungen gelten Stöss als wichtig.
Ein Exkurs widmet sich dann noch dem italienischen Rechtsextremismus, der häufig genug einer gesamteuropäischen Entwicklung dieses politischen Lagers vorangeschritten sei. Und erst danach geht er auf die Bemühungen um eine einheitliche Euro-Rechte ein, bezogen auf die Entwicklung nach den Europawahlen von 1979 bis 2024, wobei hier die Kooperationsabsichten jeweils gesondert ein Thema sind. Dies geschieht aber mitunter zu knapp und hätte noch systematischer sein können.
Keine Aufgabe des „cordon sanitaire“
Nachgeholt werden indessen manche Erörterungen im folgenden Kapitel, „Anatomie des Rechtstrends“ überschrieben. Hier geht es um unterschiedliche Faktoren, die vom Brexit über Dissens und Fraktionsbildungen bis hin zum Ost-West-Vergleich reichen. Eine Abrundung als Erklärungsmodell fehlt, ist aber angesichts der Komplexität des Themas nicht so einfach möglich. Denn man muss nicht nur die Differenzen zwischen den Parteien, sondern auch bei den nationalen Rahmenbedingungen die Unterschiede wahrnehmen. Das Buch mit lediglich 134 Seiten reinem Text präsentiert abschließend noch eine Zusammenfassung. Darin spitzt der Autor viele Einzelerkenntnisse zu und warnt vor falschen Strategien.
Dazu würde die Aufgabe einer „Brandbauer“ oder des „cordon sanitaire“ zählen. Er kritisiert darüber hinaus die Fehler der politischen Linken, die keinen überzeugenden Gesellschaftsentwurf gegen alltägliche Sorgen entwickelt hätten. So liefert das Buch viele Gedanken für wichtige Reflexionen, was aber auch für eine Monographie von Stöss typisch ist.
Richard Stöss, Der rechte Rand Europas. Rechtsextremismus und Rechtskonservatismus bei den Wahlen zum europäischen Parlament 1979 bis 2024, Opladen 2025 (Verlag Barbara Budrich) 166 Seiten