Else-Frenkel-Brunswik-Institut

Demokratie in Sachsen – und wie diese gestärkt werden kann

Das Else-Frenkel-Brunswik-Institut stellte heute seinen Jahresbericht über den Stand der Zivilgesellschaft und zu antidemokratischen Bewegungen in Sachsen vor. Von den gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen soll vor allem die Zivilgesellschaft in Sachsen profitieren.

Donnerstag, 31. März 2022
Florian Schäfer
Johannes Kiess, Oliver Decker und Fiona Kalkstein bei der heutigen Präsentation des Jahrbuches.
Johannes Kiess, Oliver Decker und Fiona Kalkstein bei der heutigen Präsentation des Jahrbuches.

Das 2020 an der Universität Leipzig eingerichtete und nach der Psychoanalytikern Else Frenkel Brunswik benannte Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, demokratiefeindliche Einstellungen, Strukturen und Bestrebungen im Freistaat Sachsen zu erforschen und zu dokumentieren. Die daraus gewonnen Erkenntnisse werden im Anschluss gezielt für zivilgesellschaftliche Gruppen aufgearbeitet und diesen zur Verfügung gestellt.

Im jüngst veröffentlichten ersten Jahrbuch werden die Ergebnisse für das Jahr 2021 festgehalten. Der Fokus liegt dabei zum einen auf Untersuchungen und Analysen zu Einstellungen gegenüber der Demokratie, sowie zum anderen auf Analysen zu extrem-rechten sächsischen Bewegungen und deren Mobilisierung. Der besondere Charakter des Buches besteht darin, dass wissenschaftlich-analytische Beiträge mit lokalen zivilgesellschaftlichen kombiniert werden. Auf diesem Wege soll ein Austausch zwischen beiden Bereichen ermöglicht werden, an dessen Ende eine gut informierte Wissenschaft und eine wissenschaftlich informierte zivilgesellschaftliche Demokratiearbeit stehen sollen.

Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit extrem-rechten Phänomenen

Instituts-Direktor Oliver Decker verortete eingangs die Forschungsfelder des EFBI. Neben der Dokumentation rechter Strukturen, insbesondere auch im Social-Media-Bereich, gehe es auch darum, extrem rechte Strategien und Themen sowie deren Verankerung in der Bevölkerung zu erforschen. Sinn- und Bedeutungsstrukturen, gesellschaftliche Dynamiken der Polarisierung sollen vollumfänglich verstanden werden, um daraus Handlungsanweisungen für demokratische Initiativen abzuleiten. Am Beispiel der sächsischen Kreisstadt Wurzen und einer idealtypischen Einteilung des zivilgesellschaftlichen Engagements hinsichtlich des Verhältnisses zu Rechtsextremismus stellt sich so zum Beispiel die Frage, wie auf „die distanzierten Neutralen“ zivilgesellschaftlich Einfluss genommen werden kann.

Auszug aus dem Jahrbuch, Foto: Screenshot
Auszug aus dem Jahrbuch, Foto: Screenshot

Die beiden stellvertretenden Direktor:innen, Fiona Kalkstein und Johannes Kiess, stellten ebenfalls zwei Beiträge des Sammelbandes vor. Kalkstein sprach über die stark in der lokalen Politik verankerte, evangelikale Lebensschutzbewegung im Erzgebirge und die sich daraus ergebenen Konflikte um die Themenbereiche Gewaltschutz, Frauenberatung und Abtreibung. Kiess setzte sich mit der Frage auseinander, wie die Wahlergebnisse rechter Parteien in Sachsen zu erklären sind. Neben dem Erklärungspotential sozial-, wirtschafts- und infrastruktureller Daten wären es vor allem die Faktoren „Religion“, „Engagement vor Ort“, die „früheren Wahlergebnisse“ und „regionale Besonderheiten“, die in eine Betrachtung einbezogen werden müssten.

Im engen Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren

Dem Charakter des Jahrbuchs entsprechend wurden zum heutigen Pressegespräch auch zwei zivilgesellschaftliche Akteure eingeladen, welche ihre Beiträge ebenfalls kurz vorstellten. Paul Zschocke vom Dokumentationsportal chronik.LE sprach zum Thema rechte Raumnahme. Statt die „feindselige Normalität“ zu akzeptieren, gelte es, die reflexive Stadtgesellschaft zu unterstützen, die Perspektive der Betroffenen rechter Gewalterfahrungen zu stärken und eine nachhaltige Vernetzungsarbeit auszubauen, um eine weitere rechte Raumnahme zu verhindern.

Andrea Hübler von der Opferberatungsstelle RAA Sachsen wies auf zwei bemerkenswerte Ereignisse hin, die sich aus ihrer letzten, vor wenigen Wochen veröffentlichten Statistik, ergaben. Zum einen der Anstieg von Gewalttaten im Kontext der Corona-Pandemie, deren polizeiliche Einordnung nur in den seltensten Fällen als 'PMK rechts' erfolgte. Zum anderen die besorgniserregende Entwicklung in den Landkreisen Nordsachsen und Zwickau. Andere Beiträge aus dem zivilgesellschaftlichen Spektrum setzen sich unter anderem mit der Analyse der Immobiliennutzung durch extrem-rechte Akteure oder auch mit der ideologischen Landnahme der völkischen Bewegung in Sachsen auseinander.

Das Jahrbuch kann über den Überland-Verlag bezogen oder auf der Website heruntergeladen werden.

Kategorien
Tags
Schlagwörter