Anschlag auf linkes Bremer Jugendzentrum

Brauner Brandstifter muss fast fünf Jahre ins Gefängnis

Mehr als fünf Jahre nach dem Brandanschlag auf das alternative Bremer Kultur- und Jugendzentrum „Die Friese“ ist der Neonazi Jan Henrik E. zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Zwei Gesinnungsgenossen kamen mit Bewährungsstrafen davon – wegen unterlassener Hilfeleistung.

Donnerstag, 22. Mai 2025
Joachim F. Tornau
Die angeklagten Männer vor dem Landgericht Bremen, Foto: Joachim F. Tornau
Die angeklagten Männer vor dem Landgericht Bremen, Foto: Joachim F. Tornau

Von dem Bedauern und der Läuterung, die die Neonazis vor Gericht bekundeten, war zwei Jahre nach der Tat noch wenig zu spüren gewesen. Da saßen sie im Auto, hörten Rechtsrock – und ergänzten die Liedzeile „Lichterloh brennt“ lauthals grölend: „Die Friese!“

Im Februar 2020 hatte ein Feuer im linksalternativen Bremer Jugend- und Kulturzentrum „Die Friese“ gewütet. Gelegt wurde es während eines Konzerts, das rund 30 Menschen besuchten, der Sachschaden betrug fast 190.000 Euro. Erst fünf Jahre danach begann im Januar dieses Jahres der späte Prozess vor dem Landgericht der Hansestadt an der Weser: Drei Männer aus dem Umfeld der mittlerweile aufgelösten Kleinstpartei „Die Rechte“ mussten sich wegen des Anschlags verantworten. Am Donnerstag wurde nach 15 Verhandlungstagen das Urteil verkündet.

Hass auf Andersdenkende

Jan Henrik E., der den Brand durch das Anzünden einer aufgehängten Jacke entfacht hatte, muss für vier Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Die Strafkammer verurteilte den 29-Jährigen aus Dörverden wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung. Zwar hatten sich alle Anwesenden rechtzeitig ins Freie retten können, einige von ihnen haben jedoch noch heute mit den physischen und psychischen Folgen jener Nacht zu kämpfen.

„Es war die Verachtung, der Hass auf politisch andersdenkende Menschen, die ihn dazu bewog, das Feuer zu legen“, sagte Strafkammervorsitzender Hendrik Göhner. „Es war Glück im Unglück, dass an diesem Abend nicht noch mehr Menschen im Gebäude waren, nicht noch mehr Menschen verletzt wurden.“ Beim Strafmaß ging das Gericht deutlich über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus, die drei Jahre und neun Monate verlangt hatte. Die Verteidigung hatte auf eine zweijährige Bewährungsstrafe plädiert.

Sympathien für den NSU und „Blood & Honour“

Die Behauptung des Neonazis, er habe den Brand versehentlich beim Anzünden einer Zigarette gelegt und das wegen seines Alkoholpegels leider überhaupt nicht bemerkt, verwies Göhner ins Reich der Fantasie. Zugleich aber befand das Gericht: Der Angeklagte habe spontan gehandelt, es sei „kein von langer Hand geplanter Anschlag“ gewesen.

Eine Hausdurchsuchung hatte deutliche Hinweise darauf erbracht, dass Jan Henrik E. sowohl mit dem rechtsterroristischen NSU als auch mit der Terrorstrategie des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ sympathisiert: Neben zahlreichen NS-Devotionalien wurde ein in den Scheunenboden geritztes Hakenkreuz mit den Worten „Danke Uwe“ gefunden. iIm Regal stand neben Hitlers „Mein Kampf“ auch das „Blood & Honour“-Manifest „The way forward“, das den bewaffneten Kampf in kleinen Zellen propagiert.

Strafen aus anderen Verfahren

Dass Jan Henrik E. mit seinen beiden Gesinnungsgenossen eine „Terrorzelle“ gebildet haben könnte, schloss die Strafkammer jedoch aus. Nico J. (35) aus Güstrow und Dave S. (41) aus Bremen wurden sogar lediglich wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt: Entgegen ihren Beteuerungen vor Gericht hätten sie das gefährliche Zündeln ihres Kameraden bemerkt – aber nichts getan, um die Menschen in der „Friese“ zu warnen. „Sie waren keine Mittäter, sie waren auch keine Helfer“, sagte Göhner. „Der Begriff des Mitwissers trifft es am besten.“

Beide kamen mit Bewährungsstrafen davon, die sich zusammen mit einbezogenen Strafen aus anderen Verfahren bei Nico J. auf 20 Monate und bei Dave S. auf zehn Monate summieren. Gegen Dave S. wurden zudem weitere 15 Monate verhängt, weil er im vergangenen Jahr in einem Bremer Bus randaliert und auf den Fahrer eingeprügelt hatte – begleitet von rassistischen Ausfällen. Die Verteidigung hatte beantragt, die zwei Neonazis von jeglicher Schuld am Brand in der „Friese“ freizusprechen.

Gewaltfantasien

Alle Angeklagten hatten im Prozess beteuert, eigentlich schon vor der Tatnacht nicht mehr politisch aktiv gewesen zu sein. Alles nur irgendwie blöd gelaufen damals, einem Übermaß an Alkohol geschuldet, so die Botschaft. Doch die Gespräche, die die Polizei bei ihren Ermittlungen belauschte, erzählten etwas anderes. Da bejubelten die Neonazis nicht nur das Feuer in der „Friese“, da brüsteten sie sich auch mit ihrer (früheren) Zugehörigkeit zur 2019 verbotenen Bremer Neonazi-Schlägertruppe „Phalanx 18“ und gaben sich Gewaltfantasien hin.

Sie malten sich bewaffnete Angriffe auf linke Szeneviertel aus. Sie wollten Frauen vergewaltigen, nur weil sie einen Pullover mit dem Totenkopfsymbol des FC St. Pauli trugen. Und sie sprachen offen davon, wie schön es wäre, wenn es in Deutschland wirklich einen Rechtsruck gäbe. Denn dann, geiferte Dave S., könne man „diese Dreckszeckenhöhlen ausräuchern“. Er meinte Orte wie das selbstverwaltete Kultur- und Jugendzentrum im Bremer Steintorviertel.

Hauptverdächtige über anstehende Razzia informiert

Nebenklageanwältin Lea Voigt, die eine Betroffene des Anschlags vertritt, sprach von einem „wohlbegründeten Urteil“. Das Gericht habe anerkannt, dass es sich um einen rechtsextrem motivierten Anschlag gehandelt habe – das sei das Wichtigste. „Die Frage, ob es eine spontane oder von langer Hand geplante Tat war, ist für uns nicht entscheidend.“ Voigt erneuerte ihre Kritik am Staatsschutz der Bremer Polizei, der die Ermittlungen in der Anfangszeit verschleppt und unerklärliche Fehler gemacht habe. So sei der Hauptverdächtige vorab über die anstehende Hausdurchsuchung informiert worden und habe sein Handy beiseiteschaffen können.

„Das muss aufgearbeitet werden“, forderte die Anwältin. „Wenn das Gericht meint, dass dieses Verfahren nicht der richtige Ort dafür war, dann muss es anderswo geschehen – im politischen Raum oder behördenintern bei der Polizei.“

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