Brandherde im Gebälk der AfD

Die AfD-Chefin Frauke Petry ist dabei, sich selbst parteiintern zu isolieren – in der AfD-Spitze entwickeln sich indes andernorts neue Gemeinsamkeiten.

Mittwoch, 30. März 2016
Rainer Roeser

Der Burgfrieden überstand den Super-Wahlsonntag nur um eineinhalb Wochen. Nichts hatte vor dem 13. März die AfD-Wahlkämpfer in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt stören sollen. Das Manöver gelang. Die üblichen Querschüsse der üblichen Verdächtigen blieben aus. Die AfD wirkte fast schon wie eine geschlossene Partei – zwar mit einem breiten Spektrum vom völkischen Nationalismus eines André Poggenburg bis zum rheinischen Rechtskonservatismus eines Uwe Junge, aber mit gesitteten Umgangsformen intern. Eine friedliche Koexistenz. In der vorigen Woche war Schluss damit.

Eröffnet wurde das Feuer an einer Front, die man nicht vermuten konnte, und über ein Medium, von dem man es nicht vermuten konnte. Die „Bunte“, die sich sonst mehr für Wolfgang und Achim Petry, aber nicht für Frauke Petry interessiert, präsentierte auf drei Seiten das neue Liebesglück der AfD-Chefin und ihres nordrhein-westfälischen Parteifreunds Marcus Pretzell. Im Interview äußerte sich Frauke Petry auch zu politischen Fragen und watschte zwei AfDler ab, deren Unterstützung sie eigentlich nach wie vor nötig hätte. Über die Äußerung ihres Stellvertreters Alexander Gauland, die Flüchtlingssituation sei ein „Geschenk“ für die AfD, sagte sie: „Ein fataler Satz. Man kann sich doch nicht über Entwicklungen freuen, die dem Land schaden.“ Und zu Beatrix von Storchs Äußerungen zum Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge fiel ihr ein: „Was Beatrix gesagt hat, war katastrophal. Ich will keine Toten.“

Alexander Gauland der „Pontifex maximus“ der AfD

Gauland mochte dazu öffentlich lieber zunächst nichts sagen – ist aber bekannt für sein gutes Gedächtnis und die Fähigkeit, im Hintergrund Fäden zu ziehen, ohne dass es auf der Vorderbühne auffällt. Storch, auch sie Petry-Stellvertreterin, erinnerte in der „Bild“-Zeitung daran, dass es Petry selbst gewesen war, die die Schusswaffendebatte losgetreten habe: „Das war der Kardinalfehler.“ Ihre Chefin ist dabei, sich selbst intern zu isolieren. Schon fällt das Wort von der Beratungsresistenz. Als der Vorwurf gegenüber ihrem Vorgänger Bernd Lucke laut wurde, war das der Anfang seines Endes an der Spitze der AfD.

Während Petry schwächelt, entwickeln sich andernorts überraschende Gemeinsamkeiten. Jörg Meuthen und Alexander Gauland, die Galionsfiguren beider Parteiflügel, verstünden sich trotz inhaltlicher Differenzen gut, hat die FAZ beobachtet. Als Beleg führt das Blatt die Laudatio Meuthens zum 75. Geburtstag des Brandenburgers an. Sie sei wohl freundlicher ausgefallen, als sie es aufgrund der Parteifreundschaft der beiden hätte sein müssen, so die „Frankfurter Allgemeine“. Jede der bisherigen Begegnungen mit Gauland habe ihm „oft geradezu das Herz erwärmt“, sagte Meuthen demnach. Gauland sei der „Pontifex maximus“ der AfD. Er sehe ihn als jemanden, „der Brücken baut“. Letzteres zumindest würde über Frauke Petry derzeit niemand sagen.

NPD-Landeschef bei AfD-Veranstaltung

Petrys „Bunte“-Interview ist nicht der einzige Brandherd im Gebälk der AfD. Unter der Decke halten konnte die Partei lange den Streit über ihren Landesverband an der Saar. Schon im vorigen Jahr hatte der Bundesvorstand Untersuchungen wegen vermutlicher Kontakte von Landeschef Josef Dörr weit nach rechtsaußen gestartet. Sie führten zu einer Abmahnung Dörrs, die jedoch im Februar 2016 wieder zurückgenommen wurde. Nachdem das Wochenmagazin „Stern“ vor wenigen Wochen Dokumente veröffentlichte, denen zufolge der Saar-Vorstand über Monate enge Verbindungen zu Neonazis und rechten Parteien und Gruppierungen unterhalten habe, bekam das Thema aber neuen Drive. Das Magazin stützte sich auf Vorstandsprotokolle, E-Mails von Dörr und Whats-App-Nachrichten seines Stellvertreters Lutz Hecker. Berichtet wurde auch über Kontakte Dörrs zum NPD-Funktionär Sascha Wagner und über einen Auftritt von NPD-Landeschef Peter Marx bei einer AfD-Veranstaltung.

Wenige Tage vor den Landtagswahlen erklärten Dörr und Hecker auf Drängen der Bundespartei, sie würden ihre Ämter ruhen lassen. Doch kaum waren am Abend des 13. März die ersten Wahlprognosen über die Sender gelaufen, kehrten sie in ihre Ämter zurück. Dörr, zitiert vom Saarländischen Rundfunk: „Wenn ich mein Amt ruhen lasse, dann kann ich es ruhen lassen. Und wenn ich denke, es ist jetzt gut, dann kann ich es auch wieder aufnehmen. Und deshalb haben wir eben wieder unsere Ämter eingenommen.“

„Übliches Gewebe aus Unterstellungen und Verzerrungen“

Der AfD-Bundesvorstand griff am Donnerstag vor Ostern zum ganz großen Knüppel und erklärte den gesamten Landesverband für aufgelöst. Bei einer Amtsenthebung oder der Einleitung eines Ausschlussverfahrens gegen die rechten Spitzenfunktionäre wollte man es nicht belassen. Auf einen kompletten Neuanfang zielt der Beschluss. Eine Rückkehr von Dörr an die Spitze soll unbedingt verhindert werden. Dafür braucht man unbedingt eine neue Satzung. Die alte sah das Prinzip der Delegiertenparteitage vor und war damit hochgradig manipulationsanfällig. In einem kleinen Landesverband wie dem Saarland mit seinen knapp 300 Mitgliedern reichen ein paar Dutzend zuverlässiger Gefolgsleute, um eine Partei zu dominieren.

Zwar hat der Bundesvorstand den Beschluss mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst – doch es gibt auch Gegner. Die Auflösung sei „nicht hinreichend begründet“, schimpfte die „Patriotische Plattform“. Es könne nicht sein, „dass der Bundesvorstand auf Zuruf durch die linksliberale Mainstreampresse reagiert“. Bei der „Stern“-Veröffentlichung handele es sich „um nichts weiter als das übliche Gewebe aus Unterstellungen, Verzerrungen und Kaskaden des Verdachts“. Auch Björn Höcke schaltete sich mit – wenn auch sanfterer – Kritik ein: „Eine Partei, die einen Landesverband auflöst, scheint mir den Kinderschuhen doch noch nicht ganz entwachsen zu sein.“ Zu lesen war das am Montagabend auf der Facebook-Seite seiner Gruppe „Der Flügel“. Anderntags war das Zitat wieder gelöscht. Höcke hat ein Problem, finden sich doch im Saarland auf beiden Seiten – der Dörr-Fans wie der Dörr-Gegner – Unterzeichner seiner „Erfurter Resolution“.

Denkwürdige Medienauftritte der AfD-Chefin

Frauke Petry wirbt derweil auf ihrer Facebook-Seite für einen „AfD-Neuanfang an der Saar“. Persönlich hat sie in der vorigen Woche erst einmal einen Neuanfang ihrer Pressearbeit gestartet. Mit Christian Lüth, dem Pressesprecher der Partei, kommt sie nicht mehr klar. Der spricht nun nur noch für die anderen zwölf Vorstandsmitglieder, aber nicht mehr für die Chefin.

In der Tat hat Petry – auch abgesehen vom Plausch mit der „Bunten“ – in den letzten Wochen einige denkwürdige Medienaufritte abgeliefert. Angefangen von jenem Interview mit dem „Mannheimer Morgen“, in dem sie sich über den Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge ausließ, bis hin zu einem Gespräch mit dem für die „Deutsche Welle“ arbeitenden britischen Journalisten Tim Sebastian, das allein bei YouTube schon 600 000 Mal abgerufen wurde. Stets dann, wenn ihr das Mikrofon nicht nur zur Abfrage vorbereiteter Statements hingehalten, sondern kritisch nachgebohrt wurde, geriet sie ins Schleudern. Denkwürdig war auch ihr Nichterscheinen im ZDF-Morgenmagazin, wo sie ebenfalls mit Nachfragen hätte rechnen müssen. Im Nachhinein attackierte sie die Moderatorin, der sie aus dem Weg gegangen war, als „Politikaktivistin“ und legte gar dem ZDF indirekt einen Moderatorenwechsel nahe. Das Problem, das die AfD-Chefin Petry mit kritischem Journalismus hat: Mit Boulevard-Geplauder ist es so wenig zu beheben wie mit dem Austausch eines Pressesprechers.

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