Jürgen Elsässer
Das „Compact-Magazin“: „Ami-go-Home-Großdemo“ und Kampagnen-Journalismus
Am Samstag findet in Leipzig eine „Ami-go-Home-Großdemo“ statt, für die auch eine Kundgebung vor dem US-Generalkonsulat angekündigt wird. Ein Blick auf die Agenda von Jürgen Elsässer und das selbsternannte „stärkste deutschsprachige politische Medium im Kampf gegen die Neue Weltordnung der globalen Eliten.“
Es verwundert daher nicht, dass hinter der Mobilisierung und Organisation der Demonstration federführend das „Compact-Magazin“ respektive dessen Chef Jürgen Elsässer stecken. Antiamerikanismus ist für Elsässer nicht neu. Schon als Aktivist in der linksradikalen Szene und als Kommunist war er ein Gegner der USA. Ab ungefähr 2010 dockte er immer mehr rechtsaußen an. Seinerzeit war er Mitbegründer des „Compact-Magazins“ und nach Auftreten der AfD 2013 sowie im Zuge der rechtsesoterischen und verschwörungsideologischen „Friedensmahnwachen“ 2014 führte ihn sein Weg weiter in den rechten Aktionismus.
Elsässer bändelte mit Protagonisten im Rechtsaußen-Spektrum an, etwa mit Björn Höcke und Andreas Kalbitz. Seine Monatszeitschrift sowie Formate wie „Compact-Online“ und „Compact-TV“ wurden zu wichtigen Medien in jenen Kreisen. Boulevardesk, emotionalisierend und zuweilen im Krawallstil eines Donald Trump agieren Elsässer und sein Magazin. Rechtliche Schritte oder Niederlagen in Gerichtsprozessen werden zu Opfer-Erzählungen oder zusätzlichen Werbekampagnen umgemünzt. Angeschlossen sind ein Verlag und ein Versandhandel.
Sprachrohr der Bewegung
Chefredakteur Elsässer hat „Compact“ zu einem wichtigen rechtsextremen Leitmedium in Deutschland ausgebaut. Wegen früherer Inhalte und Elsässers Werdegang gilt die Zeitschrift aber auch weiterhin als Querfront-Magazin. Sinnbildlich für die angestrebte Art der Querfront steht die Ausgabe 12/2022. Das Cover schmückt Sahra Wagenknecht („Die beste Kanzlerin“). Im Innenteil lobt Elsässer die umstrittene Linken-Politikerin, sie „könnte mit einer eigenen Partei bis zu 30 Prozent abräumen. Zusammen mit der AfD würde das zu einer Querfront-Mehrheit reichen.“ Wagenknecht, schwärmt Elsässer, sei „die nationalste Versuchung, seit es Sozialismus gibt.“
Der Wahl-Brandenburger war einst in linksradikalen und kommunistischen Gruppen aktiv und arbeitete für Medien wie „junge Welt“, „Jungle World“, „Konkret“ und „Neues Deutschland“. Seit Dezember 2021 listet der Bundesverfassungsschutz das „Compact-Magazin“ nun als gesichert rechtsextrem. Um die Geschichte und den Aktionismus zu verstehen, hilft ein Blick in Elsässers Autobiografie „Ich bin Deutscher. Wie ein Linker zum Patrioten wurde“. Im Leben des Mittsechzigers gibt es dabei seit Ende der Pubertät mutmaßlich nur wenige Konstanten. Eine davon ist sein steiniger Pfad hin zur irgendwie antikapitalistischen, vor allem aber antiamerikanischen Revolution und die Hoffnung auf einen Umsturz.
Daueraktivist, Oberlehrer und Unternehmer
Elsässers zweite Konstante ist die, dass er als ehemaliger Lehrer dazu neigt, alles besser wissen zu wollen. Scheitern Revolutionen, scheitert der Umsturz, scheitern Splittergruppen oder Parteien und scheitern Medien, dann hat der Stratege es zuvor schon geahnt oder gewusst. Indes blieben seine Warnungen unerhört. Elsässer betreibt in diesem Sinne seit Jahrzehnten ein Hopping zwischen Bewegungen, Parteien und führenden Aktivisten.
Eine weitere Konstante ist die des Publizisten oder Journalisten, wobei beides formal richtige, vom Aktionismus her gesehen aber falsche Berufsbeschreibungen sind. Elsässer ist Daueraktivist, weswegen er nicht nur ein Verschwörungs-, sondern auch ein Bewegungsunternehmer ist. Hinzu kommt eine weitere Konstante, nämlich der Drang zur Selbstdarstellung. Elsässer eckt deswegen zuweilen an, wird manchmal nicht glücklich mit Mitstreitern und Partnern – außer beim eigenen Magazin.
