Braune Kader unter anderem Label
Wenige Monate nach dem Verbot der drei wichtigsten Neonazi-Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen hat sich zumindest die Szene in Dortmund weitgehend reorganisiert.
Zwar berichtet die Dortmunder Polizei, dass einige der Neonazis nach dem am 23. August erfolgten Verbot des „Nationalen Widerstands Dortmund“ (NWDO) ausgestiegen seien oder Kontakt zum Verfassungsschutz gesucht hätten – der harte Kern der lokalen Neonazis macht jedoch unter einem anderen Label weiter. 20 bis 25 Personen, insbesondere die Führungskader, sind jetzt für „Die Rechte“ aktiv, schätzt die Polizei. Dennis Giemsch, „Kopf“ der Dortmunder „Autonomen Nationalisten“, wurde ihr Landesvorsitzender, sein Adlatus Michael Brück stellvertretender Landeschef. Siegfried Borchardt, der in den 80er Jahren die lokale Neonazi-Kameradschaft aufbaute, avancierte zum Kreisvorsitzenden von „Die Rechte“.
Mit dem Verbot hatten die Neonazis auch ihre Logistik verloren: ihr „Nationales Zentrum“, wo die regelmäßigen Kameradschaftsabende stattfanden, ihre Internetpräsenzen, einen Versandhandel, ein Fahrzeug, das mit Lautsprecheranlage bei Demonstrationen eingesetzt wurde. Für Ersatz ist inzwischen gesorgt. Im Stadtteil Huckarde mietete die „Rechte“ ein Ladenlokal an, das als Geschäftsstelle der Partei dienen soll. Per Internet und Facebook verbreitet sie ihre Propaganda. Auto und Lautsprecheranlage stehen für Demonstrationen ebenfalls wieder bereit. Und Anfang Januar nahm ein neuer, von Brück geleiteter Versandhandel seine Arbeit auf: der „Antisem Versand“ mit der Internetpräsenz „antisem.it“.
Zu kurzfristig anberaumten Aktionen in der Lage
Mit ihren Aktionen machen die Dortmunder Neonazis dort weiter, wo sie nach dem Verbot des NWDO Ende August eine Pause einlegen mussten. Am Tag vor Heiligabend etwa organisierten sie drei Kundgebungen: Ganz in der Nähe der Nähe der Wohnorte von drei Politikern von SPD und Grünen, die sich in der Vergangenheit gegen Neonazis und Neonazismus gewandt hatten, liefen rund Hundert von ihnen auf. Anfang Januar stellten sie am Tag nach der Verurteilung des österreichischen Neonazis Gottfried Küssel mit einer Kundgebung unter Beweis, dass sie nach wie vor auch zu kurzfristig anberaumten Aktionen in der Lage sind. Geworben wird in der Szene derzeit für die erste größere Demonstration in Dortmund nach dem Verbot des NWDO: Am 1. Mai sollen Neonazis durch die Straßen der Ruhrgebietsstadt ziehen. Insbesondere Neonazis aus dem rechts-„autonomen“ Spektrum dürfte diese Veranstaltung anlocken.
Die Dortmunder Polizei hat derweil beobachtet, dass die Neonazis momentan relativ vorsichtig agieren. Es werde „alles versucht, um nicht durch gewalttätige Aktionen und andere strafbare Aktivitäten aufzufallen“, sagt Polizeipräsident Norbert Wesseler. Neben dem seit einem Jahr verschärften Druck der Polizei dürfte dies auch juristischen Überlegungen geschuldet sein: Beim Oberverwaltungsgericht Münster ist eine Klage gegen das Verbot des NWDO anhängig.
