Braune Störaktionen am Breitscheidplatz?

Die rechtsextreme Szene will den Jahrestag des islamistischen Terroranschlags in Berlin für ihre rassistische Hetze nutzen.

Freitag, 15. Dezember 2017
Theo Schneider

Neonazis wollen am kommenden Dienstag das offizielle Gedenken an die Opfer des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz vor einem Jahr stören. Am 19. Dezember 2016 war ein islamistischer Terrorist mit einem LKW auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast. Elf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Seitdem versuchen immer wieder rechte und rechtsextreme Gruppierungen den Anschlag für ihre rassistischen Proteste zu nutzen, führen regelmäßig Versammlungen im direkten Umfeld des Tatorts durch. (bnr.de berichtete)

Zum ersten Jahrestag des islamistischen Anschlags am kommenden Dienstag meldete der Berliner NPD-Vize Sebastian Schmidtke unter dem Motto „Die Grenzen schließen - nicht die Weihnachtsmärke“ eine Kundgebung in unmittelbarer Nähe des Anschlagsortes an. Beworben wird die Versammlung nicht nur durch Berliner NPD-Strukturen, sondern auch durch die Organisatoren der regelmäßigen „Merkel muss weg“-Protestreihe unter der Bezeichnung „Wir für Deutschland“ (WfD) um Enrico Stubbe. (bnr.de berichtete)

NPD-Hintergrund wird verschleiert

Zwar haben sowohl die Hauptstadt-NPD als auch WfD seit längerer Zeit mit mangelnder Resonanz bei ihren Veranstaltungen und in der öffentlichen Wahrnehmung zu kämpfen. Datum und Ort dürften dieses Mal aber vermutlich zu einer höheren Teilnehmerzahl führen als die angemeldeten 20 Personen. An der Facebook-Veranstaltung sind derzeit 125 Personen interessiert. Zudem wird in dem sozialen Netzwerk der NPD-Hintergrund verschleiert, indem als Veranstalter nicht Schmidtke und die NPD auftreten, sondern die vermeintliche Initiative „Wache auf - Handeln statt klagen“.

Dieses Label wurde von den Neonazis bereits zu Zeiten der massiven flüchtlingsfeindlichen Proteste in Berlin verwendet, oft diente das Banner mit dem gleichen Slogan als Fronttransparent. Dass dahinter organisierte Neonazis aus NPD & Co. standen, konnte zwar schnell aufgedeckt werden, dennoch kamen zeitweilig bis zu 1000 Personen zu den fremdenfeindlichen Aufmärschen. (bnr.de berichtete) Zuletzt wurden von „Wache auf - Handeln statt klagen“ vor allem NPD-Inhalte verbreitet und Kundgebungen für den Holocaust-Leugner Horst Mahler beworben.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) geht „angesichts der Thematik“ von einer größeren Beteiligung an der rechtsextremen Kundgebung am Dienstag aus, da „zudem bislang keine Konkurrenzversammlung wie im letzten Jahr aus dem Spektrum ‚Ein Prozent' und AfD angemeldet worden“ seien.

Eigene Kampagnen-Sonderseite der „Identitären“

Nicht nur die Neonazi-Szene versucht den Anschlag zu instrumentalisieren, auch die neurechte „Identitäre Bewegung“ (IB) will Kapital aus den Opfern des islamistischen Terrors schlagen. Seit einigen Wochen führt die extrem rechte Gruppe eine Kampagne unter dem Motto „Kein Opfer ist vergessen“ durch. In diesem Rahmen kam es neben Plakatierungen auch zu den mittlerweile obligatorischen Transparentaktionen der Gruppe in Berlin und Wuppertal, aber auch zu Farbanschlägen auf Parteibüros im sächsischen Bautzen.

Auf einer eigenen Kampagnen-Sonderseite wird der Terroranschlag vom 19. Dezember auf dem Breitscheidplatz von der IB ausgiebig für ihre rassistische Argumentation thematisiert. In irgendeiner Weise werden die „Identitären“ deswegen vermutlich den Anschlag am Jahrestag für ihre Zwecke nutzen wollen, vermutet die MBR: „Da die Gruppe darauf aus ist, möglichst viel Öffentlichkeit zu erlangen, muss mit Störungen im Kontext der Gedenkaktionen für die Opfer des Anschlags gerechnet werden“, heißt es auf der Homepage der Beratungsstelle.

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