"Sezession"
Demokratieauffassungen der Neuen Rechten und bei einem geistigen Vorbild
Alain de Benoist und Erik Lehnert, ein alter und neuer Neuer Rechter, kritisieren den Parlamentarismus in der „Sezession“. Dabei stützen sie sich auf Carl Schmitt, der Demokratie und Diktatur im Einklang sah. Dieser gilt als „Klassiker“ der Neuen Rechten.
Man muss die „Klassiker“ der Neuen Rechten kennen, will man ihre eigentlichen Positionen und Zielsetzungen verstehen. Dies macht auch die Berufung auf „Demokratie“ deutlich, wie die jüngst erschienene „Sezession“ vom Dezember veranschaulicht. Das Blatt wird nun von einer „Metapolitik VerlagsUG“ herausgegeben, vertreten durch Erik Lehnert, den ehemaligen Geschäftsführer des „Instituts für Staatspolitik“. Er und Alain de Benoist, der bekannteste Akteur der französischen Neuen Rechten, äußern sich dort zu „Demokratie“, wobei sie diesen Begriff für ihre eigene Gesinnung vereinnahmen wollen.
Dafür betonen beide den angeblichen Gegensatz zum Liberalismus und Parlamentarismus. Die Argumentation ist altbekannt, stammt sie doch von Carl Schmitt. Lehnert erwähnt den NS-belasteten Staatsrechtler gleich fünfmal, Benoist nur einmal. Dessen Auffassungen prägen aber ersichtlich beide in einem konstitutiven Sinne. Dass diese mit der Bejahung einer Diktatur einhergingen, wird aber weder von Benoist noch von Lehnert problematisiert.
Homogenität und Identität als Ideale
Zunächst beklagt der Letztgenannte, dass die AfD ausgegrenzt werde. In seinem Artikel „Parlamentarismus und Demokratie“ verweist er darauf, dass sie nicht an der Regierung beteiligt würde, obwohl sie die meisten Stimmen bekommen habe. Noch nicht einmal das Amt eines Bundestags- oder Landtagsvizepräsidenten erhalte die Partei. Diese Aussagen stimmen, gleichwohl ignorieren sie einen schlichten Sachverhalt: Man braucht dazu eine Mehrheit im Parlament, worüber die AfD nun eben in keinem Fall verfügt. Anschließend referiert und zitiert Lehnert dann Schmitt ausführlicher:
„Das Prinzip des Parlamentarismus sei die Diskussion, das der Demokratie die Identität von Regierten und Regierung sowie nationale Homogenität“. Doch Homogenität und Identität schließen auch Opposition und Pluralismus aus. In „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ (1926) schrieb Schmitt: „Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen“.
Liberale versus organische Demokratie
Das war eine deutliche Positionierung bei dem Staatsrechtler, die aber trotz seiner Kenntnis nicht von Lehnert thematisiert wurde. Auch Benoist geht in dem folgenden Gespräch auf derartige Konsequenzen nicht ein. Er stellt sich selbst als überzeugten Demokraten vor, da das Volk eine zentrale Rolle spielen solle, während er selbst die liberale Idee ablehne. Diese sei am Individuum orientiert, nicht am Kollektiv. So etwas ist formal sogar richtig, aber anders gemeint.
Damit Benoist seine Deutung weiter vertreten kann, bemerkt er sogar: „Nichtbürgern die gleichen Rechte wie Bürgern zuzugestehen ist eine eindeutig antidemokratische Maßnahme“. Doch ist dem in Deutschland oder Frankreich in der Realität auch so? Nur Bürger können wählen, Nicht-Bürgern ist dies verwehrt. Mit einfachen Beispielen lässt sich die Positionierung schnell widerlegen. Benoist stellt dann später „den Unterschied zwischen einer organischen, substantiellen Demokratie und einer liberalen, prozeduralen, theoretisch repräsentativen Demokratie“ gegenüber.
Diktatur demokratischer als Parlamentarismus?
Damit wird ein identitäres gegen ein pluralistisches Demokratieverständnis gestellt, wofür Schmitt eben ausführlich warb. Er behauptete bezogen auf Demokratie und Diktatur einen möglichen Einklang, der bei Demokratie mit Liberalismus und Parlamentarismus nicht möglich sei. In dem erwähnten Buch schrieb Schmitt: „Bolschewismus und Faschismus … sind wie jede Diktatur zwar antiliberal, aber nicht notwendig antidemokratisch.“
Und weiter hieß es dort: „Von einer nicht nur im technischen, sondern auch im vitalen Sinne unmittelbaren Demokratie erscheint das aus liberalen Gedankengängen entstandene Parlament als eine künstliche Maschinerie, während diktatorische und zäsaristische Methoden nicht nur von der acclamatio des Volkes getragen, sondern auch unmittelbare Äußerungen demokratischer Substanz und Kraft sein können“. Diktatur sei demokratischer als Parlamentarismus. Ebenso sehen dies offenbar die Akteure der Neuen Rechten, ansonsten könnten sie sich kaum auf die Demokratieauffassung von Schmitt berufen.