Razzien

Dahinter steckt die NPD

In Bremen gab es Hausdurchsuchungen gegen die Gruppe „weserems.aktion“. Hinter junger Aufmachung verbergen sich alte Drahtzieher und neue internationale Vernetzungen.

Donnerstag, 21. August 2025
Andrea Röpke / Johann Frerichs
Die Polizei Bremen präsentierte nach den Hausdurchsuchungen einige der gefundenen Gegenstände, darunter Waffen und eine Hakenkreuzfahne, Foto: Polizei Bremen
Die Polizei Bremen präsentierte nach den Hausdurchsuchungen einige der gefundenen Gegenstände, darunter Waffen und eine Hakenkreuzfahne, Foto: Polizei Bremen

Die beiden Tätowierten gehören zusammen, „Ruhm“ prangt auf der einen, „Ehre“ auf der Wange des anderen. Marvin D. und Enrico A. wohnten auch bis vor kurzem gemeinsam in einer WG in Kirchlinteln nahe Verden an der Aller. Beide tauchen seit ein paar Jahren bei „Heimat“-Demonstrationen, früher NPD, auf. Wegen zweier Raubüberfälle in seiner Heimatgemeinde Langwedel wurde Marvin D. bereits zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. 

Nach seiner Entlassung fing er gemeinsam mit Enrico A. an, jüngere Netzwerk-Strukturen im Umfeld der NPD zu unterstützen. Als am Dienstag fünf Razzien gegen junge NationalistInnen im Alter zwischen 19 und 30 Jahren in Bremen stattfanden und Waffen beschlagnahmt wurden, waren dem bereits polizeiliche Maßnahmen gegen die beiden Neonazis vorausgegangen.

Alte Netzwerke 

„Weserems.aktion“ heißt das neue gewaltbereite rechte Projekt, gegen das die Polizei in der Hansestadt vorging. Doch mutmaßliche Funde wie das Heft „Ein Fähnlein“ deuten auf alte Neonazi-Netzwerke hin. Hinter der Schrift steht der NPD-Unterstützer und Nazi-Hooligan Hendrik Ostendorf aus Bremen. Er war bei Aufmärschen mit Akteuren der „weserems.aktion“ wie Martin B. aus Mahndorf zu sehen. Die Gruppierung ist eng vernetzt mit dem Telegramkanal „Verden verteidigen“, der ebenso wie „Hermanns.Heide“ aus dem NPD-Projekt „Inferno Deutschland“ hervorgegangen scheint. 

Die Polizei hat heute Razzien bei fünf Personen durchgeführt, die der JN-nahen rechtsextremen Gruppe "weserems.aktion" zuzurechnen sind. Die Aktionen der Gruppe würden sich vor allem gegen die linke Szene richten. Gefunden wurden u.a. Messer, Macheten und Teleskopschlagstöcke. 🧵

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— ENDSTATION RECHTS. (@endstationrechts.bsky.social) 19. August 2025 um 14:00

Ähnliche Gruppen gibt es bundesweit. Sie verstehen sich auch als „Kampfgemeinschaft Junge Nationalisten“. „Verden verteidigen“ warb am 19. Dezember 2024 für den „Partner Kanal“ von „weserems“ und schrieb: „Mit den Jungs haben wir schon einiges vollbracht und es wird weiterhin neues entstehen“ (Fehler im Original). Die aktionsorientierte neue Aufmachung steht unter dem Motto: „We hate Antifa“. „Lasst Euch nicht unterkriegen von dem Linken Terror“ - damit ist auch ein Kulturkampf um die Deutungshoheit gegen alles Anti-Rechte – vor allem unter Jugendlichen – gemeint.

Straftaten und fragwürdige Tiktok-Idole

Die Polizei in Bremen wirft der „weserems.aktion“ vor, weitere Straftaten geplant und durch die Hausdurchsuchungen verhindert zu haben. Am Samstag, dem 23. August, findet in der Hansestadt der CSD statt, am 13. September in Verden an der Aller. Auf Anfrage wollte die Pressestelle der Polizei die von den Razzien betroffenen Stadtteile nicht benennen, doch junge AnhängerInnen von „weserems.aktion“ leben in der Neustadt, Peterswerder, Gröpelingen oder eben Mahndorf. Gegen den in Kirchlinteln lebenden Enrico A. sprach die Polizei Bremen einem eigenen Post zufolge ein Aufenthaltsverbot in der Innenstadt „zur Verhinderung von Straftaten“ aus. Am folgenden Tag wurde ihm nach vertraulichen Angaben auch eine Gefährderansprache unter die Tür geschoben. 

Mitglieder der "weserems.aktion" stahlen linke Banner und posierten später damit vor einem Büro der Grünen, Foto: Screenshot
Mitglieder der "weserems.aktion" stahlen linke Banner und posierten später damit vor einem Büro der Grünen, Foto: Screenshot

An Schulen im Bremer Umland wie in Leeste und Kirchweyhe gibt es längst große Probleme mit einer rund 30-köpfigen Gruppe, sogenannter „TikTok“-Jungnazis, die eben auch „weserems.aktion“ folgen und „Adolf Hitler“ und weiteres an den Schulen schmieren, Böller zünden und MitschülerInnen mobben. Star dieser jugendlich-rechtsextremen Szene ist „Chino“ alias Lucas Seifert aus Dresden. Mit diesem stark tätowierten Selbstdarsteller zeigen sich 2024 immer wieder Marvin D. und Enrico A. sehr vertraut bei Aufmärschen wie im Dezember 2024 in Braunschweig. 

„Chino“ lockt Kinder und Jugendliche an, für ein Foto mit dem „Meme“ reisen sie ihm hinterher. Sie verbreiten es in ihrer Community und das Ganze wird zum rechten Selbstläufer. Der Soziologe Wilhelm Heitmeyer spricht von einer „Re-Souveränisierung“ Jugendlicher, die sich selbst, aber auch die Nation, wieder als machtvolles Subjekt sehen wollen. Die Pandemie stellte für junge Menschen eine unvergleichliche Krise dar, in der sie mehr oder weniger unsichtbar waren. Jetzt erkämpfen sie sich mit Aggression und Radikalität Aufmerksamkeit. Selbstermächtigung zum Zweck der Wahrnehmung. 

Kontakt zu Friese-Attentätern

Martin B. aus Mahndorf und Marvin D., der jetzt in Rotenburg lebt, dagegen scheinen gefestigter, sind länger aktiv. Gezielt wurde im Bremer Umland u.a. zur Störung des CSD in Dresden mobilisiert. Ob Sebastian Richter, Henrik Ostendorf, Matthias Behrens oder Junge Nationalisten wie Lois Wagner, Bremer oder Verdener marschieren gemeinsam mit ihnen. Engen Kontakte gibt es auch zu den Brandstiftern, die in Bremen einen Anschlag auf das alternative Zentrum „Friese“ durchführten. Der verurteilte Haupttäter stammt aus dem Landkreis Verden und war langjähriger Szene-Aktivist. 

Nach der Zerschlagung von mutmaßlichen Terrorzellen junger Neonazis der „Sächsischen Separatisten“ und „Letzte Verteidigungswelle“ wurde ein Aufruf der „Jungen Nationalisten“ (JN) auch im Bremer Umland verbreitet, der besagt:  „In einem feindlich gesinnten Umfeld wie der BRD überlebt nicht der Waghalsigste - sondern der Klügste. (…) Jeder Brandanschlag macht das System stärker, nicht schwächer. (...) Veränderung braucht Disziplin, nicht blinden Aktionismus.“ 

Gewaltsamer rechter Kulturkampf

Die Partner-Kanäle „weserems.aktion“ und „Verden verteidigen“ fokussieren sich im rechten Mainstream auf Diffamierung einer pluralistischen Gesellschaft. „Eure Vielfalt kotzt mich an!“, lautete ein Post von „weserems.aktion“ vom 23. Januar. Junge Engagierte für ein queeres Miteinander werden offen diffamiert. Ein anderer Film zeigt, wie Aktivisten NPD-Hetzschriften bei „WABE-Weser-Aller-Bündnis“, einer wichtigen Schaltstelle gegen rechts in der Region, in den Briefkasten wirft. WABE ist immer wieder Angriffsziel, auch Sachschaden gab es bereits mehrfach. Ziel ist Einschüchterung. 

C 60 – Internationale Vernetzung 

Enrico A. und Marvin D. werden nicht nur mit der Aktionsgruppe, sondern auch mit subkulturellen neuen Strukturen wie „Division 1161“ oder „C 60“ in Verbindung gebracht, die insbesondere im Mischbereich zwischen Kampfsport, Rocker- und Hooliganszene auftreten. So postet Marvin D. mehrmals Fotos mit dem einflussreichen Neonazi Alexander Deptolla, der nach Halberstadt gezogen ist. 

Ein Mann mit einem "Bruderschaft C-60"-Shirt, neben ihm Alexander Deptolla
Ein Mann mit einem "Bruderschaft C-60"-Shirt, neben ihm Alexander Deptolla

Deptollas „Kampf der Nibelungen“ könnte als Lockmittel zu einer verstärkten rechten Radikalisierung durch Kampfsport dienen. Jüngst tauchte er bei einem Boxkampf im Haus der Hells Angels in Dünsen auf, gemeinsam mit Neonazis, Hooligans und Kampfsportlern aus dem Bremer Raum. Antifa-Recherchen zufolge war ein anderer Dortmunder Kader 2024 als Referent im Szene-Treffpunkt „Pusdorfer Leuchtturm“ in Woltmershausen: Robin Schmiemann. Ehemaliger Brieffreund der NSU-Terroristin Beate Zschäpe. Er sprach zum Thema: „Der Staat, seine Spitzel und der Einfluss auf unser Leben“. 

Auch alte Kader von „Der Störtrupp“ (DST) aus Dortmund oder Pforzheim spielen als Sammelbecken bei dieser Re-Organisation in Richtung Jugend eine große Rolle. Enrico A. und Marvin D., die sich auf Fotos immer wieder mit dem Label „C 60“ präsentieren, weisen auf enge Kontakte zu jungen rechtsextremen Gruppen in Italien und Spanien hin. Darunter Aktivisten von „Nucleo Nacional“, die bereits in großer Gruppe am 1. Mai in Gera auftraten. Am 20. November jährt sich in Spanien die Befreiung von der Diktatur unter General Franco. Die Rechtsextremen könnten versuchen, den 50. Todestag Francos als internationales antidemokratisches Fanal zu platzieren.

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