Braune Sozialdemagogen
Neben einer Veranstaltung in Bremen am Tag zuvor plant die rechtsextreme Szene Aufmärsche zum 1. Mai in Greifswald, Halle, Heilbronn und möglicherweise noch weiteren Städten.
Eigentlich hatte es „die zentrale Veranstaltung des NPD-Parteivorstandes“ zum 1. Mai werden sollen: Etwa 1000 Teilnehmer hatte die Partei für ihre Demonstration und einen „Sozialkongress“ in Bremen angekündigt. Drei Wochen vor der Wahl der Bürgerschaft erhoffte sich die Partei durch die Veranstaltung mit allerlei NPD-„Prominenz“ zusätzlichen Schwung für den Wahlkampf und mediale Aufmerksamkeit. Bislang fehlte es an diesem Schwung. Und jetzt musste auch noch die Mai-Veranstaltung verlegt werden: „Sozialkongress“ und Demonstration wurden um einen Tag auf Samstag, 30. April, vorgezogen.
Die NPD versuchte dies als taktisch geschickten Schachzug darzustellen. „Wir unterlaufen damit den Versuch des politischen Gegners, unsere Demonstration mit Taschenspielertricks zu verhindern und ganz Bremen am 1. Mai gegen uns zu blockieren“, ließ sich NPD-Wahlkampfleiter Jens Pühse zitieren. Die Stadt habe die NPD-Veranstaltung in Randgebiete Bremens abdrängen wollen, klagte die Partei und nannte als zweiten Grund für die Verlegung: So werde es „Unterstützern aus dem gesamten Bundesgebiet“ ermöglicht, „an dem betreffenden Wochenende an mehreren Veranstaltungen teilzunehmen“.
„Mickriger Systemwahlkrampf“
Tatsächlich war in der Szene das Interesse an einer Reise nach Bremen am 1. Mai eher gering ausgeprägt. Er finde es „persönlich nicht passend, dass der 1. Mai für einen mickrigen Systemwahlkrampf missbraucht wird“, notierte in einem einschlägigen Neonazi-Forum ein Kommentator und drückte damit die Stimmungslage mancher „Kameraden“ aus, die der Partei kritisch gegenüberstehen. Aber nicht nur „parteifreie“ Neonazis waren skeptisch. Auch in der NPD selbst hielt sich die Begeisterung für die „zentrale Veranstaltung“ in Grenzen. Statt von einer vierstelligen Teilnehmerzahl ging die Innenbehörde der Hansestadt zuletzt von gerade einmal 250 NPD-Mitgliedern und -Anhängern aus, die am Tag der Arbeit den Weg nach Bremen finden würden.
„Soziale Sicherheit statt Raubtierkapitalismus“ soll das Motto der Veranstaltung sein. Zunächst war die Veranstaltung unter dem Slogan „Nationale Solidarität statt Raubtierkapitalismus“ angekündigt worden. Sprechen sollen unter anderem Parteichef Udo Voigt, sein Stellvertreter Matthias Faust, der sächsische Fraktionsvorsitzende Holger Apfel sowie als einzige Vertreterin der „freien Nationalisten“ Ursel Müller, die Vorsitzende der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG).
„Fremdarbeiterinvasion stoppen“
Zu denen, die eigene Veranstaltungen dem Bremer Event vorziehen, gehört offenbar Udo Pastörs, der Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag. Er war ursprünglich als Teilnehmer in Bremen angekündigt, verschwand aber von der Rednerliste. Statt dessen lud der NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern für den „Tag der deutschen Arbeit“ zu einer eigenen Veranstaltung ein, die in Greifswald stattfinden soll und von „parteifreien“ Neonazis unterstützt wird. Das Motto dort: „Unsere Heimat – unsere Arbeit! Fremdarbeiterinvasion stoppen“. Die Hansestadt Greifswahl hat die Demonstration Mitte April verboten. Die juristische Auseinandersetzung läuft derzeit noch. Erwartet werden rund 500 Neonazis. Im vorigen Jahr kamen zu einer von der NPD organisierten Demo in Rostock rund 600 Teilnehmer.
Neonazis vor allem aus Süddeutschland wollen sich unter dem Motto „Fremdarbeiterinvasion stoppen – Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ in Heilbronn treffen. Wie im vorigen Jahr – seinerzeit in Schweinfurt – ruft ein „Nationales und soziales Aktionsbündnis 1. Mai“ zum „Arbeiterkampftag“ im Süden der Republik auf. Gerechnet wird mit bis zu 1000 Teilnehmern. 850 waren es im vorigen Jahr in Schweinfurt. Als Unterstützer werden überwiegend Gruppen „parteifreier“ Neonazis genannt, aber auch die NPD-Landesverbände Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz.
Angekündigter Redner in Haft
Als Redner sind unter anderem der stellvertretende NPD-Vorsitzende Karl Richter sowie der Ex-NPD-„Vordenker“ Jürgen Schwab angekündigt. Auf einen der angekündigten Redner wird das Publikum vermutlich verzichten müssen: Der österreichische Neonazi Gottfried Küssel sitzt zurzeit in Haft. Ein von der Stadt Heilbronn erlassenes Versammlungsverbot hat das Verwaltungsgericht Stuttgart am Mittwoch aufgehoben. Die Stadtverwaltung kündigte an, gegen die Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim Rechtsmittel einzulegen.
Ausschließlich „parteifreie“ Gruppen überwiegend aus den neuen Ländern, aber auch aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nennen bisher die Veranstalter einer Demonstration, die am 1. Mai in Halle stattfinden soll, als Unterstützer. Auch dort wird im Aufruf und mit dem Motto Bezug auf die am 1. Mai in Kraft tretende volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für acht osteuropäische Länder genommen. Im Jargon der Veranstalter: „Zukunft durch Arbeit – Fremdarbeiter stoppen!!!“ In Halle dürfte mit bis zu 500 Neonazis zu rechnen sein.
Nicht ausgeschlossen ist, dass es am 1. Mai oder am Tag zuvor zu weiteren Veranstaltungen kommen wird, die bisher nicht öffentlich beworben werden. So fanden in den letzten Jahren zumeist auch Demonstrationen „parteifreier“ Neonazis in Sachsen statt. Im vorigen Jahr kamen zum Beispiel rund 400 Neonazis zu einer Demonstration in Hoyerswerda.