Investment gegen die USA
Auf seinem Telegram-Kanal teilte „Compact“ kürzlich mit, „Ami go home“ sei das Motto „unserer nächsten großen Kampagne, die wir mit den wichtigsten Köpfen des Widerstands durchführen.“ Die Demonstration am Samstag ist ergo ein wichtiger Teil der Kampagne. Werbematerialien und Banner waren schon auf Versammlungen des rechten Spektrums zu sehen. „Die Kampagne kostet uns über 25.000 Euro“, hieß es weiter in dem Telegram-Posting. Im Jahresrückblick in der aktuellen Ausgabe heißt es, man sei der „Motor der Opposition“ und die „Ami-go-home-Kampagne mit Großdemonstrationen in verschiedenen mitteldeutschen Städten“ sei eine „Kampfansage an die Besatzer“, die es so „noch nie in der BRD-Geschichte“ gegeben habe. Bescheidenheit bleibt für Elsässer ein Fremdwort.
In den Mediadaten für Werbekunden gibt „Compact“ nicht den Anschein, nur Nachrichten verbreiten zu wollen. Man sei nämlich „das stärkste deutschsprachige politische Medium im Kampf gegen die Neue Weltordnung der globalen Eliten.“ Vor Monaten noch wurde in Medienberichten eine verkaufte Auflage von rund 40.000 Exemplaren genannt. 2016 hätte die Gesamtauflage bei 72.500 beziehungsweise rund 80.000 Exemplaren gelegen. Solche Angaben sind nicht widersprüchlich. Werden Zeitschriften über Grossisten an Tankstellen, Kioske und Bahnhofsbuchhandlungen als Auslegware gestreut, weichen die Angaben zwischen der gedruckten und verkauften Auflage bei vielen Magazinen und Zeitungen oft stark voneinander ab. Die Anzahl unverkaufter Rückläufer ist bei Erscheinen einer jeweils neuen Ausgabe entsprechend hoch.
Goldgräberstimmung in Zeiten der Krise
Im Zuge der Corona-Pandemie und der aktuellen Krisen – siehe Ukraine-Krieg – treten Elsässer und „Compact“ wieder verstärkt als aktionistische Mitwirkende oder Strippenzieher auf. Rund um den Jahreswechsel 2021/2022 organisierten die rechtsextremen „Freien Sachsen“, das Hetzblog „PI News“, die rechte Gewerkschaft „Zentrum“ und die verschwörungsideologische Zeitung „Demokratischer Widerstand“ gemeinsam mit „Compact“ eine „Impfstreik“-Kampagne. In deren Rahmen kam es zu Aktionen mit Flugblättern oder Aufklebern, es fanden auch „Mahnwachen“ vor Krankenhäusern statt.
Krisenzeiten schaffen für Verschwörungsunternehmer eine Goldgräberstimmung. Nach „Querdenken“ und der Debatte um die Impfpflicht greifen die „Compact“-Medien auch den Ukraine-Krieg und dessen gesellschaftliche Folgen auf. Überwiegend folgt man dabei Putins Agenda. Medienberichte, in denen es hieß, Geld über eine russische Stiftung sei vor Jahren unter anderem auch an „Compact“ geflossen, konterte das Magazin im September mit einer Stellungnahme auf seiner Webseite als „Lüge“.
Netzwerken am rechten Rand
Mit besagter Stiftung respektive deren Institut, teilte seinerzeit „Compact“ mit, habe man von 2012 bis 2014 bei der Durchführung von drei Konferenzen lediglich zusammengearbeitet. Elsässer selbst schrieb in seinem Buch: „Findige Mainstream-Reporter wollten uns immer wieder Kreml-Finanzierung andichten – aber sie fanden nie einen Beleg dafür, denn eine solche Finanzierung gab es nie und wird es nie geben. […] Das Kapital, mit dem wir wirtschaften, muss von unseren zufriedenen Kunden und Abonnenten kommen.“ Unterdessen ruft man Unterstützer auch dazu auf, Geld zu spenden.
In ein Treffen auf einem Rittergut in Stößen in Sachsen-Anhalt war vor einigen Wochen auch Elsässer involviert. Kooperiert wurde dabei mit dem früheren AfD-Politiker André Poggenburg, Besitzer des Ritterguts. Zuvor schon hatte dort auch ein „Compact“-Sommerfest stattgefunden.
Zwischen Bewegungs- und Unternehmertum
Bei den Mitarbeitern und Gastautoren kooperiert die Medienmarke offen mit Aktivisten, die in der rechtsextremen Szene aktiv waren oder sind. Als Kolumnist fungiert der Kopf der „Identitären Bewegung“ (IB), Martin Sellner. Paul Klemm von der IB galt zunächst als Autor und Reporter und fungiert nunmehr als Redakteur für die Printausgabe und als „Chef“ von „Compact-TV“. Elsässer scheint bemüht darum, durch jüngere Mitarbeiter neue Zielgruppen und Käuferschichten zu generieren.
Das „Zentrum für die liberale Moderne“ attestierte „Compact“ in einer Analyse: „Durch konjunkturelle Themensetzungen, crossmediale Angebote und Verschwörungserzählungen verbindet das Magazin Compact unterschiedliche politische Milieus. Dabei werden Themen auf Feindbilder zugespitzt und rechtsextreme Inhalte normalisiert.“ Ähnliches dürfte auch auf die neue Kampagne und die Demonstration am Samstag zutreffen. Wobei „Compact“ und Elsässer weiterhin ihr Bewegungs- und Unternehmertum kombinieren.