Erfurt
Demo: AfD Thüringen will in „heißen Herbst“ starten
Mit einem ersten Aufmarsch in Erfurt startet die AfD ihre Kampagne „Heißer Herbst“. Die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nutzt der Landesverband, um Netzwerke, die er seit Jahren aufgebaut und gepflegt hat, für den Protest auf der Straße zu reaktivieren.

Mit einem Aufmarsch unter dem Motto „Zuerst unser Land. Leben muss bezahlbar sein“ will die „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Thüringen am Mittwoch die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine für ihre Zwecke vereinnahmen. Einen solchen Aufmarsch „gegen die hohen Energiepreise“ hatte Landeschef Björn Höcke bereits im Sommerinterview des MDR Mitte August angekündigt. Darin sprach er von einem „Wirtschaftskrieg der Biden-USA gegen Deutschland", setzte Putins Angriffskrieg auf die Ukraine mit „völkerrechtswidrigen Kriegen der USA“ gleich und sprach sich für eine engere Partnerschaft mit Russland aus.
Höcke ließ offen, ob die Partei bei den angekündigten Aufmärschen selbst als Veranstalter auftreten würde oder als „solidarische Aktion mit weiteren Spaziergängern". Bezeichnenderweise ruft die Partei neben der Mobilisierung für den 21. September nach Erfurt nun auch zur Unterstützung der regionalen Aufmärsche auf und versucht, ihren ohnehin großen Einfluss auf die als „Spaziergänge“ titulierten regionalen Aufmärsche weiter auszubauen.
Ein Prozent empfiehlt der AfD Rolle des Vermittlers
Bewusst verzichtet der Landesverband auf einen Aufmarsch an einem Montag und appelliert, „an den friedlichen Montagsdemos der außerparlamentarischen Opposition teilzunehmen, die sich in vielen Orten Thüringens gegen die gleichen Missstände richten“. An derartigen Aufmärschen hatten allein am 13. September in rund 30 Orten in Thüringen insgesamt etwa 15.000 Personen teilgenommen, darunter auch Teile der Neonazi-Szene wie etwa das Netzwerk „Freies Thüringen". Es gehört seit Ende 2021 zu Mobilisierungsmotoren für die Aufmärsche, die sich vermeintlich gegen die Corona-Maßnahmen richten.
Mit dem Appell folgt die AfD den Empfehlungen des extrem rechten Netzwerkprojekts „Ein Prozent“. Dessen Vereinsvorsitzender Philip Stein und Benedikt Kaiser, Lektor des Antaios-Verlags um Götz Kubitschek und Redakteur der „Sezession“ aus dem „Institut für Staatswissenschaft“ (IfS), hatten der AfD bereits vor zwei Monaten in einem Podcast empfohlen, Geschlossenheit zu zeigen, sich nicht an die Spitze der regionalen Proteste zu setzen, wohl aber als Vermittler und Verstärker der Mobilisierung aufzutreten.
Von GEZ bis hin zur „Massenzuwanderung“
Mit seinem Aufruf knüpft der Thüringer Landesverband an die Aufmärsche der von der damaligen Bundesvorsitzenden Frauke Petry ausgerufenen „Herbstoffensive“ 2015 und 2016 an. Die AfD im Freistaat nahm sich ein Beispiel an der islamfeindlichen und rassistischen Pegida in Sachsen und brachte bis zu 8.000 Personen auf die Straßen der Landeshauptstadt.
Unverzichtbar sind für die Mobilisierung die Netzwerke der radikalisierten „Querdenker“-Szene. Dies zeigt sich, wenn die Landessprecher Björn Höcke und Stefan Möller in ihrem aktuellen Aufruf von einer „Ausgrenzung von Ungeimpften oder Oppositionellen“ fabulieren. Auch Forderungen im Aufruf wie die Beendigung einer angeblichen Zensur in den sozialen Medien und die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie das Gerede von einer „Massenzuwanderung in das Sozialsystem“ zielen auf das diffuse Milieu, das schon Pegida zeitweise zum Erfolg verholfen hatte.
„Fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“
Die „Querdenker“-Szene und ihre Gruppierungen gehören in Thüringen zu einem Netzwerk von rechten Initiativen und Bündnissen, deren Echokammern die Kampagne und Aufmärsche der AfD weiter stützen und bewerben könnten. Auch Höckes alter Bekannter Götz Kubitschek vom IfS ist überzeugt von „einer Arbeitsteilung, die unabgesprochen funktioniert, weil sie so naheliegt“. Er fordert von der Partei: „Die AfD muß dort sein, wo sich Kreise für sie öffnen, die das von sich selbst nie dachten. Sie hat alles Recht dazu und muß es selbstbewußt in Anspruch nehmen. Denn sie hat noch nie dazugehört und hat sich noch nie am Auffächerungstrick der Parteien in Regierung und Scheinopposition beteiligt“.
In Thüringen hat es die AfD in der Zeit ansteigender Migrationszeit und während der Pandemie mit ihrem Agieren als „fundamentaloppositionelle Bewegungspartei“ geschafft, diese Bündnisse zu festigen und auszuweiten, um sie bei Bedarf zu reaktivieren. Es steht zu befürchten, dass sich dies auch jetzt wiederholen könnte, immerhin lag die Thüringer AfD bei einer Wahlumfrage des „Institut Wahlkreisprognose“ im September bei 28 Prozent. Diese Befürchtungen teilt auch das Erfurter Bündnis „Auf die Plätze“ und ruft für Mittwochnachmittag dazu auf, „gegen die menschenfeindliche Hetze der AfD auf die Straße zu gehen“.