Brauner Spuk im Fichtelgebirge

Rund 230 Neonazis aus den Reihen des „Freien Netzes Süd“ haben am Samstag im oberfränkischen Wunsiedel ein so genanntes „Heldengedenken“ veranstaltet. Die Teilnehmer des rechtsextremen Aufzugs sind aus mehreren Bundesländern sowie aus europäischen Nachbarstaaten angereist.

Montag, 19. November 2012
Johannes Hartl

Neben dem alljährlich stattfindenden Ersten-Mai-Aufmarsch des „Freien Netzes Süd“ (FNS) zählt das „Heldengedenken“ im oberfränkischen Wunsiedel seit jeher zu den festen Terminen des bayernweit agierenden brasunen Kameradschaftsnetzwerks. Auch in diesem Jahr hatte das „Freie Netz Süd“ wieder in die Stadt im Fichtelgebirge mobilisiert. Angezeigt wurde der Aufmarsch unter dem Motto: „Tot sind nur jene, die vergessen werden“ diesmal von dem bekannten FNS-Aktivisten Norman Kempken aus Nürnberg, der bei der zuständigen Behörde 150 Teilnehmer angemeldet hatte. Die Polizei war am Samstag allerdings vor Demonstrationsbeginn bereits von etwa 300 Teilnehmern ausgegangen, wie ein Pressesprecher mitteilte.

230 Neonazis fanden sich am Samstag schließlich in Wunsiedel ein, die Verbotsbemühungen des Landratsamts Wunsiedel waren zuvor vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth gescheitert. Zu den Teilnehmern des Aufmarschs zählten unter anderem der FNS-Führungskader Matthias Fischer, der FNS-Aktivist Rainer Biller (vormals NPD) sowie die FNS-Kader Norman Kempken, Roy Asmuß, Daniel W., Michael Reinhardt und Kai-Andreas Zimmermann aus dem mittelfränkischen Fürth. Außerdem anwesend waren Sebastian Schmaus (BIA-Stadtrat), der frühere Rechtsterrorist Karl-Heinz-Statzberger, Uwe Meenen (Bund Frankenland, NPD Berlin), Vanessa Becker (FNS, Kameradschaft München-Nord) und der FNS-und „Bürgerinitiative-Soziale-Alternative-Oberpfalz“-Aktivist Robin Siener aus dem oberpfälzischen Cham. Zudem waren einige Personen aus der NPD beziehungsweise deren direktem Umfeld vor Ort, was angesichts der Streitereien zwischen beiden Fraktionen zumindest als ungewöhnlich zu bezeichnen ist. So marschierten am Samstag auch Marcel Marderer von der Division Franken, Dietmar Döring von der NPD Coburg und Heidrich Klenhart von der NPD Oberpfalz mit durch die Fichtelgebirgsstadt.

„Schweinehunde“ und „Abschaum“

Obwohl der Aufmarsch ursprünglich um 12.30 Uhr starten sollte, verzögerte sich der Beginn zunächst um zwei weitere Stunden. Während der Wartezeit versuchten die Neonazis immer wieder, Journalisten in ihrer Arbeit zu behindern. Besonders ein Mitarbeiter der „Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.“ (a.i.d.a.) wurde massiv an der Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit gehindert. Erst, nachdem gegen 14.30 Uhr ein Bus aus dem oberbayerischen Raum eintraf mit weiteren Teilnehmern, begann der „Trauermarsch“.

Zunächst verlas Matthias Fischer die Auflagen und nutzte diese Gelegenheit auch gleich zur Hetze. So bezeichnete er engagierte Bürger als „Schweinehunde“ und riet den 230 „Kameraden“: „Lasst euch von dem Abschaum, der sich heute am Straßenrand sammeln wird, um die bunte Republik abzufeiern, nicht aus dem Konzept bringen.“ Anschließend trat der eigens aus Hamburg angereiste Neonazi Thomas „Steiner“ Wulff ans Mikrofon, der ein Loblied auf den im Oktober 2009 verstorbenen Neonazi Jürgen Rieger sang, den der als „großen Rechtsanwalt und Kämpfer für Deutschland“ bezeichnete. An anderer Stelle titulierte Wulff Holocaust-Leugner wie Horst Mahler als „mutige Menschen“, denen „zynische Prozesse“ gemacht werden würden, in denen wiederum „kaum sachlich verteidigt werden darf“.

