Brutaler Überfall vor Gericht

Vor dem Amtsgericht in Erfurt hat am Dienstag der Prozess gegen sieben Neonazis begonnen, die vor zwei Jahren Besucher einer Ausstellung überfallen und teils schwer verletzt haben sollen. Obwohl die Opfer von Nazi-Parolen und Sieg Heil Rufen berichteten, sah die Polizei anfangs keinen rechtsextremen Hintergrund.

Montag, 18. August 2014
Kai Budler

Eigentlich hatte die Eröffnung der Ausstellung „miss painting“ im Erfurter Kunsthaus ein freudiges Erlebnis werden sollen, doch für Organisatoren und Besucher endete der Freitagabend im Juli 2012 in nackter Gewalt. Nach einem Überfall von Neonazis mussten sechs Verletzte mit dem Krankentransport in die Notaufnahme gebracht werden. Acht Neonazis, die teilweise T-Shirts mit dem Konterfrei von Horst Wessel trugen, provozierten die Besucher mit Nazi-Parolen und „Sieg Heil“-Rufen, die Veranstalter alarmierten daraufhin die Polizei und verwiesen die Neonazis des Grundstück. „Diese griffen jedoch die Besucher und Betreiber des Kunsthauses mit unbeschreiblicher Brutalität an“, heißt es in einer kurz darauf veröffentlichten Mitteilung des Kunsthauses. Mehrere Gewalttäter schlugen den Kurator der Ausstellung zusammen und brachen ihm das Nasenbein. Der Leiterin der Einrichtung wurde eine volle Bierflasche auf dem Kopf zerschlagen, einer Besucherin im Beisein ihres Kindes der Kopf mehrmals auf den Autokühler geschlagen, andere Besucher durch Verletzungen durch Flaschenwürfe verletzt.

In dem Polizeibericht fand sich zunächst kein Hinweis auf einen rechtsextremen Hintergrund der Tat: Es sei „aus bisher nicht bekannten Gründen“ zu den Übergriffen gekommen, von einer Verbindung zur rechtsextremen Szene gehe die Polizei nicht aus. Erst drei Tage erklärte die Sprecherin der Landespolizeiinspektion Erfurt, die Polizei ermittle nun doch in der rechten Szene, da zwei der acht Täter bekannte rechtsextreme Straftäter seien und es zur Verwendung rechtsextremer Symboliken gekommen sei. Nach dem Abschluss der Ermittlungen ein Jahr später erhob die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Erfurt Klage gegen sechs Männer und eine Frau unter anderem wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung, Widerstand und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisatoren.

Betroffene fühlten sich von der Polizei als Täter behandelt

Bereits das Strafregister der Beschuldigten spricht Bände: neben Körperverletzungen tauchen unter anderem auch Verurteilungen wegen Verstoßes gegen das Wehrstrafrecht, Waffendelikte und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf. Mindestens zwei der Angreifer sind seit Jahren tief in der braunen Szene verwurzelt und aktiv, bei den anderen Beschuldigten finden sich in den sozialen Netzwerken entsprechende Hinweise auf Rechtsrock-Bands, Neonazi-Parolen und die NPD. Das Gericht hat bislang drei Tage für den Prozess angesetzt.

Das Verhalten der Polizei direkt nach dem Überfall stieß in der Öffentlichkeit auf teils scharfe Kritik. Der Projektleiter der Mobilien Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen (ezra), Jürgen Wollmann, attestierte der Polizei eine „Anhäufung von Fehleinschätzungen“. „Für Betroffene von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist es oft ein erneuter Schlag ins Gesicht, dass ihre Situation oder ihre Aussage gegenüber den ermittelnden Behörden nicht ernst genommen wird und am Ende sogar der Anschein entsteht, es hätte nur einen Streit zwischen zwei rivalisierenden Personen oder Gruppen geben“, so Wollmann. Er erinnerte an einen Angriff von etwa 25 Neonazis auf die Gäste einer Feier nur vier Wochen vorher in der Nachbarschaft des Kunsthauses, bei dem sich „Betroffene von der Polizei als Täter behandelt“ gefühlt hätten. Die alarmierte Polizei hatte dabei die Angreifer auf den Bürgersteig abgedrängt und einen Gast der schweren Körperverletzung beschuldigt.

Hakenkreuzschmiererei als „schlechter Scherz“ verharmlost

Anders als bei ähnlichen Vorfällen in der Landeshauptstadt half den Kunsthaus-Betreibern offenbar ihre jahrelang erarbeitete Reputation, um mit ihrer Sicht der Dinge auf offene Ohren zu stoßen. Die positive Resonanz sei aber nicht repräsentativ für den gesellschaftspolitischen Umgang mit Rechtsextremismus in Erfurt, sagte die Betreiberin des Kunsthauses Monique Förster später in einem Interview: „Es kommt immer wieder drauf an, wen es betrifft“, andere Fälle von rechter Gewalt hätten es nicht einmal in die Zeitung geschafft, obwohl 2012 in Erfurt die höchste Zahl extrem rechter Straftaten seit fünf Jahren registriert wurde.

Zum Umgang der Polizei mit rechtsextremer Gewalt und Straftaten mit einem entsprechenden Hintergrund hatte es in einer Antwort des Thüringer Innenministeriums vom September 2012 zum Überfall auf das Kunsthaus noch geheißen: „Die Thüringer Polizeibeamten sind hinsichtlich des Auftretens von rechtsextremer Gewalt und Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund entsprechend sensibilisiert und erhalten eine zielgruppenorientierte Aus- und Fortbildung“.

Offizielle Äußerungen lassen daran aber auch heute zweifeln, wie der Pressebericht der Landespolizeiinspektion Erfurt vom 1. August 2014 zeigt. Das Beschmieren einer Rasenfläche mit einem drei Mal drei Meter großen Hakenkreuz mit Kalk wird dort als „schlechter Scherz“ verharmlost.

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