„Nationaler Widerstand“ noch nicht unanfechtbar verboten
Dass der Landesverband von „Die Rechte“ den früheren NWDO-Akteuren quasi als Ersatzorganisation dient, hat strafrechtlich keine Konsequenzen. Die Dortmunder Staatsanwaltschaft kam Mitte Januar zu dem Ergebnis, „dass die Gründung des Landesverbandes NRW der Partei ,Die Rechte’ derzeit keinen Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bietet, auch wenn sich in dem Verband zahlreiche Mitglieder des ehemaligen, inzwischen verbotenen Vereins ,Nationaler Widerstand Dortmund’ zusammengeschlossen haben“. Einerseits stünde dem das Parteienprivileg entgegen, das auch für DR gilt. „Dass Mitglieder des verbotenen Vereins an der neu gegründeten Vereinigung beteiligt sind, reicht nicht aus, ihr den Parteistatus abzusprechen.“ Zum anderen verbiete es das Strafgesetzbuch zwar, sich weiterhin für eine „unanfechtbar verbotene Vereinigung“ einzusetzen – der „Nationale Widerstand Dortmund“ sei aber wegen der Klagen vor dem OVG bisher noch nicht unanfechtbar verboten.
Zum Feindbild der Neonazis ist unterdessen einmal mehr der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) geworden. Dessen Haus hatte nach der Erklärung der Staatsanwaltschaft gegenüber den „Ruhr Nachrichten“ betont, man hake ein Verbot des DR-Landesverbandes nach wie vor nicht ab. Das Ministerium prüfe weiter – gestützt nicht auf das Strafrecht, sondern auf das Verwaltungsrecht –, ob der im November gegründete Landesverband als Ersatzorganisation des verbotenen NWDO zu bewerten sei.
Innerrechter Machtkampf wird mit harten Bandagen geführt
Bereits bei der Bildung des Kreisverbandes Dortmund hatte „Die Rechte“ im Herbst angekündigt, zur Kommunalwahl 2014 antreten zu wollen. Diese Ansage richtet sich insbesondere gegen die NPD, die mit zwei Vertretern im Stadtrat vertreten ist und mit deren Kreisvorstand die Akteure der „Rechten“ seit langem zerstritten sind. Bereits jetzt sei man in der Ruhrgebietsstadt die „mitgliederstärkste nationale Partei“, behauptete „Die Rechte“ bereits im Oktober mit Blick auf die NPD.
Viel spricht dafür, dass der innerrechte Machtkampf in der Stadt mit harten Bandagen geführt wird. In den Kommentarspalten des Internetportals „Altermedia“ wurde berichtet, Dortmunder Neonazis hätten dem NPD-Kreisvorsitzenden und -Stadtrat Matthias Wächter bei einer Veranstaltung seiner Partei am 9. November in Essen Schläge angedroht. Wächter habe hinter Polizeibeamten Schutz suchen müssen. Und auch zu einer Sachbeschädigung am Haus, in dem Wächter wohnt, sei es im vorigen Sommer gekommen. Tatsächlich weiß die Polizei von zwei Vorfällen aus dem vorigen Jahr, die sich gegen Wächter und seinen NPD-Ratskollegen Axel Thieme richteten. Einmal wurde Anfang Juni eine Scheibe eingeschmissen; einmal hinterließen die Täter Anfang September den Schriftzug „Du Ratte“ auf der Hauswand eines der beiden. Tatverdächtige konnten nicht ermittelt werden.
Jedenfalls hat sich das Verhältnis der Rechtsextremisten untereinander auch in den letzten Wochen nicht verbessert. Eher im Gegenteil: Als Dortmunds Stadtrat im Dezember über eine gegen Neonazi-Aktivitäten gerichtete Resolution abstimmte, enthielten sich die beiden NPD-Vertreter der Stimme – und zogen sich damit noch mehr Ärger der extrem rechte Konkurrenz zu. Wächters und Thiemes Zeit sei „schon lange abgelaufen“, kommentierte ein Neonazi auf einer Internetseite der „Rechten“ in der Ruhrgebietsstadt: „Ihr haltet nur die Sitze warm für eure Nachkommen. An dem Tag weht ein eisiger Wind, da seid euch sicher.“