Braune Lebensphilosophie
Der Rechtsrock-Musiker Frank Krämer hat bei zwei Veranstaltungen sein Buch „Werde Unsterblich – Rechte Metapolitik als Lebensphilosophie“ in Mecklenburg-Vorpommern vorgestellt.
Am Freitagabend lud der deutschlandweit bekannte Neonazi-Treff „Haus Jugendstil“ in Anklam wieder zu einer Vortragsveranstaltung ein. Frank Krämer, Gitarrist der Rechtsrock-Band „Stahlgewitter“, lockte mit seinem Buch „Werde Unsterblich – Rechte Metapolitik als Lebensphilosophie“ über 150 Neonazis in den Saal in Anklam. Laut Angaben der Organisatoren war die Veranstaltung ausverkauft. Bereits eine Stunde vor Beginn reisten die ersten Gäste an, um sich die besten Plätze zu sichern. Die meisten parkten in den umliegenden Straßen und
machten sich dann in Kleingruppen auf den Weg zum „Haus Jugendstil“. Im Publikum fanden sich vorwiegend Neonazis, die in den lokalen rechten Strukturen verankert sind.
Vom „Haus Jugendstil‘“ ins „Thinghaus“
Weiter ging es am darauffolgenden Nachmittag in den Westen Mecklenburg-Vorpommerns. Das „Thinghaus“ öffnete ab 14.00 Uhr seine Tore, um die anreisenden Gäste zu empfangen. Eine ähnlich große Anzahl an Interessierten wie am Tag zuvor in Anklam kam dazu in die Kleinstadt. Organisiert wurde die Veranstaltung laut Polizei von der NPD. Zu der Veranstaltung reisten die Teilnehmer auch aus den umliegenden Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen an.
Als Ansprechpartner für den Vortragsnachmittag im „Thinghaus“ war der frühere NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit zuständig. Der Inhaber des Neonazi-Versands „Levensboom“ machte in jüngerer Vergangenheit auf sich aufmerksam, als er mit dem NSU in Verbindung gebracht wurde. Während einer Hausdurchsuchung 2012 hatte das Bundeskriminalamt einen Brief des NSU in seiner Wohnung sichergestellt. Im Szenemagazin „Der Weisse Wolf“, bei dem Petereit als Herausgeber beteiligt war, war eine Grußbotschaft erschienen: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen ;-) Der Kampf geht weiter …“ Diese Zusammenhänge sind bis heute nicht lückenlos aufgeklärt.
Anekdoten eines Rechtsrockers
Der Referent vom Wochenende, Frank Krämer, gilt mittlerweile als Influencer unter den Neonazis. Den meisten ist Krämer wohl ein Begriff im Zusammenhang der Rechtsrock-Band „Stahlgewitter“. Als Mitbegründer spielt er dort Gitarre und wirkte in dem Metal-/Neofolk-Projekt „Halgadom“ mit. Mittlerweile hat Krämer mehrere Video-Blog-Projekte und ist in sozialen Medien, wie Instagram oder Facebook, präsent. Sein neu erschienenes Buch „Werde Unsterblich – Rechte Metapolitik als Lebensphilosophie“ enthält laut diverser Rezensionen auf braunen Internetseiten hauptsächlich Anekdoten und seine persönlichen Sichtweisen zu den unterschiedlichen Themen rechter Ideologie.
Nicht zum ersten Mal finden die gleichen Vorträge an zwei aufeinanderfolgenden Tagen im „Thinghaus“ und im „Haus Jugendstil“ statt. Vor allem auch die Zeitzeugenvorträge der vergangenen Jahre oder NPD-Veranstaltungen wurden immer wieder in beiden Lokalitäten angeboten. Ähnlich wie rund um das „Thinghaus“ mit der „Dorfgemeinschaft Jamel“ reichen die Strukturen in Anklam ebenfalls auf eine lange Geschichte zurück. Die Region Anklam beherbergt eine der ältesten Kameradschaften Deutschlands. Der „Kameradschaftsbund Anklam“ hat sich bereits 1996 aus „Blood&Honour“-Zusammenhängen gegründet und ist immer noch eine der am besten vernetzten Kameradschaften im gesamten Bundesgebiet.
In lokale Neonazi-Strukturen eingebunden
Alexander Wendt und Enrico Hamisch hatten 2007 den alten Möbelmarkt in Anklam erworben und bauten ihn zu dem deutschlandweit bekannten Neonazi-Treff „Haus Jugendstil“ um. Beide Aktivisten sind in den lokalen Kameradschaftsstrukturen, dem „Kameradschaftsbund Anklam“ sowie dem „Kameradschaftsbund Usedom“, aktiv.
Das „Haus Jugendstil“ ist allerdings nicht die einzige Neonazi-Immobilie in der kleinen Stadt. Bereits hinter dem Ortseingang aus Richtung Greifswald kommend, fährt man an einem der ältesten Bekleidungsgeschäfte für Neonazis vorbei, dem „New Dawn“. Ein Stück weiter durch die Stadt kann im Restaurant „Zum Klosterbruder“ rustikal, deutsche Küche, gespeist werden. Der Betreiber Enrico Arndt ist ebenfalls beim „Kameradschaftsbund Anklam“ aktiv und steht dem „MC Vengator“, einem rechten Motorradclub, nahe.
Die Neonazi-Strukturen sind mittlerweile fest in der Region verankert und dominieren das Bild. Wie bei vergangenen Veranstaltungen auch, fand sich trotz im Vorfeld öffentlicher Ankündigung für die Vorträge keine Zivilgesellschaft ein. Beide Einsätze der Polizei wiesen ein erhebliches Defizit auf. Obwohl sich unter den Teilnehmern wieder zum Teil vorbestrafte und einschlägig bekannte Neonazis befanden, gab es keine Personen- beziehungsweise Fahrzeugkontrollen.