Braune Flüchtlingsfeinde an der Elbe

In Hamburg hat die NPD mit dem Bürgerschaftswahlkampf begonnen. Sie hat nur ein Thema: „Asylbetrug“. Menschen die sich für Flüchtlinge engagieren, werden derweil bedroht.

Mittwoch, 17. Dezember 2014
Andreas Speit

„Die Verunglimpfung als Nazi funktioniert nicht mehr“, sagte Thomas Wulff. „Die Deutschen“ würden endlich gegen „die Umvolkung“ auf die Straße gehen, verkündete der Hamburger NPD-Vorsitzende auf einen Kundgebung im Stadtteil Bergedorf. Die Asylsuchenden würden das Asylrecht missbrauchen, so versuchte auch Lennart Schwarzbach, NPD-Spitzenkandidat zur Bürgerschaftswahl im Februar, an die Pegida-Proteste in Dresden anzudocken.

Am S-Bahnhof Nettelnburg konnte die NPD aber keinen breiten Zuspruch gewinnen. Unter dem Motto „Multikulti ist asozial – wehrt Euch gegen Asylbetrug!“ waren am Samstagnachmittag in der Nähe einer  neuen Flüchtlingsunterkunft 19 Parteifreunde aufgelaufen. Auf der Webseite des Landesverbands und auf Facebook hatte die NPD die Kundgebung für den 13. Dezember nicht vorher angekündigt. Breiten Protest wollte die Partei wohl vermeiden. An die 450 Demonstranten protestierten jedoch gegen die Kundgebung. Kurzfristig war der Termin doch bekannt geworden. „Verpisst euch“ , „was für'n Scheiß“ raunzte ein angetrunkener Mann in dem von der Polizei abgeschirmten Raum die NPDler an. Bei diesem Milieu am S-Bahnhof-Imbiss konnte die NPD jedenfalls nicht punkten. Gut 90 Minuten redeten Wulff und Schwarzbach über die vermeintliche Überfremdung. „Einmal Deutschland und zurück – Asyl ist kein Selbstbedienungsladen“ und „Millionen Fremde kosten Milliarden“ stand auf Transparenten.

Flüchtlingsfeindlicher Videoclip mit dem Spitzenkandidaten

Die NPD hat schon seit Wochen ihr zentrales Wahlkampthema für die Wahl am 15. Februar kommenden Jahres gefunden. Die geringe Teilnehmerzahl am Samstag dürfte dem Aktionskonzept der „Deutschland-Touren“ geschuldet sein: Mit wenig Personal viel Resonanz erzeugen. Unter den Aktivisten war die Stimmung denn auch entsprechend entspannt. Dem 24-jährigen Spitzenkandidaten fiel es allerdings noch etwas schwer, öffentlich zu reden. Auch die Listenzweite Nelia Kiss schien noch ungeübt. Die Russlanddeutsche schimpfte allerdings abwechselt in Deutsch und Russisch über die jungen Männer, die nach Deutschland kämen, statt in ihrer Heimat zu kämpfen oder sie aufzubauen. Vom gegenüber liegenden Häuserblock schallte derweil ein Lied nach dem anderen gegen Rechtsextremismus herüber. Passanten die zur Bahn wollten gingen zügig an der Kundgebung vorbei.

In der vergangenen Wochen hat der Landesverband, bereits unterstützt von Wahlhelfern aus dem Rhein-Neckar-Kreisverband der NPD, Infostände in Bramfeld, Rahlstedt, Berne, Wandsbek und Sasel ausgerichtet. In Harburg und Osdorf werden ebenso Flugblätter verteilt. Auf der Homepage der Hamburg-NPD findet sich aber auch ein Video. In dem Kurzfilm besucht Spitzenkandidat Schwarzbach verschiedene Flüchtlingsunterkünfte. Lächelnd kommt der studierte Ingenieur von einem Grundstück am Erdkampsweg. Ein „kinderfreundliches Wohnen“ wäre hier möglich sagt der NPD-Spitzenkandidat. Spielplatz und Fußballtore stünden bereit. Den abgelehnten „Asylantragstellern“ würde „alles was für ein Familienleben“ attraktiv sei, angeboten, „auf Kosten des Steuerzahlers“, weiß der bemüht smart aussehende NPD-Kader in dem Videoclip. Die Aktion ist eine Provokation. In anderen Bundesländern inszenierte die Partei solche Besuche ebenso längst. Bundesweit hofft die NPD die Stimmungen in der Mitte der Gesellschaft gegen Flüchtlinge und Unterkünfteausbau zu nutzen. „Asylmissbrauch ist kein Menschenrecht“, wiederholt Schwarzbach in dem Clip fast mantra-artig.

Hakenkreuze und Drohungen gegen SPD-Politiker

Auf der Webseite findet sich auch eine Karte zum „Asylbetrug“ an der Elbe, die „laufend aktualisiert“ werden soll. „Im Stadtteil Harburg sind wir Deutschen jetzt schon in der Unterzahl“ warnt die NPD und greift gleich die neue Konkurrenz am rechten Rand der Parteienlandschaft erneut an: die AfD. Denn „sogar die selbst ernannte Alternative“ sei der Ansicht, „dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und Zuwanderung bräuchte“. Dass der AfD-Landesverband um Spitzenkandidat Jörn Kruse bei Wahlveranstaltungen indes betont „Einwanderung braucht klare Regeln“, die die Zuwanderung massiv beschränken würde, genügt der NPD nicht.

Auf der Gegenkundgebung am Samstag in Bergdorf wurde die NPD-Kundgebung indes als eine Fortsetzung eines Einschüchterungsversuchs gegen Menschen gewertet, die sich für Flüchtlinge engagieren. Bereits wenige Tage nach der Gründung einer Initiative entdeckte ein Unterstützer in der Nacht zum 8. Dezember an seiner Tür Hakenkreuze, auch Parolen wie  „Neger Freund“ und „Juden Sau“ waren geschmiert worden. Beileibe kein Einzelfall. Der SPD-Abgeordnete in der Bezirksversammlung Wandsbek Carsten Heeder wurde von Unbekannten wegen seines Engagements für Geflüchtete und gegen Rechtsextreme bedroht. (bnr.de berichtete) Am 6. Dezember fand der SPD-Politiker entsprechende Flyer und Plakate nahe und in seinem Haus. Zur Mittagszeit hatten die Täter dort Plakate mit Sprüchen wie „Carsten Heeder Du Volksverräter“ oder „Antifa 309 –Wir haben euch im Blick – Eure Zeit läuft ab“ angebracht. „Antifa 309“ ist eine Antifa-Gruppe, deren drei Zahlen die letzten drei Ziffern der Postleitzahl von Steilshoop bilden. Der SPD-Abgeordnete kontaktierte die Polizei.

Heeder, der für die Bürgerschaft kandidiert, erfährt aber auch viel Solidarität. Am 13. Dezember erhielt er vom Stadtteilentwicklungsprojekt „MITTE STEILSHOOP“ einen Sonderpreis für sein Engagement gegen rechts. „Die große Solidarität aus dem Stadtteil in den vergangenen Tagen gibt mir das Gefühl, dass diejenigen, die sich mit mir anlegen, sich mit dem gesamten Stadtteil anlegen“. sagt  der SPD-Politiker.

Bei der Bürgerschaftswahl 2011 hatte die NPD Hamburg-weit 0,9 Prozent der Stimmen erzielt. Um und über ein Prozent erhielt die rechtsextreme Partei in Harburg, Hamburg-Mitte, Bergedorf und Wandsbek. In diesen Stadteilen scheinen sie ihre Wahlkampfaktivitäten zu konzentrieren.

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