Bundesweites Szene-Event
Dortmunder Neonazis haben die „heiße Phase der Mobilisierung“ für den „Nationalen Antikriegstag“ gestartet. Über tausend Teilnehmer sollen am 3. September in der Ruhrgebietsstadt aufmarschieren.
Wer will, kann die Vorbereitungen Dortmunder Neonazis für ihren „Nationalen Antikriegstag“ praktisch rund um die Uhr verfolgen. Per Twitter. Tagsüber wird dort zuverlässig berichtet, wo sie gerade einen Infostand aufgestellt haben oder die Stadt von „linker Propaganda befreien“. Des Nachts werden Bilder ihrer Plakatieraktionen im Schutze der Dunkelheit veröffentlicht. Und auch Tipps für die Klebetrupps, welche Ecken der Stadt sie besser im Augenblick meiden sollten, gibt es: „Der Abend ist jung und die Zivis stehen in Dorstfeld an der Wittener Str. / Ecke Hartweg. silberner VW, UN-VP-****“.
Ein umfassendes Bild über sämtliche Aktivitäten von Neonazis aus der Region bietet aber auch der „Dortmundticker“ nicht. Wenn es gar zu illegal wird, erfährt man darüber per Twitter nichts. So am Dienstagabend, als ein 25-Jähriger mit einem kräftigen Faustschlag niedergestreckt und, schon am Boden liegend, von drei Männern mit Tritten malträtiert wurde, bis Zeugen auf das Geschehen aufmerksam wurden und ihm zu Hilfe eilten. Das „Vergehen“ des Opfers aus Sicht der Angreifer beschrieb der Polizeibericht so: sein „eher links motiviertes T-Shirt-Motiv“. Ein paar Stunden später schlugen Unbekannte Scheiben des AStA-Gebäudes der Technischen Universität ein und warfen Farbbeutel gegen die Fenster. Mögliches Motiv in diesem Fall: Im AStA-Gebäude sollte eine Informationsveranstaltung über die alljährlichen Aufmärsche zum „Nationalen Antikriegstag“ stattfinden.
Massive Bedrohungen und Sachbeschädigungen
Einzelfälle sind das nicht. Drei Bündnisse, die sich gegen die Demonstration stellen, veröffentlichten unlängst eine Chronologie. Ein Überfall auf Neonazi-Gegner, bei dem die Angreifer mit Baseballschlägern und einem Messer bewaffnet waren, massivste Bedrohungen, diverse Sachbeschädigungen: Rund ein Dutzend Fälle führte die Chronologie für die Zeit vom 20. Juli bis 12. August auf.
Tagsüber präsentieren sich die Neonazis anders. Bürgernah wollen sie wirken. Am Montag, knapp zwei Wochen vor der für den 3. September geplanten Demonstration, starteten sie ihre „heiße Phase der Mobilisierung“. In den Stadtteilen bauen sie seitdem Infostände auf, in der City verteilen sie Flugblätter, vom Florianturm, einem Wahrzeichen der Stadt, werfen sie bei einer „Schnipselaktion“ kleine Propagandazettel aus 140 Metern herunter. Direkt am Hauptbahnhof fand zum Auftakt der „heißen Mobilisierung“ eine Kundgebung der Dortmunder Rechts-„Autonomen“ statt. Der Erfolg hielt sich freilich in sehr engen Grenzen. Für den Infostand, um den sich knapp 20 Neonazis versammelt hatten, interessierte sich kaum einer der Vorbeieilenden. Und die meisten Flugblätter, die sie Passanten in die Hand gedrückt hatten, wanderten ein paar Meter weiter gleich wieder in große blaue Müllsäcke.
Pfefferspray und Einkaufsrabatt im Berliner „Hexogen“-Laden
1000 oder mehr Teilnehmer wollen die „Antikriegstags“-Organisatoren am ersten Samstag im September in der Ruhrgebietsstadt aufmarschieren lassen. Dafür haben sie in den letzten Monaten überregional geworben, ob bei Demonstrationen der Szene, beim Pressefest der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ oder bei einer Mobilisierungstour mit vier Veranstaltungen im Osten der Republik.
Unterstützung erhalten sie vor allem durch Rechts-„Autonome“ bundesweit, aber auch durch JN- und NPD-Funktionäre. Andy Knape, JNler aus Sachsen-Anhalt, führte ein längeres Interview mit den Veranstaltern der Dortmunder Demonstration, das am vorigen Sonntag auf der Internetseite der Jungen Nationaldemokraten veröffentlicht wurde. Und der Berliner NPD-Landesvize Sebastian Schmidtke bietet in seinem „Hexogen“-Laden Busfahrkarten nach Dortmund an. Wer dort 30 Euro auf den Tisch blättert, erhält nicht nur das Ticket Richtung Ruhrgebiet – zusätzlich wird ihm ein zehnprozentiger Rabatt auf den gesamten Einkauf in Schmidtkes Geschäft eingeräumt.
Zahlreiche Kundgebungen am kommenden Samstag
Und damit immer noch nicht genug: Die als zumindest gewaltbereit einzustufende Klientel der Berliner Rechts-„Autonomen“ darf als Zugabe und Geschenk auch noch eine Dose Pfefferspray nach Hause tragen. Das eine habe mit dem anderen aber nichts zu tun, beeilten sich die Dortmunder Neonazis zu versichern und warnten die weniger erfahrenen Kameraden: Einen Aufruf, das Pfefferspray mit ins Ruhrgebiet zu bringen, gebe es nicht. Dies sei schließlich eine Straftat nach dem Versammlungsgesetz.
Ihre eigenen Aktivitäten konzentrieren die Demo-Veranstalter derzeit auf ihre Heimatstadt und die nähere Region. In dieser Woche wurde eine eigentlich nur zur internen Weiterleitung bestimmte Mail der Veranstalter bekannt. Demnach planen sie für kommenden Samstag, 27. August, „im Rahmen einer Mobilisierungstour zahlreiche Kundgebungen in Nordrhein-Westfalen, wobei aus verschiedenen Landesteilen Reisebusse fahren“. Als Veranstaltungsorte sollen Dortmund, Hamm, Ahlen und Wuppertal sowie eine Stadt im Norden oder Osten Nordrhein-Westfalens im Gespräch sein.