Braune Ausweichorganisation
Nach einer Razzia im vergangenen Jahr droht dem Neonazi-Netzwerk „Freies Netz Süd“ ein Verbot. Doch mit der Partei „Der Dritte Weg“ stehen längst Ersatz-Strukturen in den Startlöchern.
Anfang Juli 2013 ging Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit einer Großrazzia gegen Angehörige des Kameradschafts-Dachverbands „Freies Netz Süd“ (FNS) vor. Mehr als 700 Polizeibeamte durchsuchten bei der „größten vereinsrechtlichen Aktion gegen Rechtsextremisten in der bayerischen Geschichte“ insgesamt 70 Wohn- und Arbeitsstellen sowie Postfächer von Neonazis aus den Reihen des FNS. Nach Angaben des Innenministeriums sollten mit Hilfe der Durchsuchungen in Bayern „die Strukturen dieses neonazistischen Netzwerks weiter aufgeklärt“ und „Beweismittel für ein Vereinsverbot“ gesammelt werden.
Bei einer anschließenden Pressekonferenz in den Räumen des Innenministeriums präsentierten die Behörden eine kleine Auswahl der beschlagnahmten Gegenstände: Neben Hakenkreuzfahnen und Hitlerbildern waren die Beamten bei der Razzia auch auf Schlagstöcke, Baseballschläger, Pfeffersprays, Messer mit der Aufschrift „Blut und Ehre“ (Motto der Hitlerjugend), Schusswaffen und Stilgranaten gestoßen. Zwischen NS-Devotionalien wurden ferner Sampler der seit 2000 verbotenen „Blood-&-Honour“-Organisation sowie ein Banner der im Münchner Stadtrat vertretenen NPD-Tarnliste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ ausgestellt.
Auf der Pressekonferenz, die unter Beteiligung des Landeskriminalamts (LKA) und des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz stattfand, kündigte Herrmann ein Verbot des braunen Netzwerks an. Maßgeblich soll das FNS als Nachfolgeorganisation der „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF) verboten werden, gegen die 2004 vom damaligen Innenminister Günter Beckstein (CSU) wegen Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus eine Verbotsverfügung erwirkt worden war.
„Der Nationale Widerstand hat eine Chance mehr“
Seitdem sind fast acht Monate vergangen, ohne dass je etwas Nennenswertes von der Auswertung der beschlagnahmten Beweismittel oder deren Ergebnisse zu hören gewesen wäre. Doch das FNS bereitet sich offenbar seit einiger Zeit auf ein eventuell drohendes Verbotsverfahren vor. Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass der bayern- und bundesweit aktive Kameradschafts-Dachverband mit der 2013 gegründeten Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“ (DIIIW) eine mögliche Ausweichorganisation für ein Verbot gefunden hat.
Bereits als die Partei um den ehemaligen rheinland-pfälzischen NPD-Funktionär Klaus Armstroff Ende September 2013 in Heidelberg gegründet wurde, war Mitte Oktober auf der Website des FNS wohlwollend und mit Verweis auf deren Internetpräsenz über diesen Schritt berichtet worden. Im Oktober vergangenen Jahres verteidigte das FNS den „Dritten Weg“ dann sogar gegenüber Anfeindungen aus der parteigebundenen Neonazi-Szene, in der die Gründung einer weiteren rechtsextremen Partei teils heftig kritisiert wurde. „Der Nationale Widerstand hat hingegen mit der Partei DER DRITTE WEG nun eine neue Chance mehr gewonnen, Deutsche, die es tatsächlich auch noch sein wollen, zu sammeln und im Verbund mit freien Nationalisten auch in Zukunft, fernab der Abzockermentalität der Nationaldemokraten, gemeinsam entschlossen für die Freiheit Deutschlands zu kämpfen“, hieß es seinerzeit lobend beim FNS.
Nur wenig später begann das Neonazi-Netzwerk mit der Übernahme erster Texte von DIIIW. Seither finden sich auf der Website des FNS regelmäßig Berichte der Organisation, die sich selbst als „nationalrevolutionär“ versteht und mit einem an das „25-Punkte-Programm“ der nationalsozialistischen NSDAP angelehnten „10-Punkte-Programm“ an die Öffentlichkeit tritt. Zusätzlich zur Artikelübernahme verlinkt die von Roy Asmuß verantworte Homepage des Kameradschafts-Dachverbands mit einem Banner auf die Website der braunen Organisation.
„Stützpunkte“ in Hof und München
Personelle Überschneidungen bleiben vor diesem Hintergrund nicht aus. Erstmals öffentlich aufgefallen ist die Zusammenarbeit beim alljährlichen „Heldengedenken“ des FNS am 16. November im oberfränkischen Wunsiedel, für das Armstroff zuvor im Internet mobilisiert hat. Dementsprechend war die neue Partei gleich mit zwei überwiegend von Aktivisten der bayerischen Neonazi-Szene getragenen Bannern bei der Veranstaltung in der Fichtelgebirgsstadt präsent.
Eine Woche später beteiligte sich der erst im Mai vergangenen Jahres aus der Haft entlassene FNS-Führungskader Tony Gentsch als offizieller „Vertreter der neuen Parteialternative ‚Der III. Weg‘“ an einer Demonstration gegen eine Asylbewerberunterkunft in Greiz. Zusammen mit „mehreren Mitgliedern“ der Partei „aus Hochfranken“ war er in die thüringische Stadt gereist, um dort eine Rede zu halten. Spätestens mit der am 3. Januar dieses Jahres im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen gehaltenen Rede von Gentsch wurde enge Kooperation beider Gruppierungen überdeutlich, schilderte er dort doch in seiner Rede vor rund 70 Neonazis unter anderem „die Aktivitäten der Partei ‚Der III. Weg’ in seiner Region“.
Gentschs Ausführungen folgte wenig später die Gründung eines „Stützpunktes“ des DIIIW im oberfränkischen Hof, die am 25. Januar „in kameradschaftlichem Kreise“ erfolgt sein soll. „Mit voller Kraft wollen die Aktivisten aus Hof und dem Hofer Land in dem noch jungen Jahr nun weiter durchstarten und den ‚III. Weg’ noch bekannter machen und dabei auch neue Mitstreiter gewinnen“, heißt es zur Gründung auf der Homepage des FNS und von DIIIW. Damit ist sie nach der Ende November 2013 in der Landeshauptstadt München aufgetretenen Ortsgruppe der zweite „Stützpunkt“ der braunen Kleinstpartei im Freistaat.
FNS-Führungskader tritt offiziell für den III. Weg auf
Während es um den Münchner Lokalableger bislang jedoch relativ ruhig blieb, trat der Ableger in Hof unmittelbar nach seiner Gründung aktionistisch an die Öffentlichkeit. Allen voran mit Flugblattverteilungen hetzten „Mitglieder und Freunde der Partei des ‚III. Wegs’“ im Landkreis Hof, aber auch in anderen Teilen Oberfrankens gegen Asylbewerber.
Neben dem Stützpunkt von DIIIW in Hof und den Aktivitäten des im Landkreis Hof wohnhaften Gentsch fiel auch der FNS-Führungskader Matthias Fischer aus Fürth im Umfeld der neuen Partei auf. So gab „der bekannte fränkische Aktivist für die Partei ‚Der III. Weg’ der nationalen Zeitung ‚Empros’, einer Schwesternzeitung des Parteiblatts der Chrysi Avgi“, ein Interview „zu der speziellen Beziehung zwischen Deutschen und Griechen heute und damals“. Fischer selbst weilte bereits 2013 zusammen mit dem Stadtrat der rassistischen „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ Nürnberg, Sebastian Schmaus, für das FNS zu Besuch im griechischen Parlament in Athen. Ein Foto zeigte die beiden FNS-Kader damals zusammen mit dem inzwischen inhaftierten „Chrysi Avgi“-Chef Nikos Michalolikaos.
Gemeinsam mit Gentsch war Fischer am 15. Februar zudem bei einem „Trauermarsch“ im tschechischen Karlsbad vertreten, der als Ersatz für die gescheiterten rechtsextremen Veranstaltungen in Dresden dienen sollte. Die beiden Neonazis aus Deutschland hielten im Nachbarland eine Rede, Fischer trat dabei ganz offiziell „als Vertreter vom ‚III. Weg’ in Fürth“ auf.
Mit der Gründung von „Stützpunkten“ der Partei „Der III. Weg“ in Bayern hat das Neonazi-Netzwerk offensiv unter den Augen der Sicherheitsbehörden eine Ersatz-Organisation installiert, die bereits aktiv in den Startlöchern steht und zusehends auch regional verankert werden soll. Das Agieren führender FNS-Kader im Namen von DIIIW weist ebenso wie die vermehrt auftretenden Flugblattverteilungen deutlich darauf hin. Für den Fall eines Vereinsverbots hätte das FNS also weitestgehend bestehende Strukturen, in die es bequem wechseln könnte. Das vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz betriebene Internetportal „Bayern gegen Rechtsextremismus“ würdigt all diese Entwicklungen sehr spärlich – lediglich das Auftauchen von Aktivisten „Des III. Wegs“ in Wunsiedel und Karlsbad finden Erwähnung.