„Bewusst außerhalb dieser Gesellschaft stehen“

Als sich der Aufmarsch in Richtung Zwischenkundgebung bewegte, begaben sich „Anti-Antifa“-Fotografen immer wieder weit außerhalb des Demonstrationszuges und lichteten Journalisten und Gegendemonstranten ab, ungehindert von der Polizei.

Daniel W. aus Schwandorf macht bei der folgenden Kundgebung dann deutlich, dass er nichts von „dieser Gesellschaft“ hält. „Liebe Kameradinnen, liebe Kameraden: Wer sich heute hier in Wunsiedel eingefunden hat, steht außerhalb der Gesellschaft eines Staates, der die Geschichte seines Volkes verwappnet. Teils aus Unkenntnis, teils aus anerzogenem Selbsthass! Aber stets im Sinne einer fast unabwendbar scheinenden Zukunft, in der es keine Deutsche mehr geben soll“, so W. „Und ganz bewusst stehen wir außerhalb dieser Gesellschaft, deren Anonymität und Gleichgültigkeit wir verabscheuen, deren Pseudo-Werte wir ablehnen“, fügte der mehrfach verurteilte Neonazi an und verkündete: „Wunsiedel, wir kommen wieder!“ Auf W. folgte als Redner der Berliner NPD-Funktionär Uwe Meenen, der außerdem im „Bund Frankenland“ des „Freien Netzes Süd“ aktiv ist.

Mit einem Stahlhelm auf einem Kreuz aus Birkenholz und Kranzträgern auf der linken und der rechten Seite setzte sich der Aufmarsch wieder in Bewegung. Die Banner waren überwiegend aus dem Repertoire des „Freien Netzes Süd“, jedoch war auch die RNJ-Vogtland mit einem Transparent vertreten, obwohl sich diese eigenen Angaben zufolge aufgelöst haben will. Ebenfalls vertreten waren der „Fränkische Heimatschutz Coburg“ mit gleich zwei Bannern und das „Nationale Bündnis Niederbayern“ mit einem Transparent. Ohne Banner angereist waren die Teilnehmer aus Tschechien und Holland.

Die „Kunde“ des Aufzugs mitnehmen

Die Abschlusskundgebung wurde von Matthias Fischer moderiert, zu Wort kamen wieder Thomas Wulff sowie der rechtsextreme Publizist Ralph Tegethoff. Wulff dankte der „wachen und aufgeschlossenen Bevölkerung Wunsiedels“, sprach von einem „Euro-Wahnsinn“ und drohte: „Wir sind diejenigen, die sich das Recht herausnehmen als freie Deutsche, als freie Nationalisten für die Belange unseres Volkes auch in Zukunft überall dort aufzutreten, wo wir es für richtig halten. Und wenn sie es uns nicht genehmigen, dann werden wir uns das Recht überall dort nehmen, mit allen Möglichkeiten, die einer Opposition, einer Widerstandsbewegung zur Verfügung stehen.“ Ralph Tegethoff rief, begleitet von Trommelschlägen, die „Soldaten der kaiserlichen Armee, die Soldaten der Freikorps, die gefallenen Soldaten des Heeres, die gefallenen Soldaten der Luftwaffe und die gefallenen Soldaten der Marine“ an. Von den Anwesenden wurde dies wiederum mit einem lautstarken „Hier“ quittiert, ehe dann noch „das Lied vom guten Kameraden“ eingestimmt wurde, das alle Neonazis gemeinsam sangen.

In seinem Schlusswort ermahnte Fischer die „Kameraden“ noch, die „Kunde“ des heutigen Aufzugs mit nachhause zunehmen und „dafür zu sorgen, dass wir im nächsten Jahr hier in Wunsiedel noch ein deutlicheres Zeichen setzen“, so der Fürther Neonazi. Doch damit war die Kundgebung noch nicht beendet, Fischer wollte noch auf die „Gefangenen“ warten. Laut Polizei wurde ein Neonazi vorübergehend in Gewahrsam genommen, da er Gegenstände zur Vermummung und schlagkraftverstärkende Handschuhe mit Sandfüllung mit geführt haben soll.

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