Brücke nach rechts für die AfD

Die Berliner AfD-Jugend bezeichnet die Zusammenarbeit mit den neurechten „Identitären“ als „Fake-News“ – die Fakten ergeben aber ein gegenteiliges Bild.

Dienstag, 07. Februar 2017
Theo Schneider

In der vergangenen Woche war erneut die Kooperation zwischen der „Identitären Bewegung“ (IB) und der Berliner AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) Thema in den Medien. Anlass bot die Reportage „Die Stunde der Populisten“ des Senders RBB, in der der Berliner AfD-Abgeordnete und JA-Chef Thorsten Weiß eine Zusammenarbeit bestätigt haben soll: „Dass es immer wieder Personen gibt aus beiden Gruppierungen, die Veranstaltungen gegenseitig besuchen, oder gemeinsam an Demonstrationen teilnehmen, das halte ich für eine ganz natürliche Sache“, sagte Weiß. Diese Überschneidungen seien ihm zufolge „überhaupt nicht verwerflich“. Der Berliner JA-Vorsitzende fühlt sich offenbar vom RBB falsch verstanden, wollte damit keine Zusammenarbeit bestätigen, schrieb Weiß später auf Twitter, wobei er auch eine Unterlassungsklage ankündigte. Allerdings hatte der AfD-Funktionär schon in der Vergangenheit bekundet, dass er keine Probleme mit Doppelmitgliedschaften in beiden Gruppierungen habe. (bnr.de berichtete)

Da die „Identitären“ vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Organisation beobachtet werden, distanzierte sich die AfD in der Vergangenheit mehrfach von ihnen. So gab es Unvereinbarkeitsbeschlüsse sowohl seitens des Bundesvorstands der „Jungen Alternative“ als auch der AfD. Diese Abgrenzungen werden allerdings parteiintern nicht unkritisch gesehen, der rechte Parteiflügel  „Patriotische Plattform“ wünschte sich in Reaktion darauf vielmehr eine „engere Zusammenarbeit“ zwischen AfD und der völkisch-nationalistischen IB: „denn auch die AfD ist eine identitäre Bewegung und auch die Identitäre Bewegung ist eine Alternative für Deutschland.“ Häufig distanzierte man sich auch weniger aus ideologischen denn aus strategischen Gründen, wie beispielsweise der AfD-Bundesvize Alexander Gauland. (bnr.de berichtete)

Gemeinsame Flugblatt-Aktion


Im aktuellen Fall bezeichnet der Pressesprecher der „Jungen Alternative“ Berlin Ambros Josef Tazreiter in einem Facebook-Beitrag auf der Verbandsseite die Berichterstattung über eine Zusammenarbeit mit der IB schlicht als „Fake-News“ und „absurde Phantasie“. Fotos auf derselben Seite zeigen allerdings führende Berliner JAler, darunter die Vizechefs Alexander Bertram  (AfD-Chef in der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick) und Joel Bußmann bei einer Flugblatt-Aktion mit dem Aushängeschild der Berliner IB Robert Timm (einer der Besetzer des Brandenburger Tores und regelmäßiger IB-Vertreter in Interviews) sowie dem IB-Aktivisten Dietmar G. (Teilnehmer bei „Bärgida“).  Dass diese Bilder durchaus eine Zusammenarbeit dokumentieren, die über vermeintlich zufällige gemeinsame Veranstaltungsteilnahmen hinausgeht, scheint bei der JA Berlin niemandem aufgefallen zu sein.

Auch die in der Vergangenheit mehrfach thematisierte Beteiligung von AfD-Mitgliedern bei der bislang einzigen Demonstration der Berliner „Identitären“ am 17. Juni 2016 (bnr.de berichtete) widerspricht dem „Fake-News“-Vorwurf. So nahmen unter anderem Joel Bußmann (damals AfD-Direktkandidat für Mitte), Hendrik Pauli (Schatzmeister der AfD-Neukölln), The-Hao Ha (Beisitzer im JA-Berlin Vorstand), Johannes Sondermann („Patriotische Plattform“) und auch strukturell eingebunden als Ordner im IB-Shirt Jannik Brämer (AfD-Kandidat und Schatzmeister der JA Berlin) an dem Aufmarsch teil.

Mit IB-Aktivist „patriotisches Modelabel“ gegründet

Brämer trat in der Vergangenheit schon mehrfach bei Aktionen der „Identitären Bewegung“ in Erscheinung, war als Redner mit Megaphon und Mikro involviert und galt zeitweilig als ihr führender Kopf. Auf seinen Namen lief sogar bis 2016 die bundesweite Homepage der deutschen „Identitären“. Obwohl er diese Funktion mittlerweile abgab und sich in den vergangenen Wochen auffällig zurückhielt, scheint er seine Doppelfunktion nicht völlig aufgeben zu wollen. So unterstützte er die als „Blockade“ bezeichnete Sitzaktion der IB vor der CDU-Zentrale im vergangenen Dezember (bnr.de berichtete) durch Präsenz in der Gruppe von rechten Sympathisanten.

Zudem versucht er seit Anfang des Jahres zusammen mit einem führenden Aktivisten der Berliner „Identitären“ ein „patriotisches Modelabel“ zu etablieren. Zusammen mit Karsten Vielhaber, der beim IB-Aufmarsch am 17. Juni 2016 als Redner auftrat und zu den Besetzern des Brandenburger Tores gehörte, hat Brämer das Label „cuneus culture“ gegründet, das zwar bislang ohne offizielles Logo der IB daherkommt, aber mit seinem Sortiment aus Shirts mit Aufdrucken wie „Identität verteidigen“ oder Aufkleber mit Parolen wie „Islamisten zurückverschiffen“ und „Burkafreie Zone“ nicht nur optisch,  sondern fast wortgleich die selben inhaltlichen Positionen wie die „Identitären“ verbreitet. Insofern überrascht es auch wenig, dass die offizielle  Facebook-Seite der „Identitären Bewegung Deutschland“ den Versand aktuell als „neue identitäre Modemarke“ ganz offen bewirbt.

Dass die „Identitäre Bewegung“ schon längst eine Scharnierfunktion für die AfD und ihre Jugendorganisation ins außerparlamentarische Spektrum der „Neuen Rechten“ darstellt, ist hinlänglich bekannt. (bnr.de berichtete) Der Berliner Verband ist hierbei keine Ausnahme.

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