Björn Höcke im „Bermuda-Eck“
Mit einem „Flügelkongress“ in Ostwestfalen läutet der AfD-Ableger den Europawahlkampf ein und inszeniert sich neu als extrem bedroht. Angeblich stünden einige AfD-Politiker auf „Abschusslisten“. Hauptredner beim „Hermanns-Treffen“ war ein rechter Römer.
„Gestern Italien - morgen Deutschland!“ Mit dieser Beschwörung soll Gianluca Savoini von der italienischen rassistischen Partei Lega (vorher: Lega Nord) seine Rede beim „Hermanns-Treffen“ des AfD-„Flügels“ am vergangenen Samstag in Ostwestfalen, beendet haben. So übermitteln es jedenfalls begeisterte Besucher. Mit dabei waren unter anderem der Thüringer Björn Höcke und der Brandenburger Andreas Kalbitz, der Bundestagsabgeordnete Enrico Komning aus Mecklenburg-Vorpommern, der nordrhein-westfälische AfD-Landtagsabgeordnete Christian Blex und Ralph Weber, Mandatsträger aus Greifswald. Savoini, der „umjubelte Gast“, ist außenpolitischer Berater von Italiens Innenminister Matteo Salvini.
Anschließend wurde in Augustdorf im Landkreis Lippe ein „Europamanifest“ unterzeichnet, über dessen Inhalt bisher nichts bekannt ist. Im Mai 2019 sind Europawahlen, die Parteien suchen bereits den engen Austausch. Aber warum solch große Gesten bei einem kleinen, sehr abgeschotteten Treffen im entlegenen Ostwestfalen? Der Event wirft Fragen auf.
Historischer „Hermannsland“-Mythos
Das Thema des Tages hieß offiziell: Das wahre Europa. Savoini sei demnach auch auf die „germanischen Wurzeln Europas“ eingegangen, berichtet der Bremer Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Tassis begeistert bei Facebook. Die Auftaktrede im Saal hielt dem „Westfalen-Blatt“ zufolge der AfD-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen Thomas Röckemann. Er sagte Sätze wie: „In Artikel 20 Grundgesetz heißt es ‚Alle Staatsgewalt geht vom Volke‘ aus. Wenn Grünen-Chef Robert Habeck sagt, dass es kein Volk gibt, von wem geht dann die Staatsgewalt aus?“
AfD-Rechtsaußen Björn Höcke wolle diesmal keine „Bierzeltrede“ halten. Der ehemalige Geschichtslehrer skizzierte seine Vorstellungen vom modernen Europa, suchte aber wie gewohnt den Bezug zum historischen Mythos des „Hermannslands“. Schon die NPD hatte den Sieger der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr., Arminius (Hermann), als urdeutschen Befreier gefeiert. Der Anführer der germanischen Stämme hatte dem römischen Imperium mit dem Sieg gegen drei Legionen eine entscheidende Niederlage beigebracht.
Deutschlandfahne als Erkennungszeichen
Aufhorchen ließ auch die Organisation des konspirativen Treffens. Das Procedere ähnelte sehr dem unzähliger rechtsextremer Veranstaltungen. So gab es zuvor im Netz nur den vagen Hinweis „Großraum Ostwestfalen“. Erst am frühen Samstagmorgen erhielten Interessierte einen Schleusungspunkt mitgeteilt. Hier hieß es: „Ab 10:00 Uhr auf dem großen Parkplatz hinter der Tankstelle des Autohof Paderborn-Mönkelohe an der A33 (Borchener Str. 332-334, 33106 Paderborn).“ Als Erkennungszeichen diente eine große Deutschlandfahne an einem silbernen Fahrzeug.
Zwei dickvermummte Personen erwarteten die Anreisenden, die aus Hamburg, Speyer, Sachsen, Brandenburg, Ostvorpommern und sogar Bayern angereist waren. Der größte Teil kam aus Nordrhein-Westfalen. Es folgte eine „Personenüberprüfung“ mit Ausweisen. 25 Euro Eintrittsgeld mussten zuvor entrichtet werden. Dann ging es weiter zur ehemaligen Gaststätte „Bergen Bermuda-Eck“ in Augustdorf. Ein wenig repräsentatives Gebäude direkt an einer vielbefahrenen Kreuzung. Fotos zeigen dann später Redner und AfD-Politiker auf einer weißen Bühne, umhüllt von weißem Tüllgardinen und Glitzer. Das „Bermuda-Eck“ ist spezialisiert auf türkische und russische Hochzeiten, berichten Einheimische.
Fragwürdige Öffentlichkeitsarbeit der Polizei
Verkabelte Sicherheitsleute standen an der Straße herum. Die Polizei war im Vorfeld informiert, hatte aber nach Aussage von Verantwortlichen vor Ort kein Interesse, dass der Veranstaltungsort bekannt werde. Bürgerinitiativen riefen im Vorfeld zum Protest gegen Höcke in die Detmolder Innenstadt und zum Hermannsdenkmal auf. Weit entfernt vom wirklichen Treffpunkt der Rechten. Entgegen der fragwürdigen Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit der ostwestfälischen Polizei sorgten regionale antifaschistische Strukturen dann kurzfristig für Transparenz. Sie ermittelten früh am Samstagvormittag den Veranstaltungsort und machten ihn über das westfälische Infoportal „hiergeblieben.de“ für alle zugänglich. So gelang es den AfDlern nicht, klamm und heimlich zu tagen. Etwa zwei Dutzend Gegendemonstranten forderten unter anderem „Ostgoten raus!“ („Die Partei“). In Windeseile zeigte sich auch die Polizei und fuhr einige Einsatzwagen vor die ehemalige Eckkneipe.
Die Gefahr durch den Linksextremismus sei so groß, dass der AfD-nahe Verein „Alternativer Kulturkongress Deutschland“ (AKD) aus Paderborn das „Hermanns-Treffen“ geheim abhalten müsse, erklärten Rechte aufgebracht. Einer aus dem Muldentalkreis fotografierte das Privatauto anwesender Journalisten, Nachwuchs-AfDler griffen in die Kamera. Pierre Jung von der AfD in Hamm eilte herbei und fotografierte mit seinem Tablet, auf dem „FCK MRKL“ und „FCK SLM“ stand.
Höcke kommt durch die Hintertür
Es seien „Weimarer Verhältnisse“ und man wäre dazu gezwungen, geheim zu tagen, um linker Gewalt zu entgehen. Auf die Frage, ob die letzten gewalttätigen Angriffe nicht wie im Magdeburger Landtag innerhalb der Partei vorgefallen seien, gab es keine Antwort.
Mit zunehmender Polizeipräsenz und anrückenden Gegenprotest zogen sich die gereizten Besucher ins Gebäude zurück. Björn Höcke wurde sogar durch die Hintertür auf der anderen Seite in das schmuddelige Gebäude geleitet. Matthias Tegethoff, Vorsitzender des AKD Paderborn, begründete die Geheimniskrämerei gegenüber Lokaljournalisten mit sicherheitstechnischen Gründen: „Da bekannte Politiker erwartet werden, die ganz oben auf der Abschussliste der Antifa stehen, müssen wir zum reibungslosen Ablauf gewisse Sicherheitsvorkehrungen treffen." Von welcher „Abschussliste“ er faselte, bleibt unklar. Eine Quelle nannte er nicht. Der Gegenprotest in Augustdorf jedenfalls blieb friedlich.