Braune Saubermänner

Die Zahl von sozialen Kümmerer-Aktionen aus dem rechten Lager ist zuletzt massiv angestiegen. So werden Weihnachtsfeiern für Kinder veranstaltet, unter dem Motto „Deutsche helfen Deutschen“ Spendensammlungen und Verteilaktionen für Bedürftige und Obdachlose organisiert.

Mittwoch, 06. Dezember 2017
Horst Freires

Gerade in der Vorweihnachtszeit wollen Neonazis oder rechtsextreme Gruppen ihr Image aufpolieren und Anhänger unter Bedürftigen rekrutieren. Zugleich soll aber auch suggeriert werden, dass der Staat, und damit ist zugleich immer „das System“ gemeint, auf seinen unterschiedlichen Ebenen keine verlässliche Sozialarbeit leistet und auch die etablierten Wohlfahrtsverbände und Kirchen dies nur bedingt schaffen. Wenn plötzlich Weihnachten propagiert wird, so ist das zugleich auch die Botschaft, christliche Werte über die anderer Religionen zu stellen.

Bereits beim Thema Kindesmissbrauch schaffte es die rechte Szene, sensible Aufmerksamkeit für sich zu verbuchen. Ähnlich perfide werden Kinder nun auch in der Adventszeit instrumentalisiert. So lud der thüringische NPD-Funktionär Patrick Wieschke am 2. Dezember in Eisenach in die dortige Parteizentrale zur jährlichen Kinderweihnachtsfeier ein.  Im Anschluss daran konnten sich die Erwachsenen an den Ausführungen des langjährigen Neonazis Meinolf Schönborn und den Balladen der Rechtsrock-Band „Faust“ erfreuen. (bnr.de berichtete) Ein Parteilogo tauchte bei den Einladungsaufrufen nirgends auf. Und auch die Gaststätte „Titanic“ in Neumünster, Treffpunkt der rechten Szene, in der zuletzt immer wieder Parteiveranstaltungen der NPD stattgefunden haben, bleibt sich treu und präsentiert wie in Jahren zuvor den Nikolaus, „um unsere lieben Kleinen zu verwöhnen“.

„Angebot ausschließlich für unsere deutschen Landsleute“

In Anlehnung an die 1933 gestartete nationalsozialistische „Winterhilfe“ oder dem sich anschließenden „Winterhilfswerk“ taucht der Begriff auch heute noch auf. So etwa in einer Kampagne der NPD-Parteijugend Junge Nationaldemokraten, die seit 2014 diese Aktion pflegen. In Eisenach trommelt Wieschke für eine „Winterhilfe für Deutsche“. Im sächsischen Bautzen geht es ebenfalls um „Deutsche Winterhilfe“, und unmissverständlich heißt es auf einer eigens dafür eingerichteten Facebook-Seite: „Dieses Angebot gilt ausschließlich für unsere deutschen Landsleute.“ Initiator ist Marco Wruck, dem die NPD im August den Laufpass gegeben hat. Hintergrund sollen finanzielle Streitigkeiten gewesen sein. Unterstützt wird das aktuelle Engagement von Wruck von dem Dresdner Rene Despang, einem früheren NPD-Landtagsabgeordneten.

Das eigene Profil durch die Schaffung sozialer Projekte schärfen, diese Leitlinie gab jüngst Peter Schreiber auf dem sächsischen NPD-Landesparteitag aus, auf dem der stellvertretende Landesvorsitzende zum designierten Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen 2019 vorgeschlagen wurde. Ausdrücklich sprach Schreiber dabei das seit knapp einem Jahr laufende Projekt „Soziale Aktion Sachsen“ am Sitz der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ in Riesa an, wo ein Sozialladen unter der Regie von Peter Schreibers Ehefrau Ines geöffnet hat. Dort soll für den 15. Dezember weihnachtlich geschmückt werden und man heißt „insbesondere die Kinder ganz herzlich willkommen“.

„Antikapitalistische Pakete“ vom Nikolaus

Im März hatte der NPD-Bundesparteitag in Saarbrücken beschlossen, das Projekt „Deutsche helfen Deutschen“ möglichst flächendeckend umzusetzen, der Landesverband Brandenburg startete beispielsweise im Sommer damit. Seit dem 26. November existiert der Aufruf der Berliner NPD: „Spendet für deutsche Obdachlose.“

Auch die neonazistische Splitterpartei „Der III. Weg“ bewegt sich auf historischem „Winterhilfe“-Kurs und streift sich das Mäntelchen des sozialen Kümmerers in der Not über. Laut eigener Homepage hat man unter anderem in München, Berlin und Zwickau die Initiative „Deutsche Winterhilfe“ bereits umgesetzt. In Konstanz verteilt der Nikolaus zudem „antikapitalistische Pakete“ in der Innenstadt - „gegen die Entseelung des traditionellen Weihnachtsfestes“. Mit dem NPD-Slogan „Deutsche helfen Deutschen“ geht auch der Thüringer Neonazi Tommy Frenck aus Kloster Veßra hausieren. Er ruft zu Sachspenden auf, die in seinem Gasthaus am 16. Dezember an bedürftige oder kinderreiche Landsleute verteilt werden sollen. Frenck kündigt dazu Weihnachts- und Volkslieder von Liedermacher Axel (Schlimper) an.

Spendensammlung für Obdachlose

Ganz auf die nationale Karte setzt der Verein „Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlosen und Bedürftigen“ unter dem Vorsitz von Ingolf Knajder, der genau selektiert, wem er Unterstützung anbietet. Gegenüber dem populistischen Onlineportal „Frauenpanorama“ sagte Knajder im Vorjahr: „Wir haben klar definiert, dass wir keinen Asylanten und Flüchtlingen helfen wollen“, denn diese seien „in einem Rundumservice versorgt, der seinesgleichen sucht.“ Dafür erhält der Hilfsverein Beifall vom rechtspopulistischen „Compact“-Magazin.

Der „Deutsche Zivilschutz e.V.“ aus Altenburg, der auch Selbstverteidigungskurse in seinem Portfolio aufführt, bietet am 17. Dezember ein unverdächtig klingendes „Märchen-Weihnachtsfest“ an. In dem Anfang 2016 gegründeten Verein sammelten sich maßgebliche Kräfte, die zuvor beim fremdenfeindlich in Erscheinung getretenen „Altenburger Bürgerforum“ den Takt angaben. Das anfangs mit wenig beachteten rassistischen Demonstrationen aufgefallene „Bürgerbündnis Hand in Hand“ aus dem Havelland hat sich nun ebenfalls darauf verständigt, seine öffentlichen Auftritte auf soziale Kümmerer-Aktionen zu konzentrieren. Ebenfalls ihr Helferherz hat die rechte Gruppierung „Brigade 8 Eastside“ aus Weißwasser entdeckt, die vor wenigen Tagen ankündigte, Spenden für Obdachlose zu sammeln.

Städtetouren mit Verteilaktionen von „Thügida“

Seit geraumer Zeit über die thüringischen Landesgrenzen hinaus aktiv ist das „Thügida“-Projekt „Ein Volk hilft sich selbst“. Die Aktivisten um den Strippenzieher und Neonazi Alexander Kurth kündigten an, dass sie Städtetouren mit Verteilaktionen in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Bayern planen. Am 2. Dezember hat bereits eine Weihnachtsfeier in Hoyerswerda stattgefunden. „Thügida“-Unterstützerin ist auch Jacky Süßdorf aus dem Saarland, die nächsten Verteilaktionen der NPD-Politikerin sind öffentlichkeitswirksam für den 8. und 16. Dezember in Saarbrücken angekündigt. Als Mitveranstalter werden die rechtsextreme „Bürgerinitiative Bündnis Saar“ sowie die NPD-Gliederung „Ring Nationaler Frauen“ genannt.

Mitstreiter von „Thügida“ sind der „Freundeskreis Rhein-Sieg“, zu dem die Multiaktivistin Melanie Dittmer zu rechnen ist, sowie die Gruppierung „Vom Volk fürs Volk Sachsen-Anhalt“. „Thügida“ arbeitet ebenso mit dem islamfeindlichen Zusammenschluss „Bürgerprotest Hannover“ zusammen. Von der rechten Hooligan-Clique „Berserker Deutschland“ wird „Thügida“ regelmäßig mit Spendenmaterial beliefert. Die Verbindungen reichen sogar bis hinein zur AfD. So rühren Beate und Mario W. von der AfD Salzgitter nicht nur die Werbetrommel für den „Thügida“-Ableger „Ein Volk hilft sich selbst“, sondern die Niedersachsen spenden auch selbst dorthin.

Neue Vorsitzende bei „Thügida“ ist seit diesem Herbst Silvia Fricke aus Ziedlitz. Die selbst ernannte Volksbewegung nutzt ihre Facebook-Seite für eine expansive Außendarstellung. Verantwortlich dafür ist Alexander Kurth.

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