Yeboah-Prozess
Das Schweigen des Neonaziführers
Im Prozess um den rassistischen Mord an Samuel Yeboah vor fast 32 Jahren in Saarlouis war am Montag der langjährige Neonaziführer Peter St. als Zeuge geladen. Doch der 54-Jährige verweigerte die Aussage. Ein Szeneaussteiger, den der Angeklagte kürzlich überraschend zum Haupttäter erklärt hatte, fand dagegen klare Worte.
Drei überzeugte Neonazis sitzen zusammen, saufen und reden sich die Köpfe heiß. Über die wachsende Zahl an Geflüchteten. Über den rassistischen Mob, der sich vor allem im Osten Deutschlands gegen diese Menschen formiert. Über rechte Anschläge und Ausschreitungen. Und darüber, dass man doch auch mal etwas tun müsse, hier ganz im Westen, in Saarlouis. Wenige Stunden später brennt in der saarländischen Kleinstadt eine Geflüchtetenunterkunft. Samuel Kofi Yeboah, 27 Jahre alt und aus Ghana, stirbt am frühen Morgen des 19. September 1991 in den Flammen.
Doch es dauert drei Jahrzehnte, ehe das Treffen in der Kneipe „Bayrischer Hof“ von den Ermittlungsbehörden als das wahrgenommen wird, was es mutmaßlich war: das Vorspiel zu einem rassistischen Mord. Seit rund einem halben Jahr muss sich Peter S., einer der drei Männer, wegen des Brandanschlags vor dem Oberlandesgericht in Koblenz verantworten. Und immer mehr geraten nun auch seine beiden Kameraden aus der Kneipe in den Fokus.
Angeklagter nur daneben gestanden?
Denn nachdem der angeklagte Ex-Neonazi-Skinhead zunächst jegliche Tatbeteiligung bestritten hatte, legte er vor zwei Wochen überraschend ein Geständnis ab. Er sei bei dem Anschlag dabei gewesen, räumte der 52-Jährige über seinen Verteidiger Guido Britz ein, die treibende Kraft aber sei ein anderer gewesen: Heiko S. habe unbedingt noch in derselben Nacht losschlagen wollen, habe das Benzin besorgt, im Treppenhaus der Unterkunft verschüttet und angezündet. Während er, der Angeklagte, lediglich daneben gestanden habe.
In der vergangenen Woche erschien dann der so Beschuldigte im Zeugenstand und konterte. „Das ist gelogen“, sagte Heiko S. und erklärte: Er sei – anders als seine beiden damaligen Gesinnungsgenossen – bereits Mitte der neunziger Jahre aus der rechten Szene ausgestiegen und habe deswegen bei Peter S. & Co. als „Verräter“ und „linke Zecke“ gegolten. Weswegen ihm nun wohl der Mord in die Schuhe geschoben werden solle.
„Sehr gefährlich“
Insbesondere vor einem Mann will der 51-Jährige nach seinem Ausstieg Angst gehabt haben: vor Peter St., damals und auch viele Jahre später noch der unangefochtene Anführer der Neonazi-Szene in der Region. Peter St. gründete die braune „Kameradschaft Horst Wessel – Saarlautern“, die bis zu ihrer Auflösung Mitte der 2000er-Jahre regelmäßig bei rechten Demonstrationen bundesweit aufmarschierte. Er betrieb einen einschlägigen Versandhandel und den Szeneladen „Studio 88“ in Neunkirchen/Saar. Und auch heute soll der ergraute 54-Jährige mit dem etwas zerzausten Vollbart noch immer von seinem einstigen Renommee in der extremen Rechten zehren. Öffentlich freilich tritt er nur als Fotograf verlassener Orte in Erscheinung, mit einem gutbesuchten Instagramprofil.
Heiko S. hält den Mann aus Saarlouis, der im „Bayrischen Hof“ der Dritte im Bunde gewesen war, nach wie vor für „sehr gefährlich“. Und er betonte: Niemals hätte er Peter St. damals hintergangen, niemals irgendetwas gegen dessen Willen unternommen. Genau das aber hatte der Angeklagte in seinem Geständnis behauptet: Der Anführer, mit dem er auch heute noch befreundet ist, sei strikt gegen Brandanschläge gewesen und habe deswegen nichts von der mörderischen Tat erfahren dürfen. Am Montag nun musste Peter St. selbst als Zeuge vor dem Koblenzer Staatsschutzsenat erscheinen. Doch statt seine Version der Dinge zu präsentieren, machte er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch – in Deutschland muss sich niemand vor Gericht selbst belasten.
Abgehörtes Telefonat
„Selbst die Frage, ob mein Mandant Herrn S. kennt, ließe Rückschlüsse auf eine mögliche Tatbeteiligung zu“, sagte sein Anwalt Wolfgang Stahl, bekannt geworden als Verteidiger von Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess. Gegen Peter St. wird derzeit zwar nicht ermittelt. Die Bundesanwaltschaft zitiert ihn in ihrer Anklage gegen Peter S. jedoch mit einem Satz, der von einer Anstiftung zum Mord nicht allzu weit entfernt scheint: Auch in Saarlouis, soll er beim Besäufnis vor dem Anschlag verkündet haben, müsste „mal sowas brennen“.
Was der langjährige Neonazi-Führer wohl gesagt hätte, wenn er es nicht vorgezogen hätte zu schweigen, war dann allerdings doch noch zu hören. Der Staatsschutzsenat spielte ein abgehörtes Telefonat ab, in dem Peter St. in einem schier endlosen Monolog seine Unschuld und seine Ahnungslosigkeit beteuerte. „Ich war offener, bekennender Nationalsozialist, da mache ich gar kein Hehl draus“, sagte er. Jetzt aber habe er Angst, unschuldig eingesperrt zu werden. „Das ist Psychoterror!“ Am liebsten, behauptete er, würde er einfach zu seinem Freund Peter S. gehen, ihn packen und schütteln: „Wenn du es tatsächlich warst, ohne mein Wissen, dann wäre es jetzt Zeit, das zu sagen.“
„Feuerteufel“
Gerichtet war dieses Plädoyer in eigener Sache indes wohl weniger an seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. Sondern an die Ermittler*innen: Als Peter St. zu seiner Verteidigungsrede ansetzte, wusste er bereits, dass er abgehört wurde.
Am Dienstag wird der Prozess fortgesetzt. Geladen ist unter anderem eine Frau, die ebenfalls in der rechten Szene unterwegs war, vor Peter St. jedoch offenbar nicht mehr allzu viel Angst hat. Im Ermittlungsverfahren soll sie jedenfalls freimütig von einem Treffen vor 20 Jahren berichtet haben, bei dem der Kameradschaftsführer den Angeklagten als „Feuerteufel“ bezeichnet habe. Es soll nicht als Tadel gemeint gewesen sein.