Braune Narren in Bayern
Mehrere bayerische Faschingsumzüge bekamen in diesem Jahr unerwünschten Besuch von Neonazis, die ihre Propaganda verbreiten wollten. Jetzt beschäftigen diese Vorgänge auch die Bayerische Staatsregierung in Form einer Anfrage des Landtagsabgeordneten Florian Ritter.
3. Feburar 2013, München: Bei einem Faschingsumzug der „Damischen Ritter“ laufen Aktivistinnen und Aktivisten des bayernweit agierenden Kameradschaftsnetzwerks „Freies Netz Süd“ mit. Direkt vor einem SPD-Wagen marschieren sie mit ihrem Plakat durch die Münchner Innenstadt. Auf Fotos ist zu sehen, wie sie immer wieder Flyer aus dem Aufzug heraus werfen – und auch hinter den Absperrungen und innerhalb der Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Propaganda verteilen. Das Banner, das die Neonazis dabei mit sich her tragen, ziert die Aufschrift: „Friedenstauben der ‚Demokratie’ – Kriegstreiber stoppen – freies-netz-sued.net“. Wieso – trotz eindeutiger Aufschrift – lange niemandem die Präsenz der Neonazis aufgefallen war, ist fraglich. Auch wieso die Polizei nicht eingeschritten ist, wirft derzeit Fragen auf. Dem „Freien Netz Süd“ zufolge seien die Neonazis erst zum Ende hin aufgefordert worden, das Banner aus dem Aufzug zu entfernen. Dieser Forderung seien sie nachgekommen, allerdings hätten sie „am Rand“ ihre Flugblattverteilaktion „daraufhin intensiviert“, so die Nazis.
Auftritt in München kein Einzelfall
Doch es blieb nicht bei dem Auftritt in München. Im oberbayerischen Neuöttingen, im schwäbischen Gersthofen und im mittelfränkischen Ellingen sind ebenfalls FNS-Akteure aufgetreten. Außerdem sollen sie laut einem Bericht des „Freien Netzes Süd“ (FNS) durch die Augsburger City-Galerie gelaufen sein. Die veröffentlichten Fotos zeigen immer das gleiche Transparent, das auch bereits beim Umzug in München Verwendung gefunden hat. Thematisch hetzten die Neonazis mit ihrer Aktion gegen die „sogenannte ‚Demokratie’“ (München), gegen die „US-Kriegsverbrecher“ (Neuötting) und gegen den „US-Imperialismus“ (Augsburg, Gersthofen, Ellingen). Zudem versuchte man offenbar, antiamerikanische und antisemitische Stimmungen zu befeuern, indem Amerika und Israel als „konfliktschürende Mächte“ betitelt wurden.
Ziel dieser Aktion war es vermutlich, Bürgerinnen und Bürger mit zunächst unverfänglich klingenderen Themen anzusprechen. Ferner können auch Jugendliche eine Zielgruppe der rechten Aktivistinnen und Aktivisten gewesen sein. Auf seiner Homepage schreibt das „Freie Netz Süd“: „So konnte an diesem Tag den unzähligen Zuschauern in der Stadt eine alternative Politik aufgezeigt werden und ein Gegengewicht zu den üblichen verlogenen Presseberichten über die nationale Opposition gesetzt werden“. In ihrer Berichterstattung freuen sich die Neonazis über einen „Propagandacoup“ und berichten vom angeblich „großem Interesse“.
Vorgänge werfen etliche Fragen auf
Mittlerweile werfen die Vorgänge etliche Fragen auf. Aus Gersthofen ist zwischenzeitlich bekannt, dass sich die Akteure bei dem Veranstalter gemeldet hatten, der wiederum ahnungslos gewesen sei, wie die Süddeutsche Zeitung in ihrer Online-Ausgabe berichtet. Und auch der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter hat sich mittlerweile mit den Vorfällen beschäftigt. Er stellte eine Anfrage an die Bayerische Staatsregierung und fragt darin: „Ich stelle mir schon die Frage, weshalb solche Aktionen nicht von den Sicherheitsbehörden im Vorfeld, oder zumindest zeitnah, beendet werden? Wussten die Behörden denn gar nichts darüber?“ Ritter verweist in seiner Presseerklärung auf ähnliche Fälle aus den vergangenen Jahren, in denen Neonazis ebenfalls auf Faschingsumzügen mitgelaufen sind und ihre Flyer verteilten. Bereits 2011 kam es zu einer solchen Aktion in Schwandorf und Neustadt an der
Waldnaab.
Der Landtagsabgeordnete will ebenfalls wissen, wieso man die Veranstalter der Umzüge im Vorfeld nicht auf die Möglichkeit von derartigen Aktionen hingewiesen hat. Dadurch wäre es vielleicht möglich gewesen, die eingesetzten Ordner entsprechend zu sensibilisieren, mutmaßt Ritter. Angesichts dieser Vorgänge habe er wieder einmal den „Eindruck, dass die bayerischen Sicherheitsbehörden die Bevölkerung vor Ort im Dunkeln lassen und nicht ausreichend über neonazistische Aktivitäten informieren“, schreibt der SPD-Experte für Rechtsextremismus.
Grotesker „Fasching“ auch bei der NPD
Aber nicht nur das „Freie Netz Süd“ beziehungsweise die lokal untergeordneten Kameradschaften versuchten 2013 die Faschingsfeierlichkeiten für ihre Zwecke zu missbrauchen, sondern auch der NPD-Landesverband Bayern. Wie jedes Jahr lud die NPD in den Deggendorfer Gasthof Gruber zum „Politischen Aschermittwoch“. Zwei der drei Hauptredner waren dabei in grotesker Verkleidung aufgetaucht. Der bayerische NPD-Landesvorsitzende Karl Richter hatte sich eine Perücke aufgesetzt und ein Pali-Tuch umgeworfen, was angeblich einen „gewaltaffinen Linksautonomen“ darstellen sollte, wohingegen Sascha Roßmüller (NPD-Vize) eine Mönchskutte angezogen hatte – ¨und in seinen Reden als „Bruder Braunabas“ auftrat.
Ein Bericht über die Aschermittwochsveranstaltung der NPD ist beim "blick nach rechts" erschienen