Brauner Fleck im Westen

In Duisburg hat die NPD bei der Bundestagswahl erschreckend hohe Einzelergebnisse erzielt – bei der anstehenden Kommunalwahl im Mai hofft sie nun auf Mandate im Stadtrat. Auch die Rechtspopulisten von „pro NRW“ wittern in der Ruhrgebietsstadt Morgenluft.

Mittwoch, 06. November 2013
Tomas Sager

Der Eindruck ist nicht neu: die NPD als ostdeutsche Regionalpartei, die in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern Erfolge landen kann, im Westen der Republik aber im wahltechnischen Nirwana der 0,x-oder 1,x-Prozent-Ergebnisse vor sich hin dümpelt. NPD-Chef Holger Apfel darf aber schon qua Amt an solche Einschätzungen nicht glauben. Und so saugt er „Zuversicht“ aus einigen Zahlen der Bundestagswahl. „Viele westdeutsche Ergebnisse untermauern unseren gesamtdeutschen Anspruch“, schreibt er in der Novemberausgabe der Parteizeitung „Deutscher Stimme“. Das Saarland nennt er als Beispiel, wo man deutlich zugelegt habe. Und Nordrhein-Westfalen nimmt er in den Blick, zumindest einige Regionen im einwohnerstärksten Bundesland: „Städte wie Duisburg, Oberhausen und Gelsenkirchen erzielten das Niveau mitteldeutscher Großstädte, in Duisburg wurde gar der Spitzenwert von 4,5 % Erststimmen erzielt!“

Tatsächlich erkennt, wer die Wahlergebnisse der NPD in den Blick nimmt, tief im Westen einen braunen Flecken mit Ergebnissen, wie sie sonst eher für Sachsen oder Vorpommern zu erwarten sind. 4,51 Prozent der Erststimmen und 3,37 Prozent der Zweitstimmen erzielte Apfels Partei im Wahlkreis Duisburg II am 22. September. Nirgendwo in den alten Bundesländern schnitt die NPD besser ab als im Norden Duisburgs. Im gesamten Stadtgebiet reichte es immer noch für 4,2 Prozent der Erst- und 2,8 Prozent der Zweitstimmen. Erschreckend die Ergebnisse aus einzelnen Wahllokalen: In der Spitze erzielte NPD-Kandidat Sven Peter Stölting 11,9 Prozent der Erststimmen, noch vor den Kandidaten von AfD, FDP, Grünen, Linken und Piraten; bei den Zweitstimmen kam seine Partei auf bis zu 9,3 Prozent.

Solche Ergebnisse wecken Begehrlichkeiten. Würde die NPD ihr Ergebnis bei der am 25. Mai anstehenden Kommunalwahl wiederholen können, dürfte sie auf zwei bis drei Mandate im Stadtrat hoffen. NPD-Landespressesprecher Matthias Wächter nannte die Zielmarke für die Stadt ganz im Westen des Ruhrgebiets: „In Duisburg soll der Fraktionsstatus erreicht werden.“

„Der Köder muss dem Fisch schmecken“

Helfen soll ein neuer Kreisvorstand. Mit Melanie Händelkes (36), einer gelernten Erzieherin, die auch dem Landesvorstand der Partei angehört, steht eine vergleichsweise junge Vorsitzende an der Spitze des NPD-Kreisverbands. Ebenso wie Bundestagskandidat Stölting (30), der in Viersen lebt, stammt sie nicht aus Duisburg, sondern aus dem unweit der niederländischen Grenze gelegenen Örtchen Wachtendonk. Als Polit-Import soll sie nun dafür sorgen, dass das extrem rechte Stimmenpotenzial, das in den letzten Jahren regelmäßig in Duisburg größer war als andernorts, auch kommunalpolitisch für die NPD Früchte trägt.

„Politikfähig“ will sich die NPD in Duisburg präsentieren, nachdem sie bisher kommunal nie einen Fuß auf den Boden bekommen hatte. Mit mehr „Seriosität“ oder „gemäßigteren“ Äußerungen darf man das aber nicht verwechseln. Nach der Bundestagswahl hatte NPD-Landeschef Claus Cremer die Maxime ausgegeben: „Eine wie auch immer geartete Verbürgerlichung  beziehungsweise ein Aufweichen alter Grundsätze wird es dabei auch in Zukunft nicht geben, jedoch müssen wir uns immer vor Augen halten, dass der Köder dem Fisch und nicht dem Angler schmecken muss.“

Diese Regel hatte der Kreisvorstand in der Vergangenheit nicht beherzigt. Der Blick auf die private Facebook-Seite eines Duisburger Ex-NPD-Vorsitzenden zeigt, welcher Köder dem früheren rechten „Angler“ besser gefiel: Er präsentiert dort seine ganz persönliche Mischung aus Hitler- und Wehrmachtsbildern. In der offiziellen Darstellung der Partei ist derlei NS-Nostalgie passé. Stattdessen will die NPD mit besonders rabiaten Tönen gegen Zuwanderer punkten. NPD-Sprecher Wächter gibt die Linie vor, wenn er gegen „Begleiterscheinungen der Sinti- und Roma-Flut (sexuelle und andere Bedrohungen, Raub- und Diebeszüge)“ und die „kommunalen Multi-Kulti-Versager-Politiker“ wettert.

„Mit Asylmissbrauch-Kampagne in den Rat“

Erst recht nach der Bundestagswahl wittern weitere Rechtsaußen-Parteien in der Ruhrgebietsstadt Morgenluft. Auch die Rechtspopulisten von „pro NRW“, denen es über die Jahre nicht gelang, dort einen funktionierenden Kreisverband aufzubauen, versuchen sich nun mit einem Personal-Import. Mario Malonn, bis Oktober Vorstandsmitglied der ehemaligen Schwesterpartei „pro Deutschland“ und ihr Kreisvorsitzender in Berlin-Spandau, soll nun sein Glück im Westen versuchen.

Zwar deuten seine ersten Auftritte unter „pro NRW“-Label nicht darauf hin, dass er zum neuen rechten Shootingstar taugen könnte. Doch einen ersten Erfolg konnte er Anfang Oktober verbuchen, als zu zwei „pro NRW“-Demonstrationen nicht nur wie sonst lediglich das Stammpersonal aus den eigenen Reihen erschien, sondern auch Bürger aus der Stadt selbst an den Veranstaltungen teilnahmen. Für den 9. November kündigt die selbst ernannte „Bürgerbewegung“ weitere Demonstrationen in Duisburg an. Gegen ein Verbot der Veranstaltungen klagt „pro NRW“ vor dem Verwaltungsgericht. „Mit einem provokanten Wahlkampf und einer Kampagne gegen den Asylmissbrauch sowie den weiteren Zuzug von Armutsflüchtlingen nach Duisburg peilt der Kreisverband einen Ratseinzug in Fraktionsstärke an“, erläuterte „pro NRW“ Anfang Oktober die Wahlkampfstrategie.

Gut möglich, dass es angesichts der Konkurrenz rechtsaußen zwar für Ratsmandate reichen wird, NPD und „pro NRW“ aber auf den auch finanziell lukrativen Fraktionsstatus verzichten müssen.

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