Bundesverwaltungsgericht

Compact-Verbot: Elsässer-Verteidigung mit Eigentoren?

Nach zwei Tagen endete am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die mündliche Verhandlung zum Verbot des Compact-Magazins. Chefredakteur Jürgen Elsässer und sein Rechtsanwaltsteam lieferten dabei zahlreiche Aussagen, die wenig durchdacht wirkten. Ob es für ein Verbot reicht, soll in zwei Wochen verkündet werden. 

Donnerstag, 12. Juni 2025
Thomas Witzgall
Stephanie und Jürgen Elsässer in Begleitung von Paul Klemm auf dem Weg zum Bundesverwaltungsgericht.
Stephanie und Jürgen Elsässer in Begleitung von Paul Klemm auf dem Weg zum Bundesverwaltungsgericht.

„Weil wir für den Sturz des Regimes sind, sind wird auch gegen jede Distanzeritis.“ Diese und andere explizite Aussagen des Kopfes des Compact-Magazins, Jürgen Elsässers, legten nicht etwa die Vertreter des Bundesinnenministerium vor. Das Anwaltsteam um Elsässer hatte den Videoschnipsel von einem Spendenevent herausgesucht, weil sie sich entlastende Wirkung versprachen.

Elsässer führt danach aus, dass man deshalb auch nicht alles gut finden müsse, was jeder Einzelne schreibe und Fehler gemacht werden dürften. Elsässers Anwälte wollten darin festgestellt wissen, dass sich der Chefredakteur nicht jede Aussage Martin Sellners zur Remigration zu eigen mache. Erwähnt wurde der Kopf der Identitären Bewegung in dem Video allerdings nicht und es blieb vor allem der propagierte Regimesturz im Gedächtnis. Es war gerade der Clip, in dem Elsässer auch ausführte, bei Compact hätten alle das Ziel des Sturzes verinnerlicht und würde ihre Texte entsprechend schreiben.

„Shithole BRD“

Solche und andere Belege, bei denen sich die Zuhörer fragen mussten, ob sie nicht eigentlich belastend wirken, wurden immer wieder von Seiten der drei bevollmächtigten Anwälte,  Laurens Nothdruft, Ulrich Vosgerau und Fabian Walser, vorgelegt. Etwa, wenn Stephanie Elsässer es als ein Zeichen fehlender Islamfeindlichkeit verstanden wissen wollte, dass sie Muslimen in Deutschland Moscheen zugestehe.

Die Anwäte des Compact-Magazins: Ulrich Vosgerau und Laurens Nothdurft
Die Anwäte des Compact-Magazins: Ulrich Vosgerau und Laurens Nothdurft

Allerdings war ihre Aussage im Video „Shithole BRD“ herabwürdigend angelegt. Muslime sollten nämlich in ihren Gotteshäusern versteckt und nicht etwa unter freiem Himmel mit anderen Anhängern ihren Glauben ausleben dürfen, sie empfand das öffentliche Gebet als „respektlos“ und mehr als ein Mal im Jahr sollten solche Zusammenkünfte auch nicht gestattet werden. Auch hätten Muslime in Bremen gegen das Compact-Verbot demonstriert. Dabei handelt es sich laut taz um Kreise aus dem Umfeld des islamistischen „Muslim Marktes“, die explizit die islamfeindlichen Ausrichtungen Compacts kritisierten, aber in anderen Themen, etwa in Ablehnung des „Apartheidsstaates Israel“, Gemeinsamkeiten ausgemacht haben wollten.

Vorwurf: ethnokulturelles Volksverständnis

Auch wurden Passagen vorgelegt, in denen Ausländer und Migranten synonym verwendet wurden. Jürgen Elsässer meinte, er dürfte zwischen Passdeutschen und Biodeutschen unterscheiden, wenn er Migranten positiv eine höhere Bereitschaft zur Auflehnung gegen die Corona-Regeln zuschreibe. Auch dürfe er etwa Personen aus gewissen Ländern kollektiv als Straftäter verunglimpfen, wenn er gleichzeitig betont, bei Zuwanderern aus anderen Ländern – beispielsweise Indien – gebe es keinerlei Probleme. Schon sein Anwalt, der AfD-Funktionär Laurens Nothdurft, hatte am Vortag ausgeführt, wenn ein Herkunftsland überproportional in der Kriminalstatistik erscheine, seien Angriffe auf die Menschenwürde der Gruppe nicht mehr möglich, da sie dann nicht mehr willkürlich seien.

Aus den seit der Corona-Pandemie bekannten Vergleichen bundesdeutscher Politiker demokratischer Parteien mit Schergen des NS-Regimes wurde eine angebliche Ablehnung von NS-Rassefantasien konstruiert. Vorgeworfen wurde aber Elsässer und dem Compact-Magazin ein ethnokulturelles Volksverständnis mit ausschließender Wirkung gegenüber Menschen bestimmter Herkunft.

Und immer wieder Martin Sellner

Vosgeraus Verteidigungslinie war es, basierend auf der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass die Menschenwürde dann verletzt sei, wenn eine Person bloßes Objekt staatlichen Handelns wäre, dass nur der Staat und keinesfalls Elsässer mit seinem Medienunternehmen die Menschenwürde anderer angreifen könnte, relativ egal, was er schreibe. Dieser Lehrsatz wurde allerdings auch im Parteiverbotsverfahren gegen die NPD zitiert, um die Subjektqualität des Menschen zu betonen, fand also bereits Anwendung gegen einen nichtstaatlichen Akteur.

Weiten Raum nahm die Frage ein, ob Stammautor Martin Sellner dem Compact-Magazin zugerechnet werden könne und wenn ja, mit welchem Verständnis von Remigration. Richter Ingo Kraft hatte hier schon angedeutet, dass diese Frage ein entscheidender Wegpunkt sein werde. Schon das Verwaltungsgericht München hatte in der Frage der Beobachtung der bayerischen AfD Sellners Thesen in seinem Buch als nicht vereinbar mit verfassungskonformen Vorstellungen bewertet.

Unglaubwürdige Relativierungen

In der mündlichen Verhandlung gingen beide Elsässers auf vorsichtige Distanz zu Sellner. Seine Aussagen zum Ethnopluralismus und zur „demographischen Wahl“ würden nicht geteilt. Nach der Correctiv-Berichterstattung zu Potsdam hätten Elsässers ihm als angeblich öffentlich Verfemten lediglich eine Plattform zur Rechtfertigung zur Verfügung gestellt wie auch Xavier Naidoo nach dessen öffentlichem Fall. Er führe als rechter Rudi Dutschke eine junge Kundschaft an Compact heran, habe aber nie ein Video mit Remigrationsvorstellungen bei Compact-TV veröffentlicht.

Elsässer behauptet von sich, er habe mit Sellner über die Bedeutung der Migrationsfrage gestritten und andere Schwerpunkte setzen wollen. Die staatliche Seite wies aber Elsässer eine fortlaufende Beschäftigung mit dem Thema auch nach der angeblichen Abkehr nach.

„Exklusiv für Compact“

In den Compact-Printausgaben sah es allerdings anders aus. Hier bekam Sellner breiten Raum für seine Vorstellungen, sein Buch „Regime Change von rechts“ wurden als vorbildlich und für alle strategischen Überlegungen unabdinglich gelobt. Es gab eine Videoreihe Sellners zur Remigration „exklusiv für Compact“. Jürgen Elsässer habe laut Bundesseite mehrfach den Begriff gebraucht, ohne Differenzen zur Sellnerschen Sichtweise auch nur anzudeuten. 

Verlesen wurde ein abgehörtes Telefonat von Paul Klemm, Chefredakteur von Compact-TV, der eine Sommerdemonstration der Identitären Bewegung in Wien zum Thema Remigration damit rechtfertigte, es gelte jetzt, „die Kanacken“ auch mal loszuwerden. Elsässer versuchte die lobenden Worte für Sellner als unspezifische Promotion des Buches wie jedes andere hinzustellen und nicht als inhaltliche Übereinstimmung.

Abschiebung von Millionen Menschen?

Dessen Anwalt Ulrich Vosgerau wollte es wiederum nur werten lassen, wenn es bei Compact „konkrete Planspiele zur Ausweisung von Millionen Menschen“ gegeben hätte. Im NPD-Urteil 2017, das der kürzlich bei der vom Verfassungsschutz beobachteten Münchner Danubia aufgetretene Jurist immer wieder anführte, hatten die Richter eingeräumt, dass sich in der Belegen zur stark überwachten NPD keine Aussage finde, in denen die Ausbürgerung von Staatsbürgern explizit erhoben worden sei. Dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen auch gegen Deutsche mit Migrationshintergrund gerichtet werden würden, ergab sich aus dem Menschenbild und Volksverständnis. Anders seien die Ziele nicht zu erreichen, so der zweite Senat damals.      

Bei den „entlastend gemeinten“ Belegen fand sich laut Bundesseite allerdings eine Aussage Stephanie Elsässers, wonach sie zehn Millionen Menschen als Illegale oder Kriminelle ansehe, die Deutschland verlassen könnten. Die Zahl dürfte mit Blick auf die Größenordnung über denen Sellners liegen, der auch von Millionen Betroffenen ausgeht. Elsässer war es mit seinem letzten Wort noch wichtig zu betonen, dass er den Kopf der Identitären vom neuen Flaggschiff der Compact GmbH, dem YouTube-Kanal, ferngehalten und ihn nur auf den zweitrangigen Plattformen zu Wort habe kommen lassen.

Später ging es darum, dem Unternehmen eine aggressiv-kämpferische Haltung nachzuweisen. Das Grundgesetz kenne kein Gesinnungsverbot. Laut den Leitplanken, die der Richter als Begrenzung einschlug, brauche es zwar keine Gefahr, verbalen Radikalismus halte er aber für nicht ausreichend.

„Fünf Finger sind eine Faust“

Laut Verbotsverfügung arbeite Compact kontinuierlich und fortlaufend darauf hin, die verfassungsmäßige Ordnung zu untergraben, neue Verfassungsfeinde zu schaffen und Bestehende in ihrer Haltung zu bestärken. Das Blatt sei ein politisches Magazin und wirke fortlaufend in die Sphäre, auf Wahlentscheidungen und Positionen der Parteien ein. Elsässer habe dazu auch eine „Fünf Finger sind eine Faust“-Strategie propagiert, die nicht gebrochen werden könnte, mit Compact als journalistischem Part im Verbund mit der AfD, Pegida, der Identitären Bewegung und dem Verein „Ein Prozent.“ Auch die Gegner der Corona-Maßnahmen wurden mal als Teil gesehen. Das deute auf ein arbeitsteiliges Vorgehen hin.

Elsässer sprach hier verharmlosend, er beschreibe mit den Fingern lediglich die hauptsächlichen Käuferschichten seines Magazins und die aufwiegelnde Sprache stamme aus seiner Zeit in der linksradikalen Szene. Elsässers dortige Betätigung wurde immer wieder als eine Art „Bad Bank“ propagiert, mit der alle nur mehr schwer wegzudiskutierende Vorwürfe erklärt werden sollten. Auch die Veranstaltungsreihe „Blaue Welle“ seien lediglich Pressefeste zur Promotion des Magazins im Superwahljahr 2024 gewesen. Das Logo des Compact-Magazins ist allerdings rot.

Umsturzrhetorik

Die Bundesseite brachte weitere Belege für die kämpferische Ausrichtung. Elsässer habe den versuchten Stürmern des Reichstages mangelnde Erfahrung vorgeworfen, an der allerdings „gearbeitet werden“ könne. Auch habe er eine „disziplinierte Militanz“ gefordert, die den Staat zum Nachgeben oder zur die Bevölkerung verprellende Überreaktion verleiten sollte. Er rede er einer Wiederholung der Revolution von 1989 das Wort, wobei sich diese nicht gegen eine diktatorische DDR, sondern gegen die Bundesrepublik richten würde. Auch das Grundgesetz kenne Grenzen der Kritik, besonders dann, wenn die angenommenen Probleme in der Grundordnung verortet werden und nur durch Beseitigung dieser angeblich gelöst werden könnten.

Kritik an Fehlentscheidungen der politischen Repräsentanten seien dagegen unproblematisch. Elsässer versuchte sich hier – trotz der vorher eingeführten Verstöße gegen das Volksverständnis des Grundgesetzes – als angeblicher Fan der verfassungsmäßigen Ordnung zu präsentieren, die er lediglich einfordern wolle. Die Gefahren gingen hingegen von der „Lügenpresse“ und den „Blockparteien“ aus. Wie dieses vermeintliche Stärken des Vergangenen mit der fortlaufenden Umsturz- und Revolutionsrhetorik in Einklang zu bringen wäre, wurde nicht aufgelöst. Vosgerau nannte es das unveräußerliche Recht eines jeden, von Revolution zu sprechen und damit andere zu überzeugen, wenn auch unabsichtlich.

Entscheidung in zwei Wochen

Das Compact-Magazin war für die Bundesseite durch die verfassungsfeindlichen Positionen und aggressiv-kämpferische Haltung geprägt, da die Belege ausnahmslos von führenden Personen kämen. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und auch gelegentliche Sperrungen von Kanälen auf Social Media hätten zu keiner Mäßigung geführt. Deshalb gehe die Bundesseite davon aus, dass nur das Verbot bleibe und der Schritt somit verhältnismäßig sei.

Im letzten Wort ging Vosgerau noch mal die Bundesseite an, nicht Elsässer stürze die verfassungsmäßige Ordnung, sondern des Bundesinnenministerium. Er wollte in allen vorgelegten Belegen keine auch nur eine halbwegs problematische Passage erkannt haben, die man auch anders hätte ausdrücken können.

Am Ende des zweiten Verhandlungstages warf der Richter das Ehepaar Elsässer und ihre Anwalts- sowie Medienteams recht zügig aus dem prunkvollen Großen Saal, der wohl nicht weiter als Bühne der Inszenierung dienen sollte.

Die Entscheidung wird am 24. Juni verkündet.  

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