Braune Randale in Kreuzberg
Am frühen Samstagnachmittag versuchten Neonazis durch Berlin-Kreuzberg zu marschieren. Als dies aussichtslos erschien, löste der Veranstalter die Demonstration auf. Es kam zu Böllerwürfen, Gewaltausbrüchen und versuchten, kleinen Spontanaufmärschen im Süden der Stadt.
Nur wenig war im Vorfeld über die Neonazi-Demonstration vom vergangenen Samstag bekannt geworden. Die Behörden schwiegen sich aus und auch die Neonazi-Szene bemühte sich um eine konspirative Vorbereitung. Erst 24 Stunden vor dem geplanten Aufmarsch plauderte ein niedersächsischer Neonazi kryptisch auf Facebook über eine „GROSSVERANSTALTUNG Berlin“. Nachfragen bei der Polizei bestätigten den ersten Verdacht: Eine Anmeldung für eine Demonstration lag den Behörden bereits vor. Doch genaue Angaben zur Route wurden aus „polizeitaktischen“ Gründen nicht bekannt gegeben. Klar war lediglich, dass die Neonazis durch Kreuzberg und Tempelhof demonstrieren wollten. Bis zum Beginn der Veranstaltung am Mittag scheiterten Presseanfragen an der Taktik der Polizei, keine näheren Informationen nach außen zu geben.
Am Vormittag begegnete man in Kreuzberg und Tempelhof unzähligen Journalisten und Gegendemonstranten, alle auf der Suche nach dem Sammelpunkt der Neonazis. Als dann der Anmelder des Aufmarsches, Sebastian Schmidtke, mit einem Lautsprecherwagen am Neuköllner Hermannplatz auftauchte, verbreitete sich das Gerücht, der Aufmarsch würde dort starten. Die Polizei wollte dies weder bestätigen noch dementieren. Doch Schmidtke, stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Berlin, verschwand kurze Zeit später wieder und ließ ratlose Pressevertreter zurück.
Körperliche Angriffe im U-Bahnhof
Kurz darauf sammelten sich rund 120 Neonazis unter dem Motto „Wahrheit macht frei – Die Herkunft der Täter beim Namen nennen“ vor dem Finanzamt am Kreuzberger Mehringdamm. Hinter Absperrgittern und nur wenige Meter von den immer zahlreicher werdenden Gegendemonstranten entfernt. Auf der Straße vor der Finanzbehörde hatten sich überwiegend Anhänger der Autonomen Nationalisten versammelt. Unter den Anwesenden befanden sich nicht nur Berliner. Auch aus Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen waren die Teilnehmer angereist.
Plötzlich entschloss sich die Polizei, die Gegendemonstranten einzukesseln und die Neonazis unter der Blockade durch einen U-Bahnhof zu leiten. Dort überrannten die Neonazis Absperrungen und standen für einen kurzen Augenblick ohne Polizeibegleitung vor Gegendemonstranten und Journalisten. Dabei kam es zu heftigen Attacken. Augenzeugen berichten, dass es bereits beim Durchrennen durch die U-Bahn zu verbalen und körperlichen Angriffen gegen Menschen mit Migrationshintergrund gekommen sein soll.
„Ausländer raus“-Parolen in Rudow
Auch nachdem die Polizei die Neonazis wieder eingekesselt hatte, entspannte sich die Lage nicht. Aus den Reihen der Rechtsextremisten flogen Feuerwerkskörper und andere Gegenstände in Richtung der Sitzblockade. Einige Gegendemonstranten antworteten darauf mit Tomatenwürfen.
Sebastian Schmidtke erklärte den Aufmarsch plötzlich für beendet. Ein am Rand stehender Polizist kommentierte das Geschehen: „Keine Ahnung, wie wir die jetzt hier friedlich wegbekommen sollen“. Anschließend drängten die Beamten die Neonazis zurück in den U-Bahnhof. Von dort aus fuhren sie geschlossen in den Berliner Süden.
In Süd-Neukölln, am U-Bahnhof Rudow, versuchten kleinere Gruppen dann Spontanaufmärsche durchzuführen. Den herbeigeeilten Beamten gelang es jedoch, die meisten Neonazis festzusetzen. So etwa in einer kleinen Rudower Seitenstraße, wo eine Horde von 40 Rechtsextremisten zuvor unter „Ausländer raus“-Rufen durch den Kiez gezogen war.
Politisches Nachspiel
Am Sonntag kündigte Berlins Innensenator Ehrhart Körting eine gründliche Auswertung des Tages an. Wie sich herausstellte, war selbst der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeister nicht über die Demonstration im Vorfeld informiert worden. Wären die Aufmarschpläne nicht durch den Facebook-Beitrag des niedersächsischen Neonazis bekannt geworden, hätte er womöglich stattgefunden, ohne, dass Anwohner der migrantisch geprägten Stadtteile im Vorfeld informiert worden wären. Ein nahezu einmaliger Vorgang, der wohl noch für Gesprächsstoff im Berliner Senat sorgen wird.