David Engels: Gegen Europas Niedergang und das politische System
Der belgische Althistoriker David Engels veröffentlicht in „Cato“, aber auch in „Cicero“ oder „Sezession“. Seine Aussagen zu Europas Niedergang münden in einem Plädoyer gegen Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates. Mit einem demokratischen Konservativismus hat dies nichts mehr zu tun.
Der belgische Althistoriker David Engels, Professor an der Université libre de Bruxelles, hat eine Fülle von Monographien veröffentlicht. Dazu gehören nicht nur wissenschaftliche Bücher, sondern auch politische Streitschriften. Denn Engels versteht sich durchaus als ideologischer Kommentator, wie etwa seine Beiträge in „Cato“ zeigen. Das Magazin gehört zur Neuen Rechten, gibt sich aber gemäßigter als etwa die „Sezession“.
Engels neigt wohl auch der Konservativen Revolution der Weimarer Republik zu. Zumindest teilt er die Geschichtsphilosophie von Oswald Spengler, gründete er doch 2017 die „Oswald Spengler Society“ mit. Indessen ist dieser Denker nicht nur wegen seiner doch eindimensionalen und platten „Morphologie der Weltgeschichte“ umstritten, denn er trat auch für eine „cäsaristische Diktatur“ ein und sah in der parlamentarischen Demokratie „Landesverrat“. Auch Engels hat mit dem politischen Liberalismus seine Probleme. Für Europa beklagt er einen kulturellen und sozialen Niedergang. Dazu stellt sich Engels die Frage: „Was tun?“
„Notfalls gegen Staat und Mehrheitsgesellschaft“
Seine Antworten werden in einem gleichnamigen Buch mit dem Untertitel „Leben mit dem Niedergang Europas“ (Renovamen-Verlag, Bad Schiedeberg 2020) formuliert. Gegen die behauptete Entwicklung des „gegenwärtigen Systems“ zeichne sich auch Widerstand ab: „sei es die Wahl Donald Trumps, der triumphale Wahlsieg Viktor Orbáns, die Revolte der Gelbwesten oder die jüngste Bestätigung der polnischen konservativen Regierung“. Damit sind auch Engels politische Orientierungspunkte genannt.
Die europäischen Gesellschaften hätten ihre prägenden Ideale verraten: „Es ist daher am Einzelnen, das Überleben dieser Ideale zu sichern, notfalls gegen Staat und Mehrheitsgesellschaft“. Demnach ist Engels schon bewusst, dass er nicht für die „schweigende Mehrheit“ sprechen kann. Nach ihm sollten sich Gemeinden von Gleichgesinnten im Widerstand bilden. Dadurch könnten durch eine so gemeinte Avantgarde christliche Identität und europäische Werte verteidigt werden. Man streite gegen einen Einheitsstaat im totalitären Sinne.
„Den Staat als ultimatives identitäres Identifikationsmodell aufgeben“
Es gelte, „das Ende der gegenwärtigen, offensichtlich zunehmend handlungsunfähigen politischen Ordnung zu wünschen“. Man müsse zeigen, „dass ein Widerstand gegen die gegenwärtige und gesellschaftliche Ordnung tatsächlich besteht und es wagt, den Worten auch Taten folgen zu lassen“. Anzustreben sei letztendlich der „Entscheidungskampf, der dann ausbrechen wird, wenn all das Morsche, das heute schon wankt, ganz eingestürzt sein wird“. Engels empfiehlt bilanzierend: „den Staat als ultimatives identitäres Identifikationsmodell aufgeben; eine neue zivile Ordnung als Parallelgesellschaft zur niedergehenden europäischen politischen Struktur erreichten ...“.
Derartige Aussagen könnten gar als Gewaltaufforderung verstanden werden, gleichwohl formuliert Engels so etwas nicht als Konsequenz. Deutlich wird indessen, dass es ihm nicht nur um eine Kritik an angeblichen oder tatsächlichen kulturellen und politischen Niedergangstendenzen geht. Er will längerfristig die bestehenden demokratischen politischen Strukturen überwinden.
Wohl schwerlich noch ein demokratischer Konservativer
Diese Auffassungen formulierte er auch an anderen Stellen aus. In der erwähnten „Cato“ (Nr. 2/2020) veröffentlichte Engels ein Lob der polnischen Regierung mit dem Titel „Der Wille der Bürger“, worin es um Einschätzungen der von ihr beabsichtigten Justizreform ging. Die Demokratie in Europa, so Engels, leide unter der Fehlentwicklung des Rechtssystems: „Bereits die Theorie der Gewaltenteilung, die sich vor allem aus der amerikanisch-republikanischen Verfassungstradition herleitet, entfernt sich von der echten Demokratie …“. Engels wendet gegen Kritik der polnischen Regierung ein, sie könnten ihr nicht verzeihen, dass sie „eine moderne Gesetzgebung auf Naturrecht und göttlichem Gesetz zu gründen“ versuche. Derartige Auffassungen haben indessen mit den Grundlagen eines demokratischen Verfassungsstaates wenig zu tun. Dadurch wird deutlich, dass es sich bei den erwähnten Ausführungen nicht um verbale „Ausreißer“ handelte. Engels kann wohl schwerlich noch dem demokratischen Konservativismus zugerechnet werden.