Denkfabrik der Neuen Rechten gesichert rechtsextrem
Der Verfassungsschutzbericht von Sachsen-Anhalt macht offiziell, was Beobachter der rechten Szene schon lange so bewertet haben: Das in dem Örtchen Schnellroda anzutreffende Institut für Staatspolitik (IfS), das im Mai 2000 gegründet wurde, wird als gesichert rechtsextrem und damit verfassungsfeindlich eingestuft.
Die AfD-nahe Denkfabrik der Kulturrechten im Saalekreis residierte zunächst noch im hessischen Bad Vilbel, ehe man 2003 ins ehemalige Rittergut nach Schnellroda umzog. Bereits im April vergangenen Jahres hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz das IfS zu einem „Verdachtsfall“ erklärt. Die Einrichtung unter der Handschrift von Götz Kubitschek, auch wenn Erik Lehnert offiziell seit 2014 als Leiter agiert, dient in erster Linie auch als Kaderschmiede für Rechtsintellektuelle.
Unzählige AfD-Abgeordnete in den verschiedenen Parlamenten, aber auch der dazugehörige personelle Stab von Mitarbeiter*innen haben sich beim IfS rechtsnationales Knowhow angeeignet oder vertieft. Björn Höcke, einflussreicher thüringischer AfD-Chef, ist ein enger Vertrauter von Kubitschek. Teilweise haben auch NPD-Angehörige die Tagungsangebote in Schnellroda wahrgenommen.
Gravitationszentrum für die Neue Rechte
Neben regelmäßigen Zusammenkünften mit Vorträgen, tituliert als Sommer- oder Winterakademien, sind es auch das seit 2003 erscheinende Theorieorgan „Sezession“ mit mittlerweile 103 Ausgaben und einem gleichnamigen Webblog sowie der von Kubitschek geleitete Verlag Antaios, die einen Bildungsstätten-Dreiklang darstellen. Und auch viele der Aktivist*innen der rechtsextremen Identitären Bewegung haben sich ihr Rüstzeug beim IfS geholt. Erst eine Woche vor der Bundestagswahl fand die jüngste Sommerakademie statt.
Im Verfassungsschutzbericht von Sachsen-Anhalt heißt es, das IfS vertrete „rassistische und biologistische Sichtweisen“ und sei ein „geistiges Gravitationszentrum“ für die Neue Rechte. Den Wesenskern der Ideologie stelle der Ethnopluralismus dar. Die Akademien für Teilnehmer*innen bis 35 Jahre würden szeneintern Kultstatus einnehmen. Die Ausrichtung vom IfS sei justiert gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Für Rechtsextremismusforscher Matthias Quent übt das IfS seit Jahren eine Scharnierfunktion zwischen der extremen und demokratischen Rechten aus.
IfS-Leiter Lehnert ahnt Nadelstich-Taktik gegen AfD
Lehnert verbreitet in einem Interview mit der neurechten österreichischen Zeitung „Tagesstimme“ seine ganz eigene Theorie für das Vorgehen gegen das IfS: „Die Landesämter müssen offensichtlich Munition für das Großvorhaben ,Beobachtungsfall AfD‘ liefern, da die von den Konkurrenzparteien geführten Innenministerien realisiert haben, dass die AfD nicht von allein wieder verschwindet.“ Und Lehnert ergänzt: „Mit diesem Vorgehen erhöht man den Druck auf das Milieu insgesamt und hofft vermutlich weiterhin, dass sich dadurch Distanzierungen und womöglich die Parteispaltung provozieren lassen.“
Zu einem der ersten, die auf die neue IfS-Einstufung reagiert haben, gehört mit Martin Sellner einer der führenden Köpfe der Identitären Bewegung, der natürlich Schnellrodas Think Tank wie seine Westentasche kennt. Auf seinem Telegram-Messengerkanal lässt er wissen: „Das hat nichts mit Verfassung, Recht und Demokratie zu tun.(...) Die Demokratiesimulation lässt kaum dissidente Meinungen zu. Rechte Denkräume werden verboten, Bewegungen zerschlagen und Parteien zermürbt. Aber den längeren Atem haben wir!“ Und abschließend rührt der Österreicher die Werbetrommel, ruft zum Abo von „Sezession“ auf.