Braune Mär vom September 1939

Zum achten Mal in Folge wollen Neonazis am ersten Samstag im September durch Dortmund ziehen. Die Demonstration zum „Nationalen Antikriegstag“ ist über die Jahre zum festen Event im Terminkalender der Szene geworden – auch wenn im vorigen Jahr die Teilnehmerzahl hinter den Erwartungen zurückblieb.

Donnerstag, 02. August 2012
Tomas Sager

Geplant sind zwei größere Aktionen: Der eigentliche „Antikriegstag“-Aufmarsch ist für den 1. September 2012 vorgesehen. Bereits am Tag zuvor soll eine „Vorabend-Demonstration“ stattfinden, bei der zwei Rechtsrock-Gruppen auftreten. Man habe sich in den Gesprächen mit der Polizei „auf eine Wegstrecke geeinigt, die durch belebtes Gebiet führt und eine hohe öffentliche Wahrnehmung gewährleistet“, berichten die Dortmunder Neonazis. 2009 und 2010 hatte es ihnen genau daran gemangelt. Statt der Demonstrationszüge waren nur stationäre Kundgebungen abseits des Zentrums erlaubt worden. Die Attraktivität der Stadt für demowillige Neonazis litt darunter. Während im vorigen Jahrzehnt bis zu 1200 Teilnehmer durch Dortmund marschierten, waren es 2011 lediglich etwas mehr als 750.

Um den eigenen Ruf als eine der führenden Gruppen „Autonomer Nationalisten“ in der Republik zu festigen und zugleich möglichst viele Neonazis ins Ruhrgebiet zu locken, betreiben die Organisatoren einigen Aufwand. Angeblich sollen 5000 Plakate, 25 000 Aufkleber, 50 000 Flugblätter und 200 000 Werbeschnipsel verbreitet werden. Bei YouTube ist ein „Mobivideo“ zu finden. Geplant ist zudem die Herausgabe einer eigenen „Schulhof-CD“.

Szene-„prominente“ Redner als Einpeitscher

Bei überregionalen Demos und anderen Veranstaltungen wurde die Werbetrommel gerührt, so bei der 1.-Mai-Demo in Bonn, Anfang Juni beim „Tag der deutschen Zukunft“ in Hamburg oder beim „Eichsfeldtag“ in Leinefelde. Weitere solche Aktionen – etwa bei der Demonstration am Samstag in Bad Nenndorf oder beim Pressefest des NPD-Organs „Deutsche Stimme“ eine Woche darauf – dürften folgen.

Erwartet werden kann, dass insbesondere ab Mitte August die Neonazis mit Infoständen, Verteilaktionen und nächtlichen Sprühaktionen in Dortmund und Umgebung zusätzlich Präsenz zeigen wollen. Im vorigen Jahr fanden zudem im Vorfeld des 1. September kleinere Demonstrationen im Rheinland und im Ruhrgebiet statt. Ähnliches ist auch in diesem Jahr nicht ausgeschlossen.

Als Einpeitscher fungieren in Dortmund regelmäßig szene-„prominente“ Redner. 2011 übernahm vor allem Wolfram Nahrath, letzter Bundesführer der 1994 wegen Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus verbotenen „Wiking-Jugend“, diese Rolle. In seiner Rede an die „Deutschen Männer und Frauen, Männer und Frauen in den artverwandten Ländern in Europa und der Welt!“ präsentierte er unter dem Jubel seines Publikums seine Weltsicht: Am 1. September 1939 habe Deutschland begonnen, „den großen Befreiungskampf für sich, aber auch den großen Abwehrkampf für Europa insgesamt aufzunehmen“.

„Idee des Nationalsozialismus nicht zerstörbar“

In diesem Jahr wird der NPD-Bundesvize und Fraktionsvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, als einer der Hauptredner angekündigt. Außerdem stehen unter anderem Sebastian Schmidtke, Berliner NPD-Vize und ausgestattet mit besten Kontakten zu „Autonomen Nationalisten“, Christian Worch sowie Vertreter aus Bulgarien, den Niederlanden und der Schweiz auf der Rednerliste. Abgesagt hat der Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub, dessen Auftritt zunächst avisiert worden war.

Im Aufruf finden sich die üblichen Parolen gegen die „Gleichschaltung ehemals souveräner Nationen zu einem demokratischen Einheitsgebilde“, gegen die USA und insbesondere gegen Israel, das als „Unrechtsstaat“ und „Hauptaggressor im Nahen Osten“ tituliert wird. Ist das Bekenntnis zum Nationalsozialismus im Aufruf noch etwas verklausuliert, wird es bei den Demonstrationen selbst regelmäßig ganz offen geliefert. So wie im vorigen Jahr, als Dennis Giemsch, der „Kopf“ der Dortmunder „Autonomen Nationalisten“, erklärte, jeder wisse „dass der Nationalsozialismus garantiert nicht mit dem militärischen Ende des Deutschen Reiches 1945 untergegangen ist, sondern dass eine Idee nicht zerstörbar ist, eine Idee, die so untrennbar mit dem deutschen Volk verbunden ist“.

 

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