Braune Ost-West-Verbindungen
Rechtsextremisten aus Deutschland sowie aus verschiedenen osteuropäischen Ländern pflegen untereinander Kontakte – und unterstützen sich zum Teil auch gegenseitig bei Aufmärschen und Szene-Events.
Deutsche Rechtsextremisten sind in den letzten Jahren „vereinzelt“ zu rechtsextremen Aufmärschen, Demonstrationen und Kundgebungen nach Osteuropa gereist, unter anderem nach Sofia, Vilnius, Riga und Budapest. Umgekehrt haben Rechtsextremisten aus Osteuropa an mehreren braunen Szene-Events in Deutschland teilgenommen, so in den vergangenen Jahren am „Trauermarsch“ in Dresden, dem „Antikriegstag“ der Neonazi-Szene in Dortmund oder im Mai dieses Jahres am Eichsfeldtag der NPD im thüringischen Leinefelde. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (Drucksache 17/14603) auf die Kleine Anfrage „Kontakte deutscher Rechtsextremisten nach Osteuropa und Beteiligung an dortigen nationalistischen Aufmärschen“ der Fraktion Die Linke hervor.
Mehrfach haben demnach in den vergangenen Jahren Personen aus dem deutschen Neonazi-Spektrum an dem „Lukov-Marsch“ teilgenommen, der alljährlich in der bulgarischen Hauptstadt Sofia stattfindet. Der traditionelle Trauerfackelzug zu Ehren von General Hristo Lukov (1887 – 1943), einem leidenschaftlichen Anhänger des Nationalsozialismus, wird vom Bulgarischen Nationalbund (BNS) veranstaltet. In diesem Jahr waren bnr.de-Recherchen zufolge Neonazis aus Dortmund angereist. Der BNS und die NPD pflegen seit Oktober 2010 Kontakte, darunter wechselseitige Besuche in Bulgarien und der Bundesrepublik. Im Parlament ist die rechtsextreme Partei Ataka, die bei der Parlamentswahl im Mai 7,3 Prozent erzielte, mit 23 von 240 Sitzen vertreten. Im rechtsextremen Parteienspektrum des Landes tummeln sich neben Ataka die Nationale Front zur Rettung Bulgariens und die Interne Mazedonische Revolutionsorganisation – Bulgarische Nationale Bewegung.
Deutsche Neonazis beim „Tag der Ehre“ in Budapest
Seit der Unabhängigkeit Lettlands im Jahr 1991 begeht die rechtsextreme Szene im März den so genannten Riga-Marsch als zentrale Gedenkveranstaltung. Organisiert wird der traditionelle Aufmarsch von SS-Veteranen der Organisation „Daugavas Vanagi“ anlässlich des Gründungstages der lettischen Legion der Waffen-SS. In „geringer Zahl“, so informiert die Bundesregierung, reisten zu dem ewiggestrigen Gedenken auch immer wieder deutsche Staatsbürger an. In der litauischen Hauptstadt Vilnius findet jährlich im März der so genannte Unabhängigkeitsmarsch der rechtsextremen Szene statt. 2011 waren Neonazis aus Sachsen vor Ort. Auch die NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ wurde zeitweilig in Vilnius gedruckt.
Alljährlich zugegen sind deutsche Neonazis bei dem im Februar in der ungarischen Hauptstadt Budapest von Alt- und Neonazis zelebrierten „Tag der Ehre“ anlässlich der Schlacht um Budapest 1945. Mit 43 von 386 Mandaten ist die rechtsextreme Partei Jobbik im Budapester Parlament vertreten. Abgeordnete der gegen die Minderheit der Roma positionierten Partei nutzten Gremien des Parlaments für antisemitische Positionen, teilt die Bundesregierung mit. Die Neue Ungarische Garde marschiere in Dörfern und Stadtteilen gegen Roma auf.
Eine „intensive Zusammenarbeit“ gebe es zwischen der NPD und tschechischen Rechtsextremisten, weiß die Bundesregierung zu berichten. Besonders erwähnt werden von ihr die Kontakte zwischen Aktivisten des „Freien Netzes Chemnitz“ und des „Deutsch-Böhmischen Freundeskreises“ (DBF).
„Die Lunikoff-Verschwörung“ in Kiew
In der Mai-Ausgabe des NPD-Sprachrohrs „Deutsche Stimme“ erschien ein Interview des NPD-Bundesgeschäftsführers Jens Pühse mit Swoboda-Mitglied Sergej Nadal, dem Bürgermeister der westukrainischen Stadt Ternopil. Ebenfalls im Mai stattete eine parlamentarische Delegation der ukrainischen nationalistischen Partei Swoboda unter Leitung des Parlamentsabgeordneten Michail Holowko der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen einen Besuch ab. Swoboda erzielte bei den Parlamentswahlen im Oktober vergangenen Jahres 10,44 Prozent und zog damit als Fraktion in das Parlament ein. Swoboda wird von der Bundesregierung als „rechtspopulistische und nationalistische Partei“ eingestuft, „die zum Teil rechtsextreme Positionen vertritt.“ Am 28. April 2013 organisierte Swoboda unter Teilnahme eines Abgeordneten in Lwiw (ehemals Lemberg) eine Kundgebung anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung der SS-Division „Galizien“.
Bekannt sind der Bundesregierung auch die Auftritte zweier deutscher Szene-Bands in der Ukraine. So spielte im Oktober 2010 die Neonazi-Band „Heiliger Krieg“ (vormals „Race War“) in Charkow auf. Im März 2012 traten „Die Lunikoff Verschwörung“ und „Spreegeschwader“ in Kiew auf.
In der russischen Hauptstadt waren im Oktober 2011 Mitglieder der Bands „Sachsonia“ und „Path of Resistance“ zugegen, informiert die Bundesregierung. Laut Recherchen von bnr.de hatte im Oktober 2005 die nordrhein-westfälische Neonazi-Band „Oidoxie“ erstmals einen Auftritt in Moskau. Noch nie zuvor war eine deutsche Neonazi-Band auf einem einschlägigen Konzert in Russland aufgetreten.
Ableger der „Europäischen Aktion“ in Belarus
Die Bundesregierung stuft die jährlichen „Russischen Märsche“ in Moskau als Foren für rechtsextremes und antisemitisches Gedankengut ein. Besorgt zeigt sie sich über die in Russland herrschende Gewalt gegen Einwanderer aus Zentralasien und dem Nordkaukasus sowie gegen linke Organisationen und sexuelle Minderheiten. „Offener Rassismus“ tritt Erkenntnissen der Bundesregierung zufolge wiederholt im Rahmen von Fußball- oder Eishockeyspielen unter bestimmten Fangruppierungen auf.
Bezüglich Belarus (Weißrussland) führt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion die Belarussische National-Bolschewistische Partei, die aus ihr hervorgegangenen Autonomen National-Bolschewiken sowie die Belarussische Freiheitspartei auf, die allesamt fremdenfeindliche Positionen vertreten würden. Die beiden erst genannten Organisationen würden Gewalt gegen sexuelle Minderheiten sowie politisch Andersdenkende ausüben, hält die Bundesregierung fest. Nicht genannt wird von ihr allerdings der in Belarus ansässige Ableger der holocaustleugnenden „Europäischen Aktion“ um Rigolf Hennig und Bernhard Schaub. Anlässlich der diesjährigen Sommersonnenwende schwadronierten die weißrussischen Kameraden vom „Sieg des europäischen Kreuzes über den kabbalistischen Stern“.
Auf kommunaler Ebene sind in Rumänien die antisemitischen Parteien Großrumänien und die Neue Generation aktiv. Daneben, so informiert die Bundesregierung, existiere eine Neue Rechte, deren Kundgebungen gegen religiöse, nationale und sexuelle Minderheiten gerichtet seien. Der rechtsextreme Europaabgeordnete Corneliu Vadim Tudor, Gründer der Partei Großrumänien, der Ende 2012 aus deren Reihen ausgeschlossen wurde, lieferte kürzlich landesweite Schlagzeilen. Nach einem Parlamentsbeschluss zur Einschläferung herrenloser Straßenhunde behauptete Tudor, dass der Beschluss zur Hundetötung einen Pädophilieskandal decken solle. Demnach sei ein vierjähriger Junge in einem Bukarester Park im September nicht von Straßenkötern zerfleischt worden, sondern sei nach einem Missbrauch von einem Pädophilen ermordet und danach den Hunden vorgeworfen worden.