Demokratieferner AfD-Nachwuchs

Der Bundesvorsitzende der „Jungen Alternative“, Damian Lohr, hat angekündigt, die Landesverbände Bremen und Niedersachsen aufzulösen, weil diese von den Verfassungsschutzämtern überwacht werden. Ein Blick auf die Jugendorganisation der AfD in Lohrs Landesverband zeigt: Auch hier stehen demokratische Werte und Abstand zu Verfassungsfeinden nicht hoch im Kurs.

Mittwoch, 05. September 2018
Fabian Jellonek

Er intoniert nicht mit. Insofern alles gut“, entschuldigt der AfD-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz Uwe Junge gegenüber dem SWR das Demo-Verhalten seines Kollegen aus der Landtagsfraktion Damian Lohr. Der Bundesvorsitzende der „Jungen Alternative“ war im März bei einer Demonstration in Kandel neben einem Block gesichtet worden, der typische Parolen der „Identitären Bewegung“ grölte. Intensive Recherchen im Nachgang der Demo haben inzwischen ergeben: Der vermeintlich „identitäre“ Block in Kandel, mit den typischen Sprechchören und der schwarz-gelben Farbgebung bestand maßgeblich aus Mitgliedern der „Jungen Alternative“ Rheinland-Pfalz. Das Frontbanner des Blocks trägt zeitweise der stellvertretende Vorsitzende der JA Rheinland-Pfalz Justin Cedric S., und der, das belegen Videos, intoniert durchaus mit.

Auch andere JA-Mitglieder sind während der Demonstration immer wieder hinter dem Frontbanner des vermeintlich „identitären“ Blocks zu sehen, so zum Beispiel Vorstands-Mitglied Pascal B. Man kann den Eindruck haben, der rheinland-pfälzischen Jugendorganisation der AfD ist es an diesem Tag wichtiger, den Anschein zu erwecken, die „Identitäre Bewegung“ beteilige sich zahlreich an dem Aufmarsch, als die eigene Organisation sichtbar zu machen.

An Demos mit „Jungen Nationalisten“ beteiligt

Justin Cedric S. beteiligte sich nicht nur in Kandel lautstark an Sprechchören. Im Herbst 2017 besuchte er die Frankfurter Buchmesse, genauer gesagt die Veranstaltung des Antaios-Verlags von Götz Kubitschek, die anschließend tagelang und bundesweit in der Presse diskutiert wurde. Der stellvertretende JA-Landesvorsitzende war hier nicht nur Zuschauer, sondern nahm im Verlauf des Geschehens eine aktive Rolle ein: Als eine antifaschistische Gruppe Plakate gegen die Veranstaltung hochhielt, attackierte S. als erster den Protest und riss den Aktivistinnen und Aktivisten die Plakate aus der Hand. Im Nachgang rühmte sich S. für seine Tat im „Arcadi-Magazin“, einer neurechten Zeitschrift, die einen regelrechten Starkult um Protagonisten der „Identitären Bewegung“ betreibt.

Wenig Berührungsängste zu Rechtsextremen zeigen auch die Mitglieder im rheinland-pfälzischen Landesvorstand der „Jungen Alternative“ Pascal B. und Cornelius P. Beide beteiligten sich an rechten Demonstrationen in Mainz, bei denen auch Mitglieder des NPD-Jugendverbands „Junge Nationalisten“ dabei waren. Pascal B. vertrat bei einer dieser Veranstaltungen seinen Ludwigshafener Mitstreiter Vincent R. Dieser stellt nach seinen Demo-Teilnahmen Videos auf YouTube unter dem Namen „Deutscher Patriot“ ein. Als R.  nach eigener Auskunft von der Polizei „wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, weil ich mein Pfefferspray dabei hatte“ am Besuch der rechten Demo gehindert wird, springt der Beisitzer im JA-Landesvorstand ein und filmt für ihn.

„Schleichender Beginn einer Patriotenverfolgung“

Ältere Videos des „Deutschen Patrioten“ sind mit einem Intro versehen, in dem sich AfD-Logo, Abwandlungen der Reichskriegsflagge und „Good Night Antifa Scum“-Bildchen abwechseln – eine Bildsprache, die ebenso wenig Demokratieverständnis offenbart wie R.s Videos, in denen er über eine bevorstehende Verhaftung Angela Merkels schwadroniert. 

Eine bemerkenswerte juristische Einschätzung gibt auch der Schriftführer der „Jungen Alternative“ Rheinland-Pfalz Robin Classen ab. Classen schreibt nicht nur Protokolle, sondern auch für die „Blaue Narzisse“, einem radikalen Blog im Spektrum der Neuen Rechten. Classen äußert sich auf dem Blog unter anderem zum Urteil im NPD-Verbotsverfahren. Dieses hält er für ein „verheerendes Signal“. Nicht etwa, weil die rechtsextreme Partei fortbestehen kann, sondern wegen der Begründung der Richter, die der Partei Verfassungsfeindlichkeit attestieren. Classen empört sich über die Kritik des Gerichts an NPD-Forderungen wie „Sonderklassen für ausländische Schüler, eine Auskoppelung von Ausländern aus der Sozialversicherung, kein Kindergeld für Ausländer, Wiedereinführung des ius sanguinis (Abstammungsprinzip), Ausländerrückführungsprogramm“, die offensichtlich auch seine eigenen sind. Classen hat das „ungute Gefühl“, dass das Urteil „der schleichende Beginn einer Patriotenverfolgung mit einer bislang in diesem System ungekannten Repressionsintensität“ sein könnte.

„Leute wir befinden uns im Endkampf“

Unabhängig von der Demokratieferne des rheinland-pfälzischen Landesverbands der „Jungen Alternative“ steht längst nicht fest, dass sich Lohr mit seinem Vorhaben, die nun ins Visier der beobachtenden Behörden geratenen Landesverbände bei einem außerordentlichen Bundeskongress aufzulösen, durchsetzt. Im Netz wird Lohr bereits von verschiedenen Seiten als „Verräter“ beschimpft und auf eine Stufe mit der verhassten ehemaligen AfD-Vorsitzenden Petry gestellt. Der in der „Jungen Alternative“ einflussreiche AfD-Politiker Dubravko Mandic sammelt auf seiner Facebook-Seite bereits mit martialischen Worten die Kräfte: „Leute wir befinden uns im Endkampf“, schrieb er am Montagnachmittag.

Damian Lohr hat angekündigt, dass er seinen Posten als Bundesvorsitzender räumen will, wenn er sich nicht durchsetzt. Wer könnte ihm folgen? Seine Wahl zum Vorsitzenden gewann er gegen den Baden-Württemberger Reimond Hoffmann. Hoffmann stellte am Montag vergangene Woche eigens produzierte Livestreams ins Netz. Von einer Neonazi-Demo in Chemnitz mit bekanntem Ausgang.

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