Dammbruch ins radikale Lager?
In der „Volksliedertafel Dresden“ spielt ein AfD-Politiker neben einem NPD-Anhänger Volksmusik. Weder das, noch den Auftritt in NPD-Kreisen scheint er für unvereinbar zu halten.
Was geht zwischen AfD und NPD? Im Hinblick auf aktuelle Annäherungen zwischen der „Alternative für Deutschland“ (AfD) und Parteien wie der CDU und FDP in Thüringen dürfen Kooperationen ins klassische rechtsextreme Lager nicht außer Acht bleiben. Mindestens unter AfD-Mitgliedern zeigt sich längst die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit NPD, nationalistischen Organisationen oder Kameradschaften. Nicht zuletzt wurde das am Beispiel der „Jungen Alternative“ unter Lars Steinke in Niedersachsen deutlich.
Auch in Sachsen zeigt der AfD-Politiker Jürgen Matthes wenig Berührungsängste zur radikaleren Szene. Matthes wurde in den Stadtrat von Tharandt, einer Kleinstadt nahe Dresden gewählt und sitzt im Ausschuss für Kultur, Erholung und Soziales. Nebenher aber tritt er als engagierter Musiker der „Volksliedertafel Dresden“ in Erscheinung. Bekannt wurde die einschlägige Combo durch ihre Unterstützung mit Volksmusik und Tanz bei Pegida-Aufmärschen oder dem „Europa Nostra“-Spektakel der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ 2018 in Dresden. Dort präsentierten sie sich mit einer Ausstellungstafel.
Bei der Buchvorstellung von Udo Voigt in Guthmannshausen dabei
Als öffentlicher Ansprechpartner der „Volksliedertafel“ fungiert ein Mann mit Pseudonym. Er nennt sich „Andi Hoffnung“. Antifaschistische Recherchen ergaben, dass zur Kerngruppe neben Matthes auch S. zählt, der 2015 für die NPD zur Stadtratswahl in Dresden kandidierte. Zu seinen Facebook-Freunden zählen zahlreiche NPD-Politiker. Wenig verwunderlich, dass die „Liedertafel“ auch bei einer Buchvorstellung des ehemaligen NPD-Bundesvorsitzenden und Europaabgeordneten Udo Voigt im geschichtsrevisionistischen Zentrum „Gedächtnisstätte“ im thüringischen Guthmannshausen auftrat. Mit dabei auch AfD-Politiker Matthes. Ein bei YouTube online gestelltes Video zeigt ihn 2018 singend mit schwarzer Schirmmütze, während bekannte Rechtsextremisten wie Axel Schlimper von der – mittlerweile aufgelösten - „Europäischen Aktion“ oder Edda Schmidt, rassistische Brauchtumsexpertin der NPD, begeistert lauschten. Auch NPD-Liedermacher Frank Rennicke trat an diesem Abend auf.
Die Pauke schlug Matthes dann am 23. März 2019 bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem rechtsextremen Berliner YouTuber Nikolai Nerling („Der Volkslehrer“), ebenfalls ein Anhänger lebendiger Volkstumspflege. Heldenmythen, Rassenideologie und nordisches Brauchtum verpackt in Theaterstücken und Liedgut, gepaart mit herkömmlichem Liedgut und Tanz, schweißt eine heterogene, völkisch-orientierte Bewegung zusammen. „Heil, dem deutschen Volk“ riefen junge Uniformierte des „Sturmvogels – Deutscher Jugendbund“ bei ihrer Zeremonie am Lagerfeuer.
„Sturmvögel in Spechtshausen nicht willkommen“
Das Pfingsttreffen des nationalistischen Bundes fand 2019 auf einem Anwesen von Matthes in Spechtshausen nahe Tharandt statt. Aufmerksame Anwohner hatten genau hingehört und gesehen, dass im Schein der Flamme neue jugendliche Mitglieder des Bundes rituell vereidigt worden waren. „Dorf wehrt sich gegen rechtsextreme Gruppe“ titelte wenige Tage später die „Sächsische Zeitung“ in ihrem Lokalteil und berichtete von den Vorkommnissen in Spechtshausen. Nach den ersten Eindrücken vom soldatischen Charakter des Zeltlagers mit Parolen, Trommeln und Gleichschritt, wurde eilig ein Transparent gemalt, auf dem die eindeutige Botschaft lautete: „Spechtshausen heißt die Sturmvögel nicht willkommen“.
Das „Kulturbüro Sachsen“ schreibt dem „Sturmvogel“ „ganz klar eine Verherrlichung der NS-Ideologie zu“ und lobt das dörfliche Engagement: Am besten wehre man sich lautstark und öffentlich – „wie in Spechtshausen geschehen“. Mit dem rechten Jugendbund habe er keine Probleme, sagte Jürgen Matthes einer Lokaljournalistin. Er sei gefragt worden, ob es einen Platz gebe, auf dem es möglich sei, „deutsche Lieder zu singen und deutsche Tänze zu tanzen“ und er habe zugestimmt. Auf Anfragen des „blick nach rechts“ reagierten bisher weder die „Volkliedertafel Dresden“ noch der AfD-Ratsherr.