CeMAS: Interdisziplinäres Frühwarnsystem für die Gesellschaft

Geballtes wissenschaftliches Know-how mit exponierter Netz-Affinität hat sich zusammen getan, um der fortschreitenden demokratiefeindlichen Radikalisierung in Form von Verschwörungsideologien, Desinformation und Rechtsextremismus durch ein Kompetenzzentrum zu begegnen. Herausgekommen ist CeMAS.

Freitag, 09. April 2021
Redaktion

Wer und was steckt hinter CeMAS?

Rocío Rocha Dietz: Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie, kurz CeMAS, wurde gegründet, um die gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit gegen Verschwörungsideologien, Desinformation, Rechtsextremismus und Antisemitismus zu stärken. Dazu wollen wir theoriegeleitet und evidenzbasiert interdisziplinäre Analysen erstellen und daraus Handlungsstrategien entwickeln.

Jan Rathje: CeMAS wurde von fünf Personen aus den Bereichen Kognitions-, Politikwissenschaft, Sozialpsychologie und Data Science gegründet, als eine Art Frühwarnsystem in den Bereichen. Zu den Gründer:innen zählen wir beide und Miro Dittrich sowie Pia Lamberty und Josef Holnburger, die auch unsere Geschäftsführenden sind. Wir freuen uns im Übrigen sehr, dass die Alfred Landecker Stiftung die Bedeutung unserer Arbeit erkannt hat und uns als Gründungs- und Projektförderin unterstützt.

Was waren die Beweggründe für die CeMAS-Gründung und wie haben Sie sich in der jetzigen Zusammensetzung gefunden?

Rocío Rocha Dietz: Wir haben uns alle - auch unabhängig voneinander - schon länger gewünscht, interdisziplinär zu unseren Themenfeldern zu arbeiten. Gerade die von uns beobachteten Phänomene wurden in der Vergangenheit zum Teil nicht ernst genug genommen, da sie im digitalen Raum aufgetreten sind. Für uns ist das Verständnis der digitalen Räume und Wissen um Nischenräume essenziell, um rechtsextreme Propaganda, Vernetzung und Radikalisierungsverläufe nachvollziehen zu können.

Jan Rathje: Wir Gründer:innen kannten uns, da wir seit Jahren im gleichen Themenfeld aktiv sind - besonders auf Twitter. Einige hatten sogar schon an kleineren Projekten zusammengearbeitet. Die positiven Erfahrungen dieser Kooperationen, das Fehlen einer Struktur, in der solche Zusammenarbeit dauerhaft stattfinden kann, haben uns dazu bewogen CeMAS zu gründen. Eine wichtige Rolle hat dabei auch die gesellschaftliche Relevanz der Themen gespielt, die CeMAS adressieren wird.

Welche Rolle meinen Sie in Zeiten wachsender Parteienverfransung, Rechtspopulismus und verschwörungsideologischen Erzählungen einnehmen zu können?

Jan Rathje: Die Eindämmung von Verschwörungsideologien, Desinformation, Rechtsextremismus und Antisemitismus begreifen wir bei CeMAS als zentralen Handlungsauftrag. Dabei nehmen wir innerhalb dieser Themenfelder sowohl analysierende wie auch beratende Rollen ein. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir innerhalb der bestehenden und neuen Strukturen mit unserer Arbeit unterstützen können, aber nicht allgemeines Misstrauen in Vertrauen umwandeln. Diese Aufgabe liegt bei anderen Institutionen und Organisationen.

Sehen Sie sich eher als Aufklärungsplattform und Bildungseinrichtung?

Jan Rathje: Ja, CeMAS ist eine Aufklärungsplattform, die ihre Analysen in Reports und anderen Publikationsformen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Klassische Bildungsarbeit zählt nicht zu unseren Kernaufgaben - schließlich sind in diesem Bereich bereits seit Jahren andere Organisationen sehr erfolgreich tätig, die wir bei ihrer Arbeit aber auch gerne unterstützen.

Wie sieht die Zielgruppe aus, wen wollen Sie ansprechen?

Rocío Rocha Dietz: Zu unseren Zielgruppen gehören Entscheidungsträger:innen aus Zivilgesellschaft, Medien und Politik. Wir wollen auf Phänomene aufmerksam machen, bevor sie für liberale Demokratien zum Problem werden - also als eine Art Frühwarnsystem agieren.

In der aktuellen Pandemie hat die Wissenschaft seitens der Politik, Medien und gesellschaftlichen Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit erfahren als zuvor. Inwieweit meinen Sie, dass Ihre fachliche Expertise die gewünschten Adressaten erreicht und auch inhaltlich verfängt?

Jan Rathje: Seit CeMAS gestartet ist, erreichten uns bereits viele Anfragen. Das werte ich schon als ein Zeichen, dass unsere Expertise auch wahrgenommen wird. Wie erwähnt, bieten wir bei CeMAS nicht nur eine interdisziplinäre Perspektive, die quantitative mit qualitativen Methoden kombiniert, sondern wollen auch neue Formen der Informationsvermittlung prüfen, um unsere Inhalte wirksam zu verbreiten.

Wie kann eine breit angelegte Demokratiestärkung niedrigschwellig, effizient und nachhaltig aussehen und wo liegt dabei Ihr Part?

Rocío Rocha Dietz: Wie schon erwähnt, gibt es im Bereich der politischen Bildung und Demokratieförderung bereits etablierte, erfahrene Strukturen, die wir durch unsere Arbeit unterstützen wollen. Wir freuen uns auf zukünftige Zusammenarbeit und sehen dafür viel Potential. Unseren Teil sehen wir aufgrund unserer Arbeitserfahrungen dezidiert darin, als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Journalismus und Zivilgesellschaft, also als Mittlerin in alle Richtungen zu agieren.

Welche Botschaft liegt Ihnen in der jetzigen CeMAS-Startphase besonders am Herzen?

Rocío Rocha Dietz: Wir wollen unsere Vision “A better internet is possible - a better world is necessary” auch praktisch leben.



Rocío Rocha Dietz ist Kognitionswissenschaftlerin und Mitgründerin von CeMAS. Jan Rathje ist Politikwissenschaftler und Mitgründer von CeMAS.

Das Interview führte Horst Freires.

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