Brauner Tross am 1. Mai
Rund 200 Neonazis versammelten sich am gestrigen Dienstag im Bonner Stadtteil Beuel – der Hamburger NPD-Landesvize und Hauptredner Thomas Wulff verwies auf die angebliche Aktualität des NSDAP-Programms.
Es ist ein kurzer, aber ungemütlicher Weg, den die knapp 200 Neonazis an diesem Tag durch den Bonner Stadtteil Beuel nehmen müssen. Dass sie unwillkommen sind, wird ihnen an diesem 1. Mai sehr rasch deutlich gemacht. An den Häusern hängen Transparente gegen ihren Auflauf, in manchem Fensterrahmen liegen Lautsprecherboxen, die den braunen Trupp mit Karnevalsliedern beschallen, auf den Balkonen stehen Familien, die auf Kochtöpfe schlagen oder mit Trillerpfeifen für viel Lärm sorgen.
Der Neonazi-Tross versucht, mit den üblichen Parolen dagegenzuhalten. „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“, wird skandiert und: „Alles für Volk, Rasse und Nation“. In der Mitte des Zuges will der Hamburger Neonazi Thomas Wulff am Lautsprecherwagen Parolen vorgeben. „1. Mai – seit 1933 arbeitsfrei“, ruft er. Doch im allgemeinen Lärm dringt er akustisch kaum zur Spitze des Zuges durch. „Macht den Linken richtig Dampf – Straßenkampf, Straßenkampf“, schreien sie dort.
Nur knapp 500 Meter vom Beueler Bahnhof in die Innenstadt und wieder zurück zum Bahnhof dürfen die Neonazis an diesem Tag demonstrieren. Dass ihre Route drastisch verkürzt werden musste, war der ver.di-Jugend zu verdanken, die ihrerseits eine Demo in Beuel angemeldet hatte, damit auch vor Gericht erfolgreich war und so den Radius der Neonazis erheblich einengte. „Mehr ist heute nicht zu erreichen gewesen“, erklärt Anmelder Christian Malcoci entschuldigend die kurze Demo-Strecke. Aber trotzdem sei man ja in Bonn, der „linken Hochburg“, und „im Herzen von Beuel“, sagt der 48-Jährige.
„Junge Nationalsozialisten in einer jungen nationalsozialistischen Bewegung“
In seiner mehr als 30-jährigen Neonazi-Karriere war Malcoci unter anderem Mitglied der „NSDAP-Aufbauorganisation“ der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“, der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), des „Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ (KAH), der „Nederlandse Volksunie“ (NVU) und bis zum Verbot der „Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene“ (HNG) im vorigen September deren stellvertretender Vorsitzender.
Gemeinsam mit dem Düsseldorfer Neonazi Sven Skoda hatte Malcoci die Bonner Demonstration ursprünglich vorbereitet. Skoda sitzt ebenso wie etwa Axel Reitz aus Pulheim und Paul Breuer aus Köln nach der Razzia gegen Mitglieder und Unterstützer des „Aktionsbüros Mittelrhein“ im März in Haft. Der Ausfall der „Führungskameraden“ macht sich bemerkbar. Mit knapp 200 Teilnehmer – ganz überwiegend aus Nordrhein-Westfalen, dazu einige aus den Niederlanden – bleibt ihre Zahl deutlich hinter den Erwartungen zurück. Angekündigt waren 300. Zugleich fallen mit Reitz und Skoda zwei Standardredner aus, die in NRW und darüber hinaus regelmäßig bei Veranstaltungen der Szene ans Mikrofon traten.
Das braune Publikum muss – abgesehen von Malcocis kurzer Begrüßung und seiner noch knapperen Verabschiedung – an diesem Tag mit nur drei Rednern vorlieb nehmen: neben zwei jungen Neonazis aus Pulheim und Dortmund als Hauptredner Thomas Wulff. Er immerhin redet Klartext, wo die Jüngeren noch herumdrucksen und das offene Bekenntnis zum Nationalsozialismus vermeiden. Wulff, immer noch stellvertretender NPD-Vorsitzender in Hamburg, preist die angebliche Aktualität des NSDAP-Parteiprogramms an. Die Demonstranten, die ihm in Bonn zuhören, nennt er „junge Nationalsozialisten in einer jungen nationalsozialistischen Bewegung“. So offensive Töne hört sein Publikum